Rathausumbau in Nordkirchen 2024 kostet Millionen Gemeindeverwaltung zieht in drei Ausweichquartiere

Rathausumbau 2024: Gemeindeverwaltung zieht in drei Ausweichquartiere
Lesezeit

Dass ein Kämmerer auf die Idee kommen könnte, sich die kommunalen Finanzen schön zu trinken, ist mit Blick auf die Ausgabenlast nicht abwegig. Warum dann nicht gleich die Verwaltungsteams Finanzen und kommunale Einnahmen in einer Kneipe unterbringen? Das Standesamt, vor dessen Besuch so mancher angehende Ehegatte weiche Knie hat, könnte von einer Apotheke profitieren. Und die Baubehörde passt gut in den Neubau eines Wohnbauunternehmens. Ob das die wahren Motive waren für die Auswahl der Ausweichquartiere und die Zuordnung der Fachbereiche, bleibt offen. Fest steht. Die Gemeindeverwaltung Nordkirchen zieht bald um - für die Zeit des Rathausumbaus.

Nicht alle Fachbereiche werden gleichzeitig das zentral gelegene Rathaus an der Bohlenstraße verlassen - allein schon aus praktischen Gründen. Denn der laufende Betrieb der Gemeindeverwaltung soll zu keinem Zeitpunkt ruhen, wie Gemeindesprecher Karim Laouari auf Anfrage sagt.

Zwar könne es punktuell zu Einschränkungen kommen für die Bürgerinnen und Bürger, aber die Öffnungszeiten würden nicht angepasst. Los geht es am 2. November. Bis Dezember sollen nach und nach alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Ausweichbüro bezogen haben. Was sind die drei Übergangs-Verwaltungssitze und die Fachbereiche, die demnächst dort zu finden sein werden? Laouari zählt auf.

1. Ehemalige Schwanen-Apotheke

Auch in die Räume der ehemaligen Apotheke im Ortskern von Nordkirchen wird die Verwaltung ausweichen.
Auch in die Räume der ehemaligen Apotheke im Ortskern von Nordkirchen wird die Verwaltung ausweichen. © Günther Goldstein

Zu Fuß herübertragen können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bürgerservice und des Standesamtswesens ihre Umzugskartons. Sie finden ihr Übergangsquartier rechts um die Ecke: im Gebäude Schloßstraße 4, in dem bis September 2018 die Schwanen-Apotheke war.

2. Neues Reher-Bürogebäude

Die Gemeindeverwaltung wird Büros in dem Neubau des Unternehmens Reher nutzen.
Die Gemeindeverwaltung wird Büros in dem Neubau des Unternehmens Reher nutzen. © Günther Goldstein

Das Unternehmen Reher Wohnbau hat im August 2023 seinen Neubau am Kreisverkehr Ermener Straße/Ferdinand-Kortmann-Straße (Ferdinand-Kortmann-Straße 2a) bezogen. Dort sind noch Büros leer geblieben, die künftig die Gemeindeverwaltung nutzen wird. Der Fachbereich 3 (Bauen, Planung, Umwelt) wird dort ab dem 6. November einziehen. Die Stabsstelle und das Büro des Bürgermeisters, zu dem der Gemeindesprecher und Wirtschaftsförderer Laouari selbst gehört, folgen am 9./10. November. Ab dem 13. November kommt der Fachbereich 2 (Bürgerservice, Familie, Soziales) an die Reihe, sich an der Ferdinand-Kortmann-Straße einzurichten.

3. Ehemalige Gaststätte Mersch

Nach mehr als 20 Jahren Leerstand kehrt neues Leben in die ehemalige Gaststätte Mersch in Capelle ein. 110 Jahre alt ist die Dorfkneipe. Jahrzehntelang war sie die erste Adresse im Dorf zum Feiern und Kegeln, Essen und Trinken, bis „Bei Pippo“ - so der letzte Name - Anfang des Jahrtausends der letzte Tropfen aus dem Zapfhahn floss und das Haus in einen Dornröschenschlaf fiel. Den hatte das Unternehmen SH Capelle GbR mit den beiden Gesellschaftern Lothar Steinhoff und Dirk Heitjohann im Januar 2023 beendet, als sie begannen, das Gasthaus in ein Wohn- und Bürohaus umzubauen. Der Fachbereich 1 (Zentrale Dienste und Finanzen) wird dort ab Ende November einziehen.

Neue Telefonnummern für alle

Die Gemeindeverwaltung wird eine neue Telefonanlage bekommen. Die Umschaltung wird laut Laouari zum Umzug in die neuen Quartiere erfolgen. Die Telefonnummern der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bleiben aber wie gehabt.

Bis auf die Computertechnik packt jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin seine Sachen selbst. Das Team des Bauhofes bringe die Kisten anschließend zum jeweiligen neuen Quartier, so Laouari. „Ein großer Teil des Mobiliars besteht aus Einbauschränken, die nicht mit umziehen. Schreibtische und Stühle beispielsweise schon“, sagt er. Und wie bei jedem anderen Umzug ging auch diesem eine große Entrümpelungs-Aktion voraus. Dabei habe „die gesamte Verwaltung aussortiert und entsorgt, was nicht mit umziehen soll oder muss“.

4,6 Millionen Euro

Das Nordkirchener Rathaus an der Bohlenstraße ist selbst schon in Teilen 100 Jahre alt. Ende der 1980er-Jahre war es das letzte Mal um- und angebaut worden. In Sachen Klimaschutz sei das Gebäude „ein Fiasko“, hatte Bürgermeister Dietmar Bergmann in der Vergangenheit gesagt: Die Heizungsanlage sei sehr alt, und die Fenster im Erdgeschoss seien undicht. Darüber hinaus platze das Bürgerbüro aus allen Nähten. Bergmann freut sich, dass sich die Politik entschieden hatte für einen Um- und Erweiterungsbau am bestehenden Platz: mitten in Nordkirchen. „Wir werden hier eine neue Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger schaffen.“ Für den Familien- und Sozialbereich werde es künftig ein Front-Office geben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dahinter, im sogenannten Backoffice, könnten dann schneller Anträge bearbeiten.

Im Januar 2024 wird die Baustelle eingerichtet, wie der Gemeindesprecher sagt. Anschließend erfolgen erste Rückbauarbeiten, wie die Demontage der Photovoltaik-Anlage, um das Dach abdecken zu können. Diese PV-Anlage werde nach Fertigstellung aber „natürlich wieder aufgebaut“.

Keine Angabe zur Miete

Nach jetzigem Stand liegt die Kalkulation bei 4,6 Millionen Euro bei einer Förderung in Höhe von rund 1,7 Millionen Euro. „Die Kalkulation wird aber laufend fortgeschrieben und demzufolge aktualisiert“, sagt der Gemeindesprecher. Über die zwischenzeitlich entstehenden Mietkosten für die Ausweichquartiere sagt er indes nichts. „Hier handelt es sich um Vertragsdetails mit Dritten, über die wir keine Auskunft geben.“

Rekord-Krise am Bau zum Trotz: Nordkirchen plant Baugebiet in Capelle - auch für Münster

Neuer öffentlicher Trinkwasserbrunnen in Nordkirchen: Kostenloses Wasser für Mensch und Hund am Ludw

Radweg in Nordkirchen: „Wir Nordkirchener sind bei Bauprojekten unendlich geduldig geworden“