Karfreitag 1945: Amerikaner nehmen das Schloss Nordkirchen ein Von Arenbergs müssen Gemächer räumen

Amerikaner nehmen an Karfreitag 1945 das Schloss Nordkirchen ein
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Ein Schlossherr, wie er im Buche steht: Prinz Engelbert von Arenberg hat eine Hand lässig in der Tasche seiner Jagdhose, in der anderen hält er eine Zigarette. Der Mann mit Hut lacht milde - und etwas jovial in die Kamera. Im Hintergrund sieht man das Schloss Nordkirchen, den Wohnsitz des Adligen auf dem Foto. Nach Krieg sieht das auf den ersten Blick nicht aus. Auf den zweiten schon, zumindest ein bisschen. Zu sehen ist nämlich auch William C. Gibson, Kommandant der US-Army. Mit seinen Männern hat er vor genau 80 Jahren das Schloss Nordkirchen eingenommen.

Zu Kampfhandlungen ist es dabei nicht gekommen. Dazu würden die freundlichen Gesichter auf dem Bildmaterial auch gar nicht passen. Für eine britische Nachrichtensendung ist die Einnahme des Schlosses damals mitgefilmt worden - auf VHS-Kassette gibt es die Aufnahmen noch im Archiv des Heimatvereins Nordkirchen. Man sieht die Panther der Amerikaner vor dem Schloss, Soldaten im Park - und eben Engelbert von Arenberg und seine Frau, Prinzessin Valerie Marie von Schleswig-Holstein. Er in einem hellen Anzug mit breiter Krawatte und Einstecktuch, sie mit Kostüm und auffälligem Pelzmantel mit Leoparden-Muster.

Suite mit 14 Zimmern soll geräumt werden

Im Gespräch mit Kommandant William C. Gibson geht es auch darum, dass die beiden ihren Wohnsitz - eine Suite mit 14 Zimmern in einem Flügel des Schlosses - den Soldaten zur Verfügung stellen sollen. Valerie Marie von Schleswig-Holstein ist not amused. Auch das ist im Film gut zu erkennen. Noch besser ist ihr Gemütszustand aber vielleicht auf einem Foto eingefangen, das am 27. April 1945 in der amerikanischen Zeitung Baker County News erscheint. Neben ihrem Mann und General Gibson steht Valerie Marie von Schleswig-Holstein auf dem Balkon des Schlosses, eine Hand in die Hüfte gestemmt.

Ein Ausschnitt aus der Ausgabe der Baker County News vom 27. April 1945
Ein Ausschnitt aus der Ausgabe der Baker County News vom 27. April 1945 © Repro Rademacher

Für die Unterbringung der Soldaten schlägt sie einen recht verkommenen Teil des Schlosses vor, das zuvor von den deutschen Truppen genutzt wurde. Ihre Gemächer würde sie gerne für sich behalten. Am Ende musste sie aber nachgeben und die Suite räumen. So wie viele vom Rest der Bevölkerung in Nordkirchen auch. Schon viele Tage vor Karfreitag 1945 wussten die Menschen im Dorf, dass es auf das Ende zugeht, dass die Amis kommen. Der Kriegslärm aus der Umgebung war deutlich zu hören. Der Einmarsch der amerikanischen Truppen an den Kartagen verlief ruhig, wie sich Zeitzeugen erinnern.

Aber es hätte auch anders laufen können. Wilhelm Naber erzählte den Ruhr Nachrichten vor 20 Jahren folgendes: „Kurz vor dem Einmarsch der Alliierten versammelte sich auf dem Hofe Schuttmann eine SS-Einheit, um dort eine neue Kampflinie zu errichten. Die Fenster des Hauses wurden eingeschlagen, die Soldaten gingen in Stellung.“ Der Hofbesitzer bewies dann aber Wagemut. „Schuttmann erzählte der Einheit, es sei ein Anruf gekommen: Sie sollten sich sofort in Richtung Ascheberg absetzen.“ Dem Befehl von oben wurde Folge geleistet, obwohl es ihn gar nicht gegeben hatte und der Hofbesitzer ihn erfunden hatte. So kam es nicht zu der geplanten Kampflinie in Nordkirchen, die SS-Männer rückten ab.

Der Krieg endete in Nordkirchen am Karfreitag: Die Amerikaner rollten mit Panzern in den Ort - auch vor das Schloss Nordkirchen.
Der Krieg endete in Nordkirchen am Karfreitag: Die Amerikaner rollten mit Panzern in den Ort - auch vor das Schloss Nordkirchen. © Archiv Werner Overbeck

Blut wurde in Nordkirchen im Krieg nicht vergossen, auch zerstörte Gebäude gab es nicht. Lediglich ein Pavillon des Schlosses, in dem sich von 1933 bis 1940 auch eine NS-Gauleiterschule eingemietet hatte, soll durch eine herabfallende Bombe Schaden genommen haben. Sonst wurde die Gemeinde nie Ziel von Fliegerangriffen - wohl auch, weil es durch die aus Brüssel stammende Familie Arenberg als belgischer Besitz angesehen wurde.

Der Herzog des Schlosses Nordkirchen, Engelbert von Arenberg, und seine Frau Valerie Marie von Schleswig-Holstein, mit dem Kommandanten William C. Gibson.
Der Herzog des Schlosses Nordkirchen, Engelbert von Arenberg, und seine Frau Valerie Marie von Schleswig-Holstein, mit dem Kommandanten William C. Gibson. © Repro: Ruhfaut

Nach dem Einmarsch der Amerikaner legen sie auf der Wiese im Schloss-Innenhof eine weiße Fahne mit einem roten Kreuz aus: zum Schutz vor Bombenangriffen. Auch wenn in Nordkirchen der Krieg erst einmal vorbei ist, geht er im Rest von Deutschland und auch in der nahen Nachbarschaft von Nordkirchen noch einen Monat weiter. Erst am 8. Mai kapituliert das Deutsche Reich bedingungslos.

Vor dem Schloss legte die US-Armee weiße Tücher mit einem roten Kreuz aus, damit das Schloss nicht bombardiert wird.
Vor dem Schloss legte die US-Armee weiße Tücher mit einem roten Kreuz aus, damit das Schloss nicht bombardiert wird. © Repro: Ruhfaut

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