Nordkirchens Bürgermeister zum umstrittenen Hotelquartier „Nicht auf Gedeih und Verderb“

Bergmann zum umstrittenen Hotelquartier: „Nicht auf Gedeih und Verderb“
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Gleich zwei Investoren hatten sich in den vergangenen Monaten an die Gemeindeverwaltung Nordkirchen gewandt, beide mit derselben Idee: Sie wollten unweit des berühmten Schlosses Nordkirchen und seines deutschlandweit einzigartigen Parks eine Luxus-Senioren-Residenz bauen. „Mit 250 Betten“, sagt Bürgermeister Dietmar Bergmann.

„Genau das wollen wir aber eben nicht.“: Bebauung in Top-Lage, von der die Bürgerinnen und Bürger nicht profitieren könnten. Das geplante Hotelquartier sei da anders. Dennoch gibt es auch daran harsche Kritik - von Bürgerinnen und Bürgern und von der Denkmalbehörde. Wenige Tage vor der Sonderratssitzung zu dem Bauvorhaben am Dienstag (15.11.), 18 Uhr, im Bürgerhaus, Am Gorbach 2, nimmt der Bürgermeister dazu Stellung.

120 Doppelzimmer

Überdimensioniert? Das in der 10.500-Einwohner-Gemeinde geplante Hotel soll 120 Doppelzimmer haben. Zum Vergleich: Das Hotel am Kloster in Werne hat 54 Zimmer. Das Ringhotel am Stadtpark in Lünen 124 Zimmer und das Atlantic in Münster 224. „Das Schloss Nordkirchen besuchen jedes Jahr 500.000 bis 600.000 Gäste“, sagt Bergmann. Dazu kämen die mehr als 500 Hochzeitspaare, die sich Jahr für Jahr in Nordkirchen trauen lassen. „Und unser Golfplatz ist auch sehr gefragt.“ Gäste von örtlichen Unternehmen und von der Finanzhochschule im Schloss fragten ebenfalls regelmäßig nach Unterkünften: das passende Signal für Investoren. „Projektentwickler und Betreiber haben den Bedarf ermittelt.“ Der sei demnach so groß, dass sich 120 Doppelzimmer rechneten - auch noch nach dem Rückzug des Landes NRW , das ursprünglich eine Fortbildungsakademie errichten wollte. Die Sorge, dass das Hotel als leerer Klotz ende, ist laut Dietmar Bergmann „völlig unbegründet“.

Das Hotel gibt dem geplanten 4,3-Hektar großen Quartier zwischen Am Gorbach und Schloßstraße zwar den Namen. Es ist aber nicht die einzige Bebauung, die entstehen soll. Ein Hallenbad, ein Erweiterungsgebäude für die Oberstufe der benachbarten Gesamtschule, eine Kita, ein Gesundheitszentrum und rund 200 Wohneinheiten, darunter Servicewohnen für Senioren, gehören dazu. Ein dreistelliges Millionenprojekt. Wer das Geld in die Hand nehmen will, ist bekannt: Die Eigentümerin, die TMC Development GmbH, will das Grundstück am östlichen Ortskern der IGP-Gruppe mit Sitz in Berlin verkaufen, die bundesweit Immobilienprojekte entwickelt und realisiert. Für das in Nordkirchen nimmt sie die auf Servicewohnen spezialisierte Convivo-Gruppe aus Bremen mit ins Boot. Wer das Hotel betreiben wird, ist dagegen noch nicht öffentlich.

Dietmar Bergmann in seinem Büro im Rathaus der Gemeinde Nordkirchen. Der Bürgermeister der Schossgemeinde nahm im Video-Gespräch Stellung zur Kritik am Schlossquartier.
Das einzigartige Schoss Nordkirchen ist ein Ziel das mehr als eine halbe Million Menschen pro Jahr anlockt. Diese Attraktivität gilt es zu nutzen, aber auch zu bewahren: ein Spagat, den die Gemeinde mit dem Hotelquartier macht. © Goldstein

Schwimmbad wird verhandelt

Das alte Schwimmbad der Gemeinde musste im Sommer 2015 schließen: zu marode. Seitdem sitzen die Nordkirchenerinnen und Nordkirchener auf dem Trockenen. Bei der vorangegangen Planung - also noch inklusive Fortbildungsakademie - gab es bereits den Entwurf für einen Nutzungsvertrag über das hoteleigene Hallenbad, das auch die Gemeinde mit nutzen kann: ein Kontrakt, der aber nie unterschrieben wurde. Zurzeit laufen neue Gespräche: „Uns ist wichtig, Schulschwimmen und Vereinsschwimmen wieder anbieten zu können“, aber auch öffentliche Schwimmen für alle anderen. „Wir sind bei diesen Gesprächen kein Bittsteller“, sagt Bergmann. Investor und Projektentwickler sei klar, „dass wir als Gemeinde das Schwimmbad hier nutzen müssen“.

Macht die Gemeinde zu viele Zugeständnisse bezüglich der übrigen Bebauung, um das so schmerzlich vermisste Schwimmbad zu bekommen? Diese Befürchtung habe manche Bürgerinnen und Bürger in ihren Stellungnahmen zum neuen Bebauungsplanentwurf geäußert. Die Planänderung war nach dem Wegfall der Akademie nötig geworden und steht jetzt zur Abstimmung. „Das ist völlig falsch“, entgegnet der Bürgermeister. Es gehe nicht darum, „auf Gedeih und Verderb ein Schwimmbad und die Oberstufe zu realisieren“, sondern darum, Bedarfe der Gemeinde zu decken. Bedarf bestehe eben nicht nur an Bad, Schulanbau und Hotel, sondern auch an Mietwohnungen und Servicewohnen. Letzteres belege auch der Pflegebedarfsplan des Kreises Coesfeld.

Schloss beeinträchtigt?

Der Denkmalschutz sieht diese Bedarfe an der falschen Stelle realisiert. Die Fachabteilung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) übt harsche Kritik an dem Vorhaben, das den Gesamteindruck des Schlosses und des in Deutschland einzigartigen Parks beeinträchtige: Vorwürfe, die für Bergmann nicht neu sind. „Wir haben schon seit 20/25 Jahren auf dieser Fläche ein Hotel geplant.“ Bedenken bezüglich der Lage hat es seitdem immer wieder aus Münster gegeben - und Kopfschütteln aus Nordkirchen. „Von dem Standort aus sieht man das Schloss gar nicht und andersherum eben auch nicht. Es liegt ein Wald dazwischen“, sagt Bergmann. Dass das Gesamtensemble des Schlosses negativ beeinflusst werde und die Gemeinde damit ausgerechnet das beeinträchtige, das ihren Erfolg ausmache, will er nicht gelten lassen.

Bergmann verweist auf einschneidende Veränderungen auf dem Schlossgelände selbst: etwa die beiden Containeranlagen für Studierende oder die neue Mensa. Auch die beiden Windräder in Werne-Nierstenholz seien in der Blickachse des Schosses zu sehen. Jetzt an dem Hotelquartier, das nicht einmal zu sehen sei, Anstoß zu nehmen, bedeute mit unterschiedlichem Maß zu messen. „Wir brauchen Entwicklungsmöglichkeiten an geeigneter Stelle.“ Und diese durch die Schloßstraße vom eigentlichen Denkmalbereich getrennte Fläche sei geeignet.

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