
© Sabine Geschwinder
Landtagsvizepräsidentin an der Gesamtschule Nordkirchen: „Wurden Sie schon mal bedroht?“
Schulbesuch
Die Vizepräsidentin des NRW-Landtags, Carina Gödecke, war am Montag zu Besuch in der Gesamtschule Nordkirchen. Die Schüler wollten vieles wissen, dabei ging es auch um Gewalt und Mobbing.
Ob man Politik mit Schule vergleichen kann? Parallelen zu der Arbeit im Landtag von Nordrhein-Westfalen und einem Unterrichtstag an einer Nordkirchenr Schule findet Landtagsvizepräsidentin Carina Gödecke (SPD) jedenfalls leicht.
„Sind Sitzungen im Landtag auch mal langweilig für Sie als Landtagsvizepräsidentin“, will eine Schülerin wissen. „Man muss hochkonzentriert sein“, sagt Gödecke. Wenn man mal unachtsam sei, dann passierten Fehler. Es wird laut, es gibt Beschwerden. Aber: „Es ist wie in der Schule“, sagt Gödecke, „es gibt gute Tage und nicht so gute Tage“, „der eine findet Mathe toll, der andere nicht.“
Die Landtagsvizepräsidentin, die ihren Wahlkreis in Bochum hat, war im Rahmen des Konzepts „Präsidium macht Schule“ am Montag, 25.11., nach Nordkirchen gekommen. Dabei geht es darum, dass ein überparteilicher Repräsentant des Landtags, also der Landtagspräsident, oder die Vizepräsidentinnen in Schulen kommen, dort von ihrer Arbeit berichten und mit den Schülern - in diesem Fall Schüler der Stufe 11 - diskutieren. Gödecke war auf Einladung des Landtagsabgeordneten André Stinka (SPD) nach Nordkirchen gekommen.
Interesse an Politik ist größer
„Es gibt viele Formate, bei denen Schüler zu uns in den Landtag kommen, das ist ein Format, wo wir die Schüler besuchen, die vielleicht nicht so einfach nach Düsseldorf reisen können“, erklärt Dorothea Dietsch. Sie ist im Bereich Öffentlichkeitsarbeit des Landtags aktiv und betreut das Format schon seit seinem Start im Jahr 2006.
Sie sagt: „Das Interesse steigt.“ Damals, also 2006, hätten die Schüler Politik viel eher als langweilig empfunden, heute höre man viel öfter: „Politik? Oh wie spannend.“ „Vielleicht hat es mit Fridays for Future zu tun“, überlegt Dietsch, „vielleicht auch damit, dass in den Familien mehr über Politik gesprochen wird.“ Sie sei auf jeden Fall begeistert, davon, dass die Schüler so interessiert zuhören.
„Macht Ihnen Ihre Arbeit Spaß?“
Dietsch gibt auch eine Einleitung, berichtet aus der Geschichte des NRW-Landtags. Wie dieser entstanden ist, warum in manchen Legislaturperioden mehr Politiker dem Parlament angehören, als den anderen. Unter der Überschrift „Ein Tag mit...“ berichtet dann Carina Gödecke aus einem typischen Plenartag - also eines Sitzungstages. Danach können die Schüler ihre Fragen stellen.
„Macht Ihnen Ihre Arbeit Spaß?“, „Wie finden Sie Fridays for Future?“, sind einige der Fragen, die sie erhält. Dieser Beruf sei ihr Traumberuf, sagt Gödecke. Wobei, einen kleinen Schönheitsfehler gebe es da schon: „Natürlich möchte man als Politiker etwas bewegen, also nicht in der Opposition sitzen, sondern in der Regierung“, sagt die SPD-Politikerin. Und für Fridays for Future hat sie Sympathien.
„Ich finde es absolut richtig, dass junge Leute mit anderen Maßnahmen, als wir sie nutzen würden, Druck machen.“ Die Gründe dafür seien absolut nachvollziehbar. „Ich bin 61 Jahre alt“, sagt Gödecke, „ich habe den größten Teil meines Lebens schon gelebt. Ihr habt noch achtzig Jahre vor euch“, sagt sie beim Blick in die Gesichter der Schüler.
Besorgnis über Rechtsruck
Die Schüler wollen aber auch über noch ernsthaftere Themen reden: Zum Beispiel über das Thema Antisemitismus. „Der deutlich erkennbare Rechtsruck in unserer Gesellschaft besorgt mich“, sagt Gödecke. Dass Juden ihr gegenüber Besorgnis zum Ausdruck gebracht haben, dass sei auch ein Seismograf für die Gesellschaft. Wieso die SPD dann aber einen wie Thilo Sarrazin ausgeschlossen habe, der doch schon vor Jahren vor einem „importierten Antisemitismus“ durch islamische Einwanderung gesprochen habe.
„Das ist hier eine politische Veranstaltung, keine parteipolitische“, sagt Gödecke. Es soll also um sie als überparteiliche Mandatsträgerin gehen, nicht um SPD-Parteipolitik. Gödecke sagt aber so viel: Eine Partei vereine immer verschiedene Positionen in sich. Manchmal müssten sich Menschen aber fragen, ob ihre Werte denn im Kern mit den Grundwerten der Partei noch zusammen passen. „Ich bilde mir ein, für ein tolerantes, vielfältiges NRW zu stehen, deshalb ist der Weggang mancher Parteimitglieder nicht der Untergang des Abendlandes.“
Von Bedrohung und Mobbing
„Wurden Sie schon mal bedroht?“, will eine Schülerin wissen. „Ja“, sagt Gödecke dazu. Sie habe schon ernst zunehmende Morddrohungen erhalten. Als die gekommen sei, sei sie gerade in Brüssel gewesen und habe sich Sorgen um ihren Mann gemacht. Die Polizei sei dann sofort aktiv geworden. „Man darf sich aber davon nicht einschüchtern lassen“, sagt Gödecke. Die Drohungen, das sei eine Form von Mobbing.
Die zweite Parallele zur Schule. Auch dort gebe es Gewalt und Mobbing. „Vielleicht kennen Sie das so an dieser Schule in dem kleinen Örtchen Nordkirchen nicht“, sagt Gödecke, aber im Zweifelsfall sei es immer besser, einmal mehr um Hilfe zu bitten, als zu wenig.
Ich bin neugierig. Auf Menschen und ihre Geschichten. Deshalb bin ich Journalistin geworden und habe zuvor Kulturwissenschaften, Journalistik und Soziologie studiert. Ich selbst bin Exil-Sauerländerin, Dortmund-Wohnerin und Münsterland-Kennenlernerin.
