Kletterer baumelt vor Schoss Nordkirchen am Kran Willi Zimmer hat besondere Technik entwickelt

Willi Zimmers Idee: Kletterer baumelt vor Schoss Nordkirchen am Kran
Lesezeit

Die schnurgerade Allee zwischen Schloss Nordkirchen und Bürgerhaus ist am Freitagvormittag (20. Januar) gesperrt. Ein Autokran mit 50-Meter-Mast steht zwischen den Linden. An dem gelben Ausleger baumelt ein Mann über den Baumwipfeln.

Auf dem Gehweg vor dem abgesperrten Grünen Weg steht Willi Zimmer und beobachtet jede Bewegung des Kollegen, der in rund 30 Metern Höhe über ihm schwebt. „Da wäre ich jetzt auch gerne“, sagt der 61-Jährige, ohne den Blick abzuwenden. Das Klettern ist von Klein auf seine Leidenschaft. „Bei meiner Mutter riefen regelmäßig Nachbarinnen an, um zu berichten, in welchem Baum ich jetzt wieder hockte.“

Dass er nicht auch an diesem Freitag selbst oben ist, habe weder etwas mit seinem Alter zu tun, noch mit seiner Rolle als Chef des Gartenbauunternehmens „Alles im Grünen Bereich“, sondern allein mit seinem Knie. „Das ist kaputt“, sagt er und schüttelt bedauernd den Kopf. Denn das Baumklettern mit Kran ist nicht nur seine Leidenschaft, sondern seine eigene Erfindung.

Vor rund 40 Jahren sei das gewesen, sagt Zimmer, der immer noch verfolgt, wie der Kollege am Kranarm langsam nach links dreht zur Grenze zwischen der öffentlichen Allee und den Gärten der Privathäuser an der Straße Am Schlossgraben. Damals habe er in Hamburg gelebt und gearbeitet: als Gärtner mit Faible fürs Baumklettern bei der Berufsausübung. Beim Bier mit Freunden habe er gesagt, dass er am nächsten Tag früh raus müsse: eine anstrengende Baumfällung mit Abseilen. „Da fragte einer im Scherz, warum nimmst Du keinen Kran?“ Erst lachte Zimmer mit über den Scherz. Dann dachte er sich: Warum eigentlich nicht?

Ohne Leiter und ohne Bühne

Welche Vorteile der Kran hat, lässt sich auf der Allee beobachten. Der Kollege, der inzwischen sein luftiges Ziel erreicht hat - ganz ohne Leiter und Arbeitsbühne - , fährt die Teleskopsäge aus und beginnt Totholz aus der lichten Krone zu ziehen. Einen festen Stand hätte er dort im Baum nicht, wo er arbeitet. Aber das braucht er auch nicht. Denn er bleibt mit dem Kran verbunden, der ihn mitsamt der abgestorbenen Äste später wieder zurück nehmen wird.

Schlechtwetter gibt es nicht für Zimmer und seine Kollegen. Während an diesem Januartag mit Temperaturen um den Gefrierpunkt Baustellen verweist bleiben, sind sie unterwegs. „Klar, frieren wir auch!“, sagt Zimmer und reibt sich die Hände. Aber im Winter haben Baumpfleger nun einmal Hochkonjunktur. Nur von Anfang Oktober bis Ende Februar ist es laut Bundesnaturschutzgesetz erlaubt, Gehölze zu schneiden und auf den Stock zu setzen. In den übrigen Monaten sind nur schonende Form- und Pflegeschnitte zulässig.

Im Hintergrund ist das Schloss Nordkirchen zu sehen. Zimmers Team hat schon eine Menge Totholz aus den Bäumen geholt. Die Gemeinde Nordkirchen kommt ihrer Verkehrssicherungspflicht nach, indem sie Willi Zimmer beauftragt und dafür sorgt, dass das Totholz nicht Spaziergängern gefährlich wird. Außerdem gelte es, die Lindenallee sichtbar bleiben zu lassen und das Gehölz rechts und links zurück zu schneiden oder auf Stock zu setzen.
Im Hintergrund ist das Schloss Nordkirchen zu sehen. Zimmers Team hat schon eine Menge Totholz aus den Bäumen geholt. Die Gemeinde Nordkirchen kommt ihrer Verkehrssicherungspflicht nach, indem sie Willi Zimmer beauftragt und dafür sorgt, dass das Totholz nicht Spaziergängern gefährlich wird. Außerdem gelte es, die Lindenallee sichtbar bleiben zu lassen und das Gehölz rechts und links zurück zu schneiden oder auf Stock zu setzen. © Sylvia vom Hofe

Baumkletterer ist zwar immer noch keine geschützte Berufsbezeichnung in Deutschland. Inzwischen erkennt die Berufsgenossenschaft aber die Qualifikation an, die vorrangig Menschen mit „grünen Berufen“ in ausgewiesenen Kletterschulen erwerben: Forstwirte, Gärtner und Garten- und Landschaftsbauer. Gestaffelte Kurse vermitteln die Technik des Seilklettertechnik und des Einsatzes der Motorsäge im Baum. Das Kranklettern, das Zimmer erfunden hat, lehren sie nicht. „Vielleicht“, sagt er und lacht, „hätte ich mir das tatsächlich patentieren lassen sollen.“

Nordkirchener Familientradition

Vor rund 20 Jahren ist der gebürtige Nordkirchener aus Hamburg zurückgekehrt in seine Heimatgemeinde. Eine Entscheidung, die er nie bereut hat. „Hier gehöre ich hin“, sagt er. Schließlich hätten auch schon sein Vater und sein Großvater in Nordkirchen die Bäume versorgt: der eine auf dem Schlossgelände, der andere im

Arenberger Forst und auf dem Gelände der Kinderheilstätte. Nordkirchener Bäume zu pflegen, das sei eben Familiensache, sagt Zimmer und lacht. Nur seinen Sohn, den habe er nicht dafür begeistern können: weder für die Baumpflege, noch fürs Baumklettern.

Kunst-Erbin in Nordkirchen: „Bilder gehören ins Schloss und nicht übers Sofa“

Fragen und Antworten : Hotelquartier am Schloss Nordkirchen: Sorgen, Chancen, Mitbestimmung

Jede Stunde eine Runde: Bürgerbus Nordkirchen fährt ab 13. Februar nach neuem Fahrplan