Eines ist Michael Matysiak besonders wichtig: „Ich rede nicht von meinen Fahrschülern, sondern von meinen Kindern.“ Und davon hat der heute 66-Jährige mittlerweile mehr als 2000, denn er ist seit 40 Jahren als Fahrlehrer in Olfen unterwegs. Bei einer kurzen Fahrt durch den Ort grüßt er an vielen Stellen oder hält für ein kurzes Gespräch an. „Das war ein früherer Fahrschüler, das war eine Fahrschülerin und von ihr habe ich auch der Mutter schon das Fahren beigebracht“, schmunzelt der vergnügte gebürtige Marler.
Heute kennt er natürlich alle Ecken der Stadt in- und auswendig. Doch das war vor 40 Jahren ganz anders. „Ich wusste damals gar nicht, wo Olfen genau liegt. Dann hat mir Norbert Tembaak, der Betreiber der Fahrschule, mal sein zweites Auto geliehen, damit ich mich schon mal in der Stadt umgucken kann. Und auf dem Rückweg habe ich mich tatsächlich verfahren“, erinnert sich Michael Matysiak an die unübersichtlichen Anfänge.
Das hielt seinen Arbeitgeber allerdings nicht davon ab, ihn einzustellen, zunächst allerdings auf Vertrauensbasis ohne festen Arbeitsvertrag. Als der neue Fahrlehrer dann erstmals Urlaub nehmen wollte, erklärte ihm der Chef nur, dann müsse er sich für den Zeitraum arbeitslos melden. „Da dachte ich mir, für zwei Wochen lohnt es sich nicht, und bin dann direkt für sechs Wochen nach Griechenland gefahren“, erzählt der Olfener.

Früher gab’s Bierfässer und Liebesbriefe
Das schadete der Beziehung zu seinem Vorgesetzten nicht, dennoch entschied sich der Fahrlehrer, 1988 selbst eine Fahrschule am Westwall zu eröffnen. Damals habe er mit den Fahrschülern noch jährlich kurz vor Weihnachten bei einem gemütlichen Zusammensein zwei 30-Liter-Fässer Bier geleert und sei zu Weiberfastnacht von der Fahrschule aus durch verschiedene Kneipen gezogen.
„Dann haben die Eltern ihre Kinder lachend abgeholt. Das wäre heute wohl nicht mehr vorstellbar, aber vielleicht auch ganz gut“, schildert Michael Matysiak. Das Verhältnis zu den Schülern und Schülerinnen habe sich aufgrund des Altersunterschieds auch verändert. „Früher haben mich alle noch zu ihrem 18. Geburtstag eingeladen und Liebesbriefe in meiner Jackentasche finde ich heute auch nicht mehr“, lacht der 66-Jährige.
Fahrlehrer heiratete ehemalige Schülerin
Eine ehemalige Fahrschülerin, zu der die Nähe allerdings erst Monate nach der bestandenen Prüfung entstand, heiratete der Fahrlehrer schließlich, die Ehe hielt zwölf Jahre und führte zu einer Tochter. Eine weitere ehemalige Fahrschülerin ist die Mutter seines zweiten Kindes.
„Sie habe ich Jahre nach der Prüfung zufällig mal wieder getroffen“, zuckt Michael Matysiak mit den Schultern. Wie es ihm eben in einer Stadt von der Größe Olfens immer wieder mal passiert. Es hat aber auch weniger schöne Seiten, dass man viele Autofahrer in der Stadt kennt. „Immer wenn es einen schweren Unfall gab, hoffe ich, dass niemand meiner Fahrschüler beteiligt ist. Leider ist aber auch schon mal jemand dadurch verstorben“, erzählt der Fahrlehrer nachdenklich.

Nebenbei ist Michael Matysiak noch Busfahrer
Die Selbstständigkeit hat er allerdings im Alter von 50 Jahren wieder aufgegeben. „Für den Stress und die Büroarbeit bin ich nicht der Typ“, stellt er im Rückblick fest. Seit sechs Jahren arbeitet der Fahrlehrer mittlerweile für die Fahrschule Janke. Seit dem 1. August ist er offiziell im Ruhestand. Das hält ihn aber nicht davon ab, seine Erfahrung weiterhin 30 Stunden pro Woche lang zu vermitteln.
„Es macht mir einfach zu viel Spaß. Früher musste ich arbeiten, jetzt darf ich arbeiten“, schwärmt Michael Matysiak von seiner Leidenschaft. Er stammt aus einer Busfahrerfamilie, spielte schon als Kind am Steuer des Busses seiner Tante. „Ich habe einfach Diesel im Blut“, scherzt der Senior, der jeden Tag um 5 Uhr aufsteht und frühmorgens, wenn er noch keine Fahrstunde hat, Olfener Schulkinder im Bus transportiert. In 40 Jahren Fahrlehrertätigkeit hat sich natürlich einiges ereignet.

„Über einige Sachen könnte ich echt ein Buch schreiben“, grinst der Fahrlehrer. Zum Beispiel über die Schülerin, die sich plötzlich während ihrer ersten Fahrstunde bückte und die Straße gänzlich außer Acht ließ. Sie holte ihr Handy heraus und wollte die Eindrücke für ihre Familie ungefiltert festhalten. Dann gab es einen Schüler, der den Start der praktischen Fahrprüfung nicht abwarten konnte und das Auto an der Fahrschule schnurstracks in eine Hecke lenkte. Das hatte zur Folge, dass die Prüfung für ihn direkt beendet war.
Fahrlehrer hat Trick gegen Prüfungsangst
Einen ganz besonderen Fall löste Michael Matysiak mit einem Trick: Ein Schüler hatte große Prüfungsangst und war nicht davon zu überzeugen, dass er die praktische Fahrt bestehen könnte. „Bei 300 Fahrstunden habe ich aufgehört, zu zählen. Aber ich kannte den Fahrprüfer ganz gut. Deswegen habe ich ihn überredet, sich einfach mal bei einer Fahrstunde mit ins Auto zu setzen, ohne zu sagen, wer er ist. Dem Schüler habe ich dann vorgeschlagen: Wir tun jetzt einfach mal so, als ob Prüfung wäre“, schildert der langjährige Fahrlehrer, der neben Pkw- auch Lkw- und Traktorfahrer unterrichtet. Alles klappte sehr gut. Als der Prüfer sich schließlich vorstellte und ihm seinen Führerschein ausstellte, konnte der Schüler es nicht glauben.
Insgesamt habe die Wertigkeit der Fahrerlaubnis aber aus seiner Sicht abgenommen. Gerade Jungen müssten immer wieder von ihren Müttern motiviert werden, dementsprechend sei die Durchfallquote bei männlichen Teilnehmern auch höher. „Die Töchter nehmen die Dinge eher selbst in die Hand“, nimmt Michael Matysiak wahr.
Er bietet wie alle Fahrlehrer sowohl Automatik- als auch Schaltfahrten an, hat also mittlerweile zwei Dienstfahrzeuge. „Mein erstes Fahrschul-Auto war ein Golf 3 ohne Servolenkung und mit Höchsttempo 130. Autos mit über 100 PS waren damals völlig undenkbar“, meint der 66-Jährige. Ein genaues Datum für seinen endgültigen Abschied hat er noch nicht im Blick. „Solange es mir Spaß macht, geht es weiter“, ist er sich sicher. So werden wohl noch zahlreiche seiner „Kinder“ in Olfen dazukommen.
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