Nach zweieinhalb Stunden hitziger Diskussion über das Nordkirchener Hotelprojekt hatte Michael Hoppenberg am Donnerstagabend (24. 8.) gegen 20 Uhr Feierabend. Als der 68-jährige Rechtsanwalt und Herausgeber des „Handbuchs des öffentlichen Baurechts“ den überfüllten Saal des Bürgerhauses verließ, konnte er allerdings nicht sicher sein, ob seine Mission wirklich gelungen war.
Er war gekommen, um die Mitglieder des Ausschusses für Bauen und Planung und die besorgten Bürgerinnen und Bürger im Zuhörerraum davon zu überzeugen, dass „sich hier niemand Sorgen machen muss“. Für das Bebauungsplanverfahren Hotelquartier habe die Gemeinde eine „rechtssichere Form gewählt“. Mit dem neuen herkömmlichen Angebotsbebauungsplan, der im Ausschuss zur Diskussion stand und den der Rat am Donnerstag (31.8., 17.30 Uhr) beschließen soll, stehe die Gemeinde „nicht ein Iota schlechter da“ als mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan, für den es keine Grundlage mehr gebe. Schließlich gebe es inzwischen mehrere Vorhabenträger und nicht mehr wie zu der Zeit, als das Land NRW noch seine große Fortbildungsakademie bauen wollte, einen Vorhabenträger für alles.
Anstatt weiter zurückzublicken, empfahl Hoppenberg - und da sprach er wohl nicht als Jurist, sondern als langjähriger Berater der Gemeindeverwaltung - , „lieber alles zu tun, um die Ziele zu verwirklichen“: den Bau von Hotel, Oberstufengebäude, Schwimmhalle, medizinischem Zentrum und Wohnungen auf dem fünf Hektar großen Grundstück zwischen Schloßstraße und der Straße Am Gorbach. In der Vergangenheit war ein solcher Appell immer auf offene Ohren gestoßen in der Nordkirchener Politik. Inzwischen ist das nicht mehr so. Das zeigte sich nicht nur daran, dass der Bauausschuss einhellig befand, dem Gemeinderat keine Beschlussempfehlung zu geben. An diesen fünf Fragen schieden sich die Geister:
Die fünf zentralen Fragen
1. Wer wusste von der Änderung des Planungsinstruments?
Die Antwort ist nicht eindeutig. Laut Bürgermeister Dietmar Bergmann sei das „vor den Sommerferien ausführlich diskutiert“ worden. Nicht nur an Uta Spräner von den Grünen war das aber wohl vorbei gegangen. Dass die Gemeindeverwaltung zwischen dem 17. Juli und dem 22. August den neuen Bebauungsplan offengelegt hat und nicht den - laut Hoppenberg obsolet gewordenen - vorhabenbezogenen Bebauungsplan, „hat uns genauso überrascht wie alle anderen auch“, sagte sie. Markus Pieper, Chef der CDU/FDP-Fraktion, ging noch weiter: „Die Politik wollte diesen Wechsel nicht. Ich finde das eine Unverschämtheit.“ Es könne nicht sein, „dass Sie alle missverstanden haben“.
2. Was ist das Ergebnis der Bürgerbeteiligung?
Am Tag vor der Bauausschusssitzung hieß es noch, dass aktuell keine Anregungen und Bedenken eingegangen seien. „Heute Vormittag haben wir dann 17 Seiten Stellungnahmen bekommen“, sagte Thomas Quante (CDU). Und die waren auch nicht bei jedem Ausschussmitglied angekommen. „Da sehen wir uns außer Stande, jetzt zu beschließen.“ Auch SPD-Fraktionsvorsitzender Gereon Stierl stimmte zu und befand, dass die Abwägungen in Ruhe geprüft werden müssten.
Welcher Investor macht was?
3. Welche Informationen gibt es von den Investoren?
„Wer was in welcher Größe vorhat, weiß ich nicht“, sagte Markus Pieper (CDU). Bislang wisse er nur, dass es einen Investor gebe, der das medizinische Zentrum betreiben will, ergänzte sein Parteifreund Thomas Quante. Ob Schwimmbad oder Hotel: „Wir sollten jetzt kennenlernen, wer was machen will“, befand auch Gereon Stierl. Zuletzt habe es so ausgesehen, als ob sich kein Betreiber für das Schwimmbad finde, sodass schon im Raum stand, ob die Gemeinde eventuell einspringe, erinnerte Quante. Um das überhaupt beurteilen zu können, habe die Politik um Kostenangaben zu Schwimmbad und Schule gebeten. Da sei aber bislang nichts gekommen. Für Bürgermeister Bergmann ist das auch nicht verwunderlich. Schließlich würde kein Investor kostspielige Planungen anstellen, wenn es noch gar keine Planungsgrundlage gebe.
4. Gibt es „belastbare Alternativmodelle“ in Sachen Oberstufen-Campus?
Die CDU/FDP-Fraktion hatte im Mai den Antrag gestellt, spätestens bis zur Bauausschusssitzung im August vorzuschlagen, wo der Erweiterungsbau der Gesamtschule noch errichtet werden könne, um unabhängig vom Hotelquartier zu sein. Die Antworten, die der ehemalige Bauamtsleiter Josef Klaas gab, blieben hinter den Erwartungen zurück. Ob nördlich des Altbaus, auf dem Schulhof oder neben dem Altenhilfezentrum: Keine der Flächen funktioniere. „Wir favorisieren einen Bau im Hotelquartier. Das ist die richtige Wahl, von der wir auch nicht abrücken wollen.“ Die Grünfläche, die südlich an das Schulgrundstück angrenzt, hatte Klaas nicht in seine Überlegungen einbezogen. Dabei ist sie auch im Eigentum der Stadt, wie eine Rückfrage von Maria Wellmann (CDU) ergab.
Die Grundsatzfrage gestellt
5. Braucht es überhaupt das Hotelquartier?
Diese Frage hat Bürgermeister Dietmar Bergmann ausführlich beantwortet, mit einem klaren Ja. „Dieses Projekt ist für uns einen Riesenchance.“ Der Tourismus sei ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Weil Wohnungen fehlen, würden Menschen wegziehen, statt zuzuwandern. „Und eine unterdurchschnittliche Bevölkerungsentwicklung bedeutet weniger Zuweisungen“, so Bergmann. Obwohl die CDU/FDP-Fraktion sich bei Verfahrensfragen in dem laufenden Projekt „deutliche Verbesserungen“ und ein Ende der „Salamitaktik“ bei der Information wünschte, wie Thomas Quante es ausdrückte, stehe sie auch weiter hinter den Zielen, sagte Markus Pieper. Allerdings nicht mehr bedingungslos hinter der 4-Millionen-Euro-Genussscheinregelung.
Eine weitere Verlängerung werde aus Sicht der CDU/FDP-Fraktion nicht „automatisch, das heißt ohne neue Eckpunkte, ohne weitere Bedingungen“ mitgetragen. Pieper verwies darauf. dass das im nichtöffentlichen Teil der Haupt- und Finanzausschusssitzung am Dienstag (29. 8., 17.30 Uhr) erfolgen werde. Da es um Vertragsangelegenheiten geht, bei denen die sogenanntes berechtigten Interessen des Vertragspartners zu schützen ist, sieht die Gemeindeordnung den Ausschluss der Öffentlichkeit vor. „Nicht öffentlich heißt aber nicht unehrlich“, so Markus Pieper.
Ulrich Stüeken (Grüne) stellte dagegen die Grundsatzfrage nach dem Sinn des Hotel-Projekts. „Nordkirchen ist ein schöner, lebenswerter Ort auch ohne Hotel und Service-Wohnen,.“ Er empfahl, „nicht über jedes Stöckchen zu springen, das Investoren hinhalten“. Die Gemeinde solle stattdessen selbst Schule und Schwimmhalle bauen. Der Ausschussvorsitzende Christian Lübbert (UWG) bekräftigte ebenfalls: „Für mich zählt nur noch die Oberstufe, egal wo und wie.“
In einer ersten Fassung dieses Textes war Markus Pieper bezüglich der Genussscheinvereinbarung verkürzt und daher missverständlich zitiert worden.
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