Hotelquartier am Schloss Nordkirchen Gemeinderat stimmt trotz Bedenken für XXL-Bauprojekt

Hotelquartier am Schloss: Rat stimmt trotz Bedenken für Bauprojekt
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Der Rat der Gemeinde Nordkirchen habe eine Gewissensentscheidung zu treffen. So hat es Josef Klaas am Dienstagabend (15.11.) formuliert. Die Latte für die Beratung über das Hotelquartier in Nordkirchen war damit von vorne herein hoch gelegt. Was sein eigenes Gewissen dem ehemaligen Bauamtsleiter riet, der das Projekt seit mehr als 20 Jahren begleitet, brauchten die Politikerinnen und Politiker und die rund 30 Gäste im Bürgerhaus nicht lange zu raten: „Dieses Quartier wird positive Auswirkungen für den ganzen Ort haben haben“, sagte Klaas, „und wir erwarten, dass ordentlich Steuern gezahlt werden.“ Unschlagbare Argumente, wie sich eineinhalb Stunden später bei der Abstimmung über die Anregungen und Bedenken zur Änderung des Flächennutzungsplans zeigen sollte.

Grüne forderten Gutachten

Eigentlich war die Planänderung ein Schritt zurück. Die Gemeinde hatte bereits einen gültigen Plan für die Bebauung. Schon zwei Jahre zuvor hatte der Rat grünes Licht gegeben - trotz der lauten Bedenken, die auch schon damals die Denkmalschützer des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) geäußert hatten. Dass das jetzt alles wieder aufgerollt werde, ärgerte Markus Pieper, den Chef der CDU/FDP-Fraktion. „Da waren wir schon weiter.“ Für die Grünen war es dagegen eine Chance, noch einmal inne zu halten und dafür zu werben, die einmal gefällten Entscheidungen zu hinterfragen. Und sich doch noch mit den „erheblichen Bedenken“ der Denkmalschützer auseinander zu setzen.

Die Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe hatten vor dem erheblichen Eingriff „in die überlieferten bau- und gartenkulturellen Werte und die Gartenschöpfung des international renommierten Gartenarchitekten Achille Duchene“ gewarnt. „Geradezu flehentlich“, wie Uli Stüeken (Grüne) sagte. Er plädierte zusammen mit der Fraktionsvorsitzenden Uta Spräner dafür, doch der Bitte des LWL zu folgen, und ein denkmalfachliches Gutachten zu erstellen. Oder zumindest, Vertreter der Behörde nach Nordkirchen einzuladen, um die Bedenken besser zu verstehen. Denn daran fehlte es vielen im Rund des Rates: Verständnis für die so hoch aufgehängte Kritik.

Denkmalschutz unter Verdacht

Karl-Heinz Fricke (SPD) empfahl einen Spaziergang im Park. Dann werde deutlich, dass dort von keinem Punkt aus die künftige Bebauung auf dem Acker zwischen der Straße Am Gorbach und der Schloßstraße zu sehen sei. „Dazwischen liegt ein Wald“, stimmten SPD-Fraktionschef Gereon Stierl zu: „Mit der Realität hat diese Stellungnahme nichts zu tun. Da wird ein Popanz gemacht.“ Er unterstellte den Denkmalschützern sogar „politisch motiviert“ zu sein, um Nordkirchens Entwicklung zu bremsen. Sein CDU-Kollege Pieper zeigte zwar, dass er Duchenes Idee, dass der Park in den freien Raum übergehen solle - möglichst in die Unendlichkeit - , kennt. „Aber eine so wichtige Baumaßnahme von einer Unendlichkeitsachse abhängig zu machen, sehe ich einfach nicht.“ Der altgediente Bauamtsleiter tat das auch nicht. „Wir verstehen den Gedanken, folgen ihm aber nicht.“

Der Acker rechts neben der Nordkirchener Gesamtschule soll mit dem Hotelquartier bebaut werden. Den Weg dafür freigemacht hat der Nordkirchener Rat. Dabei hat er sich über Bedenken hinweggesetzt.
Der Acker rechts neben der Nordkirchener Gesamtschule soll mit dem Hotelquartier bebaut werden. Den Weg dafür freigemacht hat der Nordkirchener Rat. Dabei hat er sich über Bedenken hinweggesetzt. © Günther Goldstein

Landwirtschaft in Sorge

Genauso ging es mit dem Einwurf der Landwirtschaftskammer. Sie sorgt sich wegen des Flächenverlusts. Äcker seien „für die Versorgungssicherung und die

Nahrungsmittelerzeugung vorausschauend und nachhaltig zu sichern“ und eben nicht zu bebauen. Im Hotelquartier werde kompakter gebaut als in den von Einfamilien- und Doppelhäusern geprägten Wohngebieten, hielt Bürgermeister Dietmar Bergmann (SPD) dagegen. Unterm Strich werde also weniger Bauland der Landwirtschaft entzogen. Dafür gelinge es, Bedarfe zu decken, die bislang offen seien: Wohnungen für junge Leute, und für Seniorinnen und Senioren (Service-Wohnen). Die Grünen forderten auch mit Hinweis auf das Klimaschutzkonzept, den Ausgleich für die bald versiegelte Fläche vor Ort vorzunehmen. Das sei in Gänze nicht möglich, so Klaas. Außerdem würde der Nordkirchener Landwirtschaft dann noch mehr Fläche entzogen.

Angesichts der Anregungen und Bedenken von rund 40 Bürgerinnen und Bürgern machte Klaas noch einmal klar, dass es noch nicht um Detailfragen gehe. Welche Farbe der Klinker habe, wie groß der Anteil an Sozialwohnungen werde, wie tief das Schwimmbecken werde und wann es geöffnet habe, werde in städtebaulichen und privatrechtlichen Verträgen mit Investoren und Betreibern geregelt: Verhandlungen, über die der Rat auf dem Laufenden gehalten werde. „Wir sind froh, dass es den Investor gibt“ unterstrich Pieper. Ein Schwimmbadbetreiber fehlt dagegen noch.

Ärger über Haus Westermann

„Wir können uns erst zum Schwimmbad äußern, wenn wir wissen, was es kostet“, sagte Stierl. Sein politisches Gegenüber Pieper warnte „vor einem Automatismus“. Der Bürgermeister versicherte aber: „Unser Ziel ist es, dass es in Nordkirchen wieder die Möglichkeit gibt zu schwimmen.“

Dass es nicht immer leicht ist für Politik und Verwaltung, mit einem Investor erfolgreich zusammenzuarbeiten, hatten die Ratsmitglieder und die Bürgerinnen und Bürger zuletzt auf dem Weg zur Sitzung gesehen: auf dem Gelände des ehemaligen Hauses Westermann mitten im Ortskern. Die Bauarbeiten sind nicht längst so weit wie verabredet. Stierl nannte das „absolut unbefriedigend“. „Ich schäme mich für diese Entwicklung“, gestand Pieper. Aber ich möchte nicht immer durch die Brille von Haus Westermann bewertet werden.“ Die beiden und auch die Verwaltung hatten jedoch keine Sorge, dass die Absprachen mit den Investoren auf dem viel größeren Hotelquartier deutlich besser laufen werden.

Bei fünf Gegenstimmen (die Grünen und ein CDU-Mitglied) stimmte der Rat für den nächsten Schritt auf dem Weg zur Flächennutzungsplanänderung. Die Verwaltung bereitet jetzt die öffentliche Auslegung der Planunterlagen vor und die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange. Abschließend muss dann noch einmal der Rat über die Änderung des Flächennutzungsplans und des Bebauungsplans entscheiden, um Baurecht für das geplante Hotelquartier zu schaffen. Die Flächennutzungsplanänderung wird im Anschluss der Bezirksregierung Münster zur Genehmigung vorgelegt.

Der ersten Fassung des Textes war irrtümlich zu entnehmen, dass der Rat schon jetzt über die Flächennutzungsplanänderung abgestimmt hätte. Richtig ist, dass er mit seinem Votum den Weg dafür frei gemacht hat.

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