Eine der großen Investitionen: So soll das sanierte und nach oben hin ausgebaute Rathaus der Gemeinde Nordkirchen aussehen.

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Trotz Millionendeal: Nordkirchener Haushalt 2022 hat kaum Überschuss

rnHaushaltsentwurf 2022

Ob Rathaussanierung oder Vereinsheim aus dem 3-D-Drucker: Ein Jahr großer Investitionen soll 2022 für Nordkirchen werden. Der Haushaltsentwurf bietet die Möglichkeiten dazu - aber auch Risiken.

Nordkirchen

, 09.02.2022, 18:15 Uhr / Lesedauer: 3 min

Was für ein herrliches Gefühl das 2019 für die Verantwortlichen aus Rat und Verwaltung gewesen sein muss: Aus dem hässlichen Entlein mit der kreisweit höchsten pro Kopfverschuldung im Jahr 2018 wurde auf einen Schlag ein stolzer Schwan. Damals hatte die Gemeinde Nordkirchen die Aufgaben der Abwasserbeseitigung auf den Lippeverband übertragen. Der zahlte der Gemeinde dafür 40 Millionen Euro. Nordkirchen war seine Schulden los und hatte sich dazu noch ein dickes Finanzpolster zugelegt: Geld, das gewinnbringend für die Zukunft angelegt werden sollte. Die glückliche Erleichterung von damals ist 2022 - im Jahr drei der Corona-Krise - nur noch eine ferne Erinnerung.

Bürgermeister Dietmar Bergmann hat den Haushaltsentwurf 2022 eingebracht.

Bürgermeister Dietmar Bergmann hat den Haushaltsentwurf 2022 eingebracht. © Büscher/Gemeinde Nordkirchen

Der Haushaltsplan 2022 beschert der Gemeinde Nordkirchen im Ergebnisplan nur noch ein besseres Taschengeld. „Wir planen mit einem positiven Saldo von 74.800 Euro,“ sagte Bürgermeister Dietmar Bergman (SPD), als er den Haushaltsentwurf mit einer mehr als halbstündigen Rede vorstellte. Etwas mehr als 24 Millionen Euro möchte Nordkirchen 2022 an Erträgen einnehmen. Dem stehen etwas mehr als 25 Millionen Euro an Aufwendungen gegenüber. Mehr als eine Million Euro, genau sind es 1.106.700 Euro, klaffen zwischen den Erträgen und den Aufwendungen. Trotzdem weist der Ergebnisplan diesen bescheidenen Überschuss aus. Wie geht das zusammen?

Buchungstrick verschönert das Ergebnis

Die Kommunen in Deutschland haben derzeit eine Geheimwaffe gegen Corona-bedingte Ausfälle. Das Land NRW hatte Maßnahmen zur Sicherung der Handlungsfähigkeit in der Pandemie erlassen. Das sogenannte NKF-Covid-19-Isolierungsgesetz. Für die Jahre 2020 bis 2024 können die erwarteten coronabedingten Ausfälle zusätzlich als sogenannte außergewöhnliche Erträge hinzugerechnet werden. Die Gemeinde Nordkirchen beziffert diese coronabedingten Steuerausfälle für 2022 auf 1,18 Millionen Euro. Dieser Betrag darf jetzt den Erträgen zugerechnet werden und fließt so in den Ergebnisplan mit ein.

Ohne diesen Bilanztrick wäre der Ergebnisplan defizitär und würde mit einem Fehlbetrag von etwas über einer Million Euro abschließen. Auch in den beiden Vorjahren wurden bereits solche Corona-bedingten Verwerfungen aus dem Ergebnisplan herausgerechnet und werden sich bis Ende 2022 auf knapp 2,75 Millionen Euro summiert haben. Die Sache hat aber einen Haken:

Diese außerordentlichen Erträge müssen ab 2025 über 50 Jahre wieder abgeschrieben werden oder können alternativ in den Jahren 2024 und 2025 komplett gegen das Eigenkapital ausgebucht werden. Dazu ist im Haushaltsplanentwurf noch nichts zu lesen. Eine Entscheidung darüber werde der Gemeinderat im Jahr 2025 treffen, sagt Kämmerer Tönning auf Nachfrage.

Nach dem Geldsegen geht es wieder an die Substanz

Der Blick auf den Finanzplan spiegelt realistischer die Situation der Gemeinde wider. Er berücksichtigt, vergleichbar mit einem Girokonto, alle Gelder, die reinkommen und rausfließen. Hier ist ein Defizit bis zum Ende 2022 von etwas über 3,5 Millionen Euro attestiert. In den beiden Folgejahren 2023 und 2024 sollen Defizite in Höhe von 3,3 Millionen Euro 2023 und 4 Millionen Euro 2024 folgen. Erst 2025 soll der Finanzplan mit einem kleinen Überschuss im sechsstelligen Bereich, genau 135.000 Euro, abschließen. Das zerrt mittelfristig an den Guthaben der Gemeinde.

Das Ende 2019 nach dem Big-Deal mit 11,3 Millionen prall gefüllte Girokonto Nordkirchens wird laut Haushaltsplanentwurf Ende 2025 mit 6,45 Millionen Euro ins Minus drehen. Dennoch: Die Schlossgemeinde wird das durch Finanzanlagen aus eigener Kraft auffangen können - allerdings mit mehr Mühe als gedacht. Denn Nordkirchen hat sein Geld 2019 und in den Folgejahren angelegt - ausgerechnet in der längsten Niedrigzinsphase seit Bestehen der Bundesrepublik.

Steuersätze bleiben stabil

Eine der wichtigsten Botschaften laut Bürgermeister Bergmann: An eine Steuererhöhung werde nicht gedacht. Grundsteuerhebesätze A und B verbleiben bei 260 v.H., bzw. 540 v.H.. Ebenso wenig wird der Gewerbesteuerhebesatz angehoben. Er verbleibt stabil bei 450 v.H.. Eine Erhöhung der Steuersätze sei eigentlich die einzig mögliche Reaktion auf die derzeitige hohe Inflation, sagte Bergmann in seiner mehr als halbstündigen Rede zur Haushaltseinbringung. Allerdings sei die Gemeinde in der glücklichen Situation diese Kostensteigerungen aufzufangen. Und auch noch kräftig zu investieren: insgesamt 5,1 Millionen Euro.

Die größten Investitionen: Vereinsheim aus dem 3-D Drucker

Die größten Investitionen stehen im Zeichen des Sports. Mehr als 1,68 Millionen Euro will die Gemeinde in die Sportplätze Nordkirchen und Capelle investieren. Capelle soll dabei ein Umkleidegebäude aus dem 3-D Drucker erhalten. Damit wird Nordkirchen die erste Gemeinde, die ein öffentliches Gebäude mit einem 3-D Drucker entstehen lässt, sagte Bürgermeister Dietmar Bergmann mit Stolz. Die Kosten von knapp einer Million Euro tragen die Gemeinde, das Land und der SC Capelle gemeinsam.

Die nächst größeren Investition sind die Erschließung des Baugebietes Rosenstraße-Nord, für die Investitionen in Höhe von 800.000 Euro vorgesehen sind, sowie der Umbau und die Modernisierung der Verwaltungsgebäude. Der Umbau des Rathauses und des Bürgerhauses wird die Stadt anfänglich mit 561.000 Euro belasten. Der Löwenanteil wird allerdings in den kommenden zwei Jahren zu stemmen sein. Dabei rechnet die Gemeinde mit weiteren 3,15 Millionen Euro.

Auch wenn Bergmann das in seiner Rede nicht so offen anspricht: Im Etatentwurf 2022 zeigt sich der Einmal-Effekt des Abwasserdeals von 2019. Die Gemeinde konnte zwar ihre Schulden bis auf zwei Kredite von 2 Millionen Euro - sie laufen vertragsbedingt erst später aus - tilgen und Vermögen aufbauen. Aber dauerhaft ausgeglichene Haushalte werden sich laut Haushaltsplanentwurf nicht ergeben.

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