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Baugebiet in Olfen: Gelsenwasser plant Erschließung ohne Erdgas-Netz
Energiewende
Im neuen Baugebiet Olfener Heide müssen sich die künftigen Häuslebauer bei der Heizung überraschend viele Gedanken machen. Die bislang bekannte „Standardlösung“ wird es hier nicht geben.
Die Energiewende ist derzeit nicht nur wegen der bevorstehenden Bundestagswahl in aller Munde: Fossile Energieträger stehen massiv in der Kritik. Mit erheblichen Folgen für den Wohnungsbau. Über viele Jahre war eine Gasheizung Standard bei Neubauten. Doch diese Zeiten scheinen vorbei. Den ersten Schritt sind in jüngerer Vergangenheit Häuslebauer gegangen. Sie haben auf eine Gasheizung verzichtet und nutzen stattdessen die Erdwärme.
Jetzt reagiert auch die Gelsenwasser AG. „Sie wird kein Erdgas-Netz im neuen Baugebiet errichten“, teilte Bürgermeister Wilhelm Sendermann in der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses am Dienstagabend (21.9.) mit. Sendermann räumte ein, dass diese Entscheidung „große Auswirkungen für künftige Bauherren hat.“ Allerdings sei Olfen kein Einzelfall. Auch bei einem neuen Baugebiet im Nachbarort Senden wird es kein Erdgas-Netz geben.
Das hilft den Häuslebauern in Olfen natürlich nur bedingt weiter. Sie müssen jetzt eigene Lösungen finden - beispielsweise mit einer Erdwärmeheizung. „Ist es aber sinnvoll, wenn 170 Bauherren eine Erdwärme-Bohrung machen?“, fragte Sendermann in der Sitzung. Aus seiner Sicht müsse in Zukunft „größer gedacht werden.“ Scheint für das Baugebiet Olfener Heide der Zug dafür abgefahren, richtet Wilhelm Sendermann den Blick auf das nächste Baugebiet. Dann dürften nach seiner Einschätzung „größere Einheiten“ ein Thema sein.
Gasnetze sind an vielen Stellen nicht mehr rentabel
Die Entwicklung in Olfen mit dem Verzicht auf ein Erdgas-Netz mag für den ein oder anderen Häuslebauer überraschend kommen. Allerdings hat sich die Situation seit einigen Jahren abgezeichnet. Bereits auf dem Geothermiekongress 2019 in München hatte es deutliche Signale gegeben. Volker Stockinger, Professor für Energiegerechtes Bauen und Gebäudetechnik der Technischen Universität Nürnberg, hatte darauf hingewiesen, dass „Gasnetze im Neubau oftmals nicht mehr rentabel sind. Grund dafür seien unter anderem die gestiegenen Anforderungen an Gebäudestandards und der dadurch abnehmende Energieverbrauch.
Wie stark die Akzeptanz von klassischen Gasheizungen gesunken ist, ist längst in Zahlen ablesbar. Bei dem Geothermiekongress berichteten die Schleswiger Stadtwerke über ihre Erfahrungen. 2013 hatten sie ein Neubaugebiet mit klassischem Gasnetz erschlossen und kamen auf eine Anschlussquote von 70 Prozent. Als das Gebiet 2018 erweitert wurde, waren es nur noch 37 Prozent.
Über eine ähnliche Entwicklung in Olfen berichtet Gelsenwasser: „Die Anschlussquoten sind deutlich rückläufig“, erklärt das Unternehmen auf unsere Anfrage schriftlich. Insgesamt gebe es in Olfen derzeit rund 2500 Erdgasanschlüsse.
Auch in Olfen entscheiden sich immer mehr Bauherren für andere Heizformen
„In dem Neubaugebiet Appelstiege III/IV aus 2012 werden rund 55 Prozent der bebauten Grundstücke über Erdgas beheizt, in dem Neubaubebiet „Ächterheide“ aus 2015 sind es aktuell nur noch 43 Prozent. In dem zuletzt in 2020 erschlossenen Neubaugebiet „Am Recheder Weg“ verfügt nur ein einziges von bislang zehn bebauten Grundstücken über eine Erdgasheizung. Viele Kunden entscheiden sich für andere Heizformen wie die Wärmepumpe, auch aufgrund besserer Förderungsmöglichkeiten“, so Gelsenwasser.
Wie viele Bauherren im neuen Olfener Baugebiet trotz der Entscheidung von Gelsenwasser gegen ein Gasnetz auf den fossilen Brennstoff setzen, ist eine der aktuell überaus spannenden Fragen. Die Kommunal-Politik treibt bereits die Sorge vor zahlreichen Gastanks in den Gärten in der Olfener Heide um. Noch ist nicht absehbar, wie die künftigen Grundstücksbesitzer entscheiden werden. Fakt ist jedoch, dass so mancher Häuslebauer in spe seine (Energie-)Planung neu überdenken muss.
Journalist aus Leidenschaft, Familienmensch aus Überzeugung, Fan der Region. Als Schüler 1976 den ersten Text für die Ruhr Nachrichten geschrieben. Später als Redakteur Pendler zwischen Münsterland und Ruhrgebiet. Ohne das Ziel der Arbeit zu verändern: Die Menschen durch den Tag begleiten - aktuell und hintergründig, informativ und überraschend. Online und in der Zeitung.
