Fahrgäste einfach stehen zu lassen, weil der enge Taktplan es nicht zulässt, das käme für Bürgerbusfahrer Wilhelm Nägeler nicht in Frage. Im Zweifelsfall gibt der Nordkirchener lieber Gas.

Nordkirchen

, 22.07.2019, 14:16 Uhr / Lesedauer: 3 min

Über dem Sitzplatz von Wilhelm Nägeler ist sie stets präsent. Die digitale Uhr mit den leuchtend roten Zahlen. An diesem Dienstag ist es 9.15 Uhr, als der Bürgerbus im Selmer Zentrum hält.

Nägeler hat die Uhr stets im Blick, denn nach 13 Jahren als Fahrer für den Bürgerbus weiß er genau, wann er wo sein muss. „Jetzt muss ich etwas Gas geben“, sagt er zum Beispiel auf dem Weg zwischen Südkirchen und Capelle. „Schauen Sie mal, die zwei Minuten habe ich gleich wieder drin.“

Wilhelm Nägeler lässt seinen Fuß aufs Gaspedal gleiten und tritt kräftig - so viel, wie es die Geschwindigkeitsbeschränkungen zulassen. Die Strecke ist frei und er kennt sie gut. An manchen Bushaltestellen steht niemand. Noch nie, seit er Bürgerbus fährt. Also noch nie in 13 Jahren. Das ist auch an diesem Tag nicht anders. Der Blick auf die Uhr nur wenig später verrät: Die zwei Minuten sind wieder reingefahren. Wilhelm Nägeler grinst.

Bürgerbusfahrer seit 2006

Der 82-jährige Nordkirchener fährt Bürgerbus seit 2006, seit der Bürgerbusverein gegründet wurde. Noch vier von den insgesamt sieben Gründungsmitgliedern fahren auch heute noch Bus. Insgesamt gibt es 21 Fahrer, sieben von ihnen sind gerade frisch dazu gekommen.

Bei Wilhelm Nägeler sind in den 13 Jahren inzwischen etwa 3.500 Stunden an Busfahrten zusammengekommen. Allein im Jahr 2018 hat der Bürgerbusverein 8960 Fahrgäste durch die drei Ortsteile und ins Selmer Zentrum transportiert.

Insgesamt könnte in diesem Jahr die Grenze von 100.000 Fahrgästen, die der Bus seit 2006 transportiert, geknackt werden. Zu den Fahrgästen zählen viele ältere Menschen, die selbst kein Auto haben, aber auch Studenten und Schüler, die zwischen den Ortschaften und ihren Bahnhöfen pendeln.

Ehrenamtliches Engagement

Für Wilhelm Nägeler kam das Engagement als Bürgerbusfahrer gerade recht. Von 1991 bis 2005 war er Bürgermeister der Gemeinde Nordkirchen. Danach suchte er eine neue Betätigung. Gefahren ist er schon immer gerne, sagt er. Und Menschen helfen, sei ihm wichtig. Auch vorher war Nägeler schon ehrenamtlich aktiv. Er gründete zum Beispiel die Kolping-Jugendgruppe in Nordkirchen, engagierte sich beim DRK oder im Schützenverein. Für ihn ist das nichts Besonderes. „Da braucht man sich nichts drauf einbilden“, findet er. Wichtig sei aber hingegen: „Es muss Spaß machen.“

Die Uhr über dem Fahrersitz hat Wilhelm Nägeler immer im Blick.

Die Uhr über dem Fahrersitz hat Wilhelm Nägeler immer im Blick. © Sabine Geschwinder

Und das macht es offensichtlich. Während Wilhelm Nägeler den Bus durch Nordkirchen, Südkirchen und Capelle steuert, hebt er immer wieder die Hand zum Gruß, um Passanten oder Radfahrern „Hallo“ zu sagen. „Man kennt sich“, sagt er kurz zur Erklärung. Und er kennt seine Fahrgäste. Dienstags weiß er zum Beispiel, „fährt zu 99 Prozent eine Dame an der Kirche in Nordkirchen mit. Die lächelt so schön.“ Und um ihr auch an diesem Tag ein Lächeln zu entlocken, lässt er seinen Bus ein paar Meter vor der Haltestelle stehen. Er wartet kurz. Dann steuert er seinen Bus auf sie zu. „Ich hatte kurz Probleme mit dem Bus“, sagt er grinsend, als sie einsteigt. Sie lächelt. „Es muss auch mal Zeit für einen Jux sein“, findet er.

„Ich würde mich schämen“

Keinen Spaß versteht er dagegen am Bahnhof in Capelle. Dort ist der reguläre Bus so Richtung Lüdinghausen getaktet, dass es kaum möglich ist, aus der Bahn auszusteigen und den Bus noch zu erwischen. Kommt die Eurobahn von Dortmund aus pünktlich, haben die Fahrgäste etwa eine Minute, um auszusteigen, die Treppen des Bahnhofsgeländes hochzusteigen und den Bus zu erreichen. Oft fährt der Bus ab, kurz bevor die Fahrgäste ihn erreicht haben, sagt Nägeler. So war es auch an diesem Morgen. Die Fahrgäste müssen dann rund eine Stunde warten, bis der nächste Bus kommt.

Wilhelm Nägelers Bus ist so getaktet, dass er am Bahnhof in Capelle ohnehin einen Zeitpuffer hat. Ist die Bahn verspätet, wartet er auch etwas länger. Er fährt die Zeit dann raus. Einfach wegfahren kommt für ihn nicht in Frage. „Ich würde mich sonst schämen“, sagt er.

Ein Frühaufsteher

Was ihm ebenfalls wichtig ist: Dass ihm die Ärzte grünes Licht geben für seine Arbeit als Fahrer. „Von den Zehen bis zu den Haarspitzen“, wird er dabei durchgeckecht, wie er sagt. Auch beim letzten Mal gab es grünes Licht. Bis 2022 gilt seine aktuelle Erlaubnis. „Ich bin 82, aber ich fühl mich nicht so“, sagt Wilhelm Nägeler.

Also ist er auch weiterhin fünfmal die Woche mit den Bürgerbus unterwegs. Morgens, von 6.30 bis 12.30. Wenn um 4 Uhr die Zeitung geliefert wird, steht Wilhelm Nägeler meistens auf und trinkt seinen Kaffee, um 6.15 Uhr bereitet er den Bus für die erste Fahrt um 6.30 Uhr vor.

Nachmittags nach dem Busfahren fährt er Fahrrad, malt Landschafts- oder Tierbilder in Acryl oder er gestaltet Kerzen. Langeweile kommt bei Wilhelm Nägeler jedenfalls keine auf. „Das möchte ich auch gar nicht“, sagt er.

Im Ursprungsartikel waren zwei Fehler. Wir hatten geschrieben, dass Wilhelm Nägfeler dieser in der Regel einmal Woche unterwegs ist. Das war ein Fehler. Der Bürgerbus ist zwar fünfmal unterwegs. Wilhelm Nägeler allerdings

In der Regel einmal die Woche, nämlich dienstags. Bei einer Szene stimmte zudem der Ort nicht, sie spielte am Heimathaus in Capelle nicht am Heimathaus in Capelle. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

Infos zum Bürgerbus Der Bürgerbus fährt von montags bis freitags von 6.30 bis 18.30 Uhr, also insgesamt 12 Stunden lang. Samstags und sonntags gibt es keine Fahrten. Der Bus verindet die drei Ortsteile Südkirchen, Nordkirchen und Capelle und fährt zusätzlich den Bahnhof Beifang in Selm sowie das Selmer Zentrum an. Erwachsene zahlen 1 Euro pro Fahrt, nach und von Selm aus 2 Euro Schüler bis 18 Jahre zahlen die Hälfte. Informationen gibt es auch unter www.buergerbus.nordkirchen.de