Nordkirchen ist grundsätzlich eine lebenswerte und liebenswerte Gemeinde, in der ich mich seit circa 27 Jahren wohl fühle. Leider trüben zwei Bauprojekte diesen Eindruck. Da ist zunächst einmal das Haus Westermann, das die Gemeinde schon im Jahr 2013 gekauft hat. Seitdem sind fast 10 Jahre vergangen und der Neubau ist immer noch nicht bezugsfertig. Wir haben Dezember 2022.
Das ist schon ziemlich peinlich für die Verantwortlichen (Gemeinde, Investor, Rechtsanwälte, Notare). Immerhin wird inzwischen am Rohbau gewerkelt, allerdings mehr in homöopathischer Dosis. Ich bin wirklich gespannt, wann dort Mieter einziehen können.
Kürzlich hat der Rat der Gemeinde für ein Großprojekt im dreistelligen Millionenbereich neben der Gesamtschule gestimmt. Grundsätzlich ist gegen Bauvorhaben natürlich nichts einzuwenden, Wohnraum wird schließlich überall dringend gebraucht. Die Dimension dieses Projekts ist allerdings erschütternd.
Ausmaß des Hotels zu groß geplant
Ein Hotel mit 120 Zimmern (nicht Betten): Wer soll diese Zimmer Tag für Tag nutzen? Natürlich gibt es einen Golfclub, der Turniere ausrichtet. Diese finden allerdings zumeist nur eintägig statt. Natürlich gibt es viele Hochzeiten im Schloss. Es wird bestimmt Hochzeitsgäste geben, die im geplanten Hotel übernachten werden. Aber doch nicht Tag für Tag und in einem solchen Ausmaß.
Auch Radtouristen werden gelegentlich kommen. Klar, aber doch nicht 100 oder mehr. Warum kann man nicht ein Hotel für maximal 100 Gäste bauen, das würde sicherlich reichen. Oder man plant als mögliche Nachnutzung schon einmal, dort Studenten der Fachhochschule unterzubringen.
Viele Nutzungsfragen bei Schwimmbad
Ein Gesundheitszentrum in welchen Ausmaßen auch immer: Will man dort Ärzte ansiedeln? Fachärzte sind für Nordkirchen sicher nötig, aber würden sie sich in einem Dorf von 5000 Einwohnern niederlassen? Wer würde ihnen die Kassenzulassung geben? Oder soll dort nur aufgrund privatärztlicher Abrechnung behandelt werden.
Ein Schwimmbad mit 4 Bahnen bei 25 Meter Länge: Grundsätzlich eine tolle Idee. Aber auch hier ist Ärger vorprogrammiert. Nordkirchen hat drei Grundschulen und eine Gesamtschule. Morgens würde das Schulschwimmen dominieren. Was sagt der Hotelgast, der in Ruhe seine Bahnen ziehen möchte.? Was ist mit den Nordkirchener Bürgern, die schwimmen möchten? Auch die DLRG benötigt Schwimmzeiten. Vermutlich gibt es noch Aqua-Fit-Angebote des Gesundheitszentrums. Schwimmkurse müssen natürlich auch noch stattfinden können.
Kauf der Klassenräume sinnvoller?
Für 200 bis 250 geplante Wohnungen müsste die passende Infrastruktur geschaffen werden. Wie viele Parkplätze wird es geben? Wie wird die Verkehrssituation aussehen, wenn alle diese verschiedenen Baubereiche fertiggestellt sind? Hat ein Investor überhaupt Interesse an Sozialem Wohnungsbau oder soll Nordkirchen nur noch die „Best Ager“ mit großem Geldbeutel beherbergen? Was sagen die Bewohner dort, wenn im Hotel mal große (Hochzeits)-Feierlichkeiten stattfinden. Wie ist es da mit dem Lärmschutz?
Zusätzlich wird der Investor zwölf Klassenräume für die Gesamtschule bauen und an die Gemeinde vermieten. Da fragt man sich natürlich, ob ein Bau durch die Gemeinde oder zumindest ein Kauf dieser Klassenräume nicht langfristig wirtschaftlicher wäre.
Passt nicht zu einem Dorf wie Nordkirchen
Am 19. Oktober fand im Bürgerhaus eine gut besuchte Versammlung zu diesem Thema statt, bei der alle diese Bedenken zusammengetragen wurden. Schade und traurig ist, dass der Rat der Gemeinde darauf nicht entsprechend eingegangen ist und an dem Großprojekt in dieser Form festhält. Da wird der Bürgerwille ganz stumpf missachtet!
Das ist bitter und passt nicht zu einem Dorf wie Nordkirchen. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Gemeinde bei der Vertragsgestaltung eine glückliche Hand hat und, dass uns ein Desaster wie bei Haus Westermann erspart bleibt. Ein dermaßen dilettantisch abgewickeltes Bauvorhaben für Nordkirchen ist schon mehr als genug und zeugt nicht gerade von der Kompetenz der Verantwortlichen.
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