Wann die Lippebrücke endlich gebaut wird und ob er wieder als Bürgermeister antritt? Das sind nur zwei Fragen, auf die Olfens Bürgermeister Wilhelm Senderman im RN-Sommerinterview antwortet.
In anderen Städten positionieren sich bereits Kandidaten für die Kommunalwahl. Strebt auch Wilhelm Sendermann eine weitere Amtszeit in Olfen an? Sein Vorgänger im Amt, Josef Himmelmann, war mehr als 19 Jahre lang Bürgermeister. Darüber sprechen wir im Sommerinterview mit dem 53-Jährigen genauso wie über laufende Projekte und solche, die noch nicht laufen.
Olfen gilt inzwischen für viele als Ferienziel …
… stimmt. Und das hat Tradition. Nach dem Krieg sind viele Menschen aus dem Ruhrgebiet gekommen, um hier im Grünen ihre Freizeit zu verbringen. Nicht umsonst ist der Freizeitpark Eversum mit 603 Wochenendhäusern entstanden. Wir haben bis zu 3000 Menschen, die in Olfen ihre Freizeit verbringen, und manche davon haben dann sogar ganz ihren Lebensmittelpunkt hierhin verlegt. Der boomende Fahrradtourismus fördert das noch. Wir wollen nicht umsonst zwei Millionen Euro in ein Besucherzentrum und eine Touristeninfo an der Füchtelner Mühle investieren.
Wie ist denn da der Stand der Dinge?
Wir freuen uns, dass wir Unterstützung bekommen: 80 Prozent EU-Fördermittel. Wir werden mehr als zwei Millionen Euro in die Sanierung und den Ausbau dieser Scheune investieren.
Wofür ist das?
Klar, schon jetzt besuchen Menschen gerne Olfen. Wir denken aber auch perspektivisch und möchten qualitativ hochwertige neue Angebote schaffen mit Wissensvermittlung. Das Steveraquarium soll die heimische Wasserfauna zeigen. Wenn Menschen eine Floßfahrt machen – davon haben wir ja zurzeit 11.000 – können sie sich dort treffen, einstimmen lassen, informieren, einen Einführungsfilm schauen und schnell noch mal auf die Toilette gehen.
Wie sieht die Zielgruppe aus?
Im Moment sind das vor allem Fahrradfahrer, künftig aber auch zunehmend Wanderer. Es gibt ja die neue Wanderroute durch den Naturpark Hohe Mark von Olfen nach Wesel. Und Olfen wird der erste Teilabschnitt sein, der freigegeben werden soll. Die Strecke kenne ich schon, die ist interessant. Aber ein Problem gibt es noch.
Welches?
Wir müssen irgendwo über die Lippe kommen. Und da haben wir im Moment eine Herausforderung.

Die Lippebrücke ist gesperrt: ein Zustand, mit dem sich Bürgermeister Sendermann nicht abfinden will. © Sylvia vom Hofe
Stimmt, seit Frühjahr 2018 ist die marode Lippebrücke in Ahsen gesperrt. Was können Sie da tun?
Mit den Kreisen Recklinghausen und Coesfeld und mit der Stadt Datteln sind wir im Austausch. Es wäre schön, wenn wir in einem Jahr im Bau sind. Darauf haben wir uns mit dem zuständigen Kreis Recklinghausen geeinigt.
Für Menschen, die täglich zwischen Datteln und Olfen pendeln müssen ist die Sperrung ein echtes Problem …
… und wie. Aber auch für die Umwelt: 5000, 6000 Menschen machen 10 bis 12 Kilometer Umweg jeden Tag – und das in einer Zeit, wo wir zu Recht appellieren, Fahrten kritisch zu überdenken.
Wer auf Kurztrips ins Münsterland setzt, statt Fernreisen im Flieger zu machen, tut ganz praktisch etwas gegen den gefährlichen Klimawandel. Kurz vor den Sommerferien war die Klimadiskussion in den umliegenden Städten sehr laut. Sollen wir den Klimanotstand ausrufen oder nicht? Lünen und Münster haben zum Beispiel Ja gesagt, Nordkirchen und Selm Nein. Was sagen Sie?
Wir werden das nach der Sommerpause thematisieren. Ich störe mich aber an dem Begriff Notstand. Wir machen Klimapolitik schon seit einigen Jahren. Wir haben ein Klimaschutzkonzept. Ich halte es für unglaubwürdig, jetzt vom Notstand zu sprechen, obwohl wir das seit Jahren im Fokus haben. Wir haben schon einen Bürgerwindpark. Wir forcieren den ÖPNV. Ich glaube aber, dass das in Deutschland noch nicht überall so angekommen ist und in der Welt erst recht nicht.
Zurück zu den Touristen. Wo können die außerhalb des Campinggeländes übernachten?
Wir haben die Planungen für den Olfener Westen fertig. Ziel ist, möglichst schnell, vielleicht schon im nächsten Jahr, eine Wohnmobilstellplatzanlage zu realisieren. Ziel auf Dauer ist es – und mir ist klar, dass das nicht so schnell gehen wird -, die Übernachtungsmöglichkeiten in Olfen zu verbessern durch ein kleineres oder mittleres Hotel.
Ob Dorfentwicklungskonzept Vinnum, Olfener Westen, Stadthalle, Gewerbegebiete: Die wichtigen Entscheidungen der vergangenen Jahre hat die Olfener Politik stets mit einer breiten Mehrheit getroffen. Die jüngsten Wahlen, zuletzt die Europawahl, haben aber gezeigt, dass in Olfen andere Parteien nach vorne drängen: vor allem die Grünen, aber auch die AfD. Wie bewerten Sie das?
Das ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Die Olfener wissen, was sie von ihren Leuten in der Kommunalpolitik und ihrem Bürgermeister zu halten haben. Ich glaube, dass wir hier auf eine Bürgerschaft treffen, die stolz darauf ist, Olfener und Vinnumer zu sein.
Macht es Ihnen keine Sorgen, dass die AfD bei der Bundestagswahl 2017 in Olfen das beste Wahlergebnis im ganzen Kreis Coesfeld hatte mit zehn Prozent und dass sie auch bei der Europawahl auf neun Prozent kam?
Wir werden das im Wahlkampf auf jeden Fall thematisieren, warum man glaubt, hier AfD wählen zu müssen, vielleicht ist es die Nähe zum Ruhrgebiet mit den dortigen Problemen. Ich sehe das nicht. Als ehemaliger Sozialamtsleiter weiß ich genau, wie wichtig es ist, bei der Flüchtlingspolitik klare Positionen zu haben, die manche wohl bundesweit vermisst haben. Auch dank der ehrenamtlichen Unterstützung kommen Flüchtlinge in unserer Gesellschaft gut unter. Ich verschweige aber nicht, dass es auch andere gibt. Es gibt eben überall solche und solche Menschen.
Wenn wir aus dem Fenster des Rathauses auf den Marktplatz schauen, ist noch nichts zu sehen von den großen Bauarbeiten, die bevorstehen. Die Stadt hat das Haus Nummer 4, der ehemalige NKD, gekauft. Was haben Sie damit vor?
Dass wir das Grundstück gekauft haben, ist ein strategischer Ansatz. Wir wollen die Innenstadt stärken. Wir wollen die Menschen hier halten, die in der Innenstadt Freizeit verbringen: mehr gastronomische Attraktivität. Wir haben gekauft und werden auch bauen. In größeren Orten macht so etwas die Wirtschaft eigenständig. Aber wenn wir es nicht hier machen, werden wir verharren oder von anderen überholt werden.

Das ehemalige Ladenlokal NKD, Markt 4, am Marktplatz (das weiße Gebäude) hat die Stadt gekauft und wird es abreißen. Dort ist ein Neubau geplant. © Foto: Jessica Bader (A)
Und wer wird die Gastronomie betreiben?
Wir führen da gerade Gespräche. Aber eines ist sicher: Ich werde nicht hinter der Theke stehen (lacht).
Anfang Juli hatten sie mitgeteilt, dass rund 150 Arbeitsplätz dazu kommen werden, weil der Getriebehersteller Kordel aus Dülmen nach Olfen wechseln wird.
Stimmt, das freut uns sehr. Aber wir sind auch noch mit weiteren Gewerbebetrieben im Gespräch.
Weitere Neuansiedlungen?
Ich denke, da werden noch ein oder zwei Leuchttürme dabei sein. Ich werde mich aber erst dann dazu äußern, wenn alles unter Dach und Fach ist.
Viele Projekte, über die wir gerade sprechen, sind angestoßen, werden sich aber erst in den nächsten Jahren realisieren lassen, auch noch nach September 2020; dem Termin für die nächste Kommunalwahl. Wie sieht es aus? Treten Sie wieder an?
Das kann ich dazu sagen: Ich bin 53 Jahre alt, mache das mit viel Freude und bin bis 2020 gewählt.
Und danach?
Die Frage hat sich hier noch nicht gestellt. Ich fühle aber: Ich bin noch mittendrin.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
