Der Maurermeister Kurt Lomparski ist 85 Jahre alt und schon über 20 Jahre in Rente. Trotzdem sagt er: „Ich würde den Beruf immer wieder machen.“ Doch 70 Jahre sind eine lange Zeit. 1953 begann Lomparski, der heute mit seiner Frau Jutta in Olfen lebt, seine Ausbildung zum Maurer. Damals war vieles anders – oder wie Kurt Lomparski sagen würde: besser.
Nach seiner Volksschulzeit startete der damals 15-Jährige in die Ausbildung. Insgesamt 90 Maurer-Lehrlinge arbeiteten in drei Lehrjahren für die Firma Zabel in Castrop-Rauxel. Vorher mussten alle eine Eignungsprüfung bestehen. „Da haben wir den Spruch gesagt: ‚Maurer sind ja nicht doof, aber jeder Doofe lernt Maurer‘“, sagt der Rentner. Vom Fachkräftemangel im Handwerk war damals noch keine Spur.
Ehrliche Knochenarbeit
„Nach dem Krieg gab es nicht viele Optionen: Zeche, Maurer, Klempner oder Elektro“, sagt der 85-Jährige. Und als Maurer konnte er am meisten Geld verdienen, so Kurt Lomparski. Also wurde er Maurer. Auch sein Vater war froh, dass sein Sohn nicht wie er Bergmann wurde. Der sagte immer: „Du gehst nicht in die Grube, bevor da Fenster drin sind.“
Doch auch als Maurer-Lehrling war das Geld alles andere als leicht verdient. „Wir haben damals noch 50 Kilo schwere Zementsäcke geschleppt und mit frischen Ziegeln und Hohlblocksteinen gemauert, die 10 Kilo pro Stein wogen“, sagt er nicht ohne Stolz. „Heute ist das Lego, damals war es noch Knochenarbeit.“
Bei Wind und Wetter ging es zum Arbeitsbeginn um 6 Uhr früh mit dem Fahrrad von Datteln nach Castrop-Rauxel Ickern. „Das war damals normal“, sagt er. Feierabend war erst zehn Stunden später um 16 Uhr. Als Jutta und Kurt Lomparski anfingen zu arbeiten, galt noch die 48-Stunden-Woche. Das heißt: Auch am Samstag wurde gearbeitet. „Dann wurde erst samstags nur bis mittags und schließlich gar nicht mehr gearbeitet“, erinnert sich Kurt Lomparski.
Lomparskis größte Aufgabe
Nachdem Kurt Lomparski vom Lehrling zum Gesellen wurde, musste er noch sieben Jahre auf den nächsten Schritt warten. Doch seit 60 Jahren ist er auch Meister seines Fachs. Dafür wurde er auch am Mittwoch (20. September) mit einem Diamantenen Meisterbrief der Handwerkskammer Münster ausgezeichnet. Erst mit seinem 25. Geburtstag durfte er damals die Meisterschule abschließen. Anschließend wechselte er als Bauleiter zur Hiberia AG nach Gelsenkirchen und baute, angefangen in seiner Heimat Datteln, deutschlandweit gleich mehrere Kraftwerke auf.
Der Höhepunkt seiner Laufbahn lag kurz vor dem Ruhestand. 1992, drei Jahre nach der Wende, ging es für Kurt Lomparski nach Brandenburg. In Kirchmöser verantwortete er den Bau eines Kraftwerks. „Das war meine größte Aufgabe“, sagt der Rentner. Normalerweise seien solche Aufträge nur an studierte Ingenieure, nicht aber an Maurermeister wie ihn vergeben worden.

„Mein Büro war in den ersten Monaten mein Auto“, sagte er. „Da war ja nichts nach der Wende.“ Den Kontakt zu seiner Frau hielt er per Kurbeltelefon. Jedes Wochenende ging es für ihn zurück in die Heimat zu seiner Familie. Die Kinder waren damals schon lange erwachsen und so konnte auch Jutta Lomparski einige Monate lang in Ostdeutschland arbeiten. „Dann kam sie freitags um 15 Uhr mit der Bahn zu mir und wir fuhren zusammen die 700 Kilometer zurück nach Olfen.“
Nach vier Jahren war es 1996 geschafft. Bis heute ist Kurt Lomparski stolz auf seine Arbeit in Brandenburg. Wenn er mit seiner Frau nach Berlin reist, fahren sie am Kraftwerk in Kirchmöser vorbei. Seit 63 Jahren sind die beiden verheiratet, haben zwei Töchter und zwei Enkelinnen.
Alte Welt
Doch auch bis dahin war es ein weiter Weg. Nicht nur bei der Arbeit, sondern auch in Beziehungen sah damals vieles anders aus. Kennengelernt hat sich das Ehepaar, weil Kurt Lomparski gemeinsam mit seinem Bruder Norbert Fotos aus dem Jugoslawien-Urlaub in einem Fotogeschäft auf dem Westenhellweg in Dortmund entwickeln lassen wollte. Norbert Lomparski war mit der Verkäuferin befreundet und die wiederum mit Jutta. „Am nächsten Wochenende fahren wir zusammen mit dem Auto aus“, sagte der damals 21-Jährige zur 16-Jährigen im Juli 1959. Ein halbes Jahr später heirateten die zwei – auch, weil Kurt Lomparski nur als verheirateter Mann Förderungen für den Bau seines Hauses bekam.
Jutta Lomparski behielt die Hochzeit erstmal für sich. Nur ihre Familie und ihr Chef wussten Bescheid. In der Schule durfte niemand wissen, dass sie verheiratet war. Selbst ihre beste Freundin, mit der sie noch heute befreundet ist, musste sie anlügen. Sie unterschrieb daher auch weiter mit ihrem Mädchennamen.
Genau wie sein zweites Haus in Olfen – wo er sogar die Bauleitung übernehmen durfte – zog Kurt Lomparski auch sein erstes Haus in Datteln selbst hoch. Unterstützung gab es dabei von den Arbeitskollegen. „Unter den Kollegen waren wir Freunde“, sagt er. Der 85-Jährige sehe genau das nicht bei der heutigen Gesellschaft. „Für Würstchen, Kartoffelsalat und eine Flasche Bier haben alle geholfen“, sagt Jutta Lomparski. Überhaupt sei Bier damals laut Kurt Lomparski noch ganz normal auf der Baustelle gewesen: „Neben jedem Speiskübel stand eine Flasche.“
Mit wenig glücklich
Durch das gemeinsame Leid hätten die Handwerker zusammengehalten. Denn die Absicherung war damals noch schwach. Schlecht-Wetter-Geld gab es noch nicht und im schlechtesten Fall wurden Kurt Lomparski und seine Kollegen kurz vor Weihnachten entlassen und gleich im neuen Jahr wieder eingestellt, nur damit der Arbeitgeber etwas Geld sparen konnte. Dann lebte die Familie vom Stempelgeld, wie das Arbeitslosengeld lange genannt wurde. Doch mit 50 D-Mark eine Familie zu ernähren und gleichzeitig ein Haus abzubezahlen, sei nicht leicht gewesen.
„Wir hatte damals nicht viel“, sagt Jutta Lomparski. „Aber wir waren trotzdem glücklich.“ Beim Einkaufen musste sie immer auf den Preis achten, es gab nur die billigste Margarine und Fleisch nur von der Freibank. Dass seine Frau arbeitete, wollte Kurt Lomparski damals trotzdem nicht. Damit war er bei Weitem nicht der Einzige. „Ich bin vom alten Holz: Der Mann hat gearbeitet und die Frau hat sich um Kinder und Haushalt gekümmert.“ Jutta Lomparski arbeitete trotzdem. Schon mit 15 Jahren war sie fertig mit ihrer Lehre in einer Glaserei, anschließend schulte sie um und als die Kinder älter wurden, arbeitete sie im Büro für die Knappschaft.
Ob sich die Ansichten von Kurt Lomparski heute verändert haben? „Teils, teils“, sagt der Rentner. Wenn Frauen arbeiten, dann findet er es gut, wenn Männer auch im Haushalt helfen. Das sehe er bei seinen beiden Töchtern und Enkelinnen. Jutta Lomparski sieht das genauso: „Anders kenne ich das nicht.“
Vorschlag gegen Fachkräftemangel
Die aktuellen Einwicklungen im Handwerk sieht Kurt Lomparski kritisch. Er habe als Bauleiter nie auch nur einen Termin nicht eingehalten. „Das war alles Terminarbeit. Bei uns hat damals ein Zahnrad ins andere gegriffen, heute würden die Zahnräder auseinanderbrechen“, sagt er. Als Mittel gegen den Fachkräftemangel schlägt er vor, dass jeder, der studieren möchte, vorher eine Ausbildung machen muss.
Wenn man Kurt Lomparski heute fragt, ob er seinen Beruf vermisst, antwortet der 85-Jährige: „Nein, jetzt nicht mehr.“ Seit 1998 ist er in Rente, aber in seinem Garten und in dem seiner Tochter habe er genug zu tun. Die Bauleitung beim Hausbau habe er 2018 natürlich selbst übernommen.