
© Haub
Hochzeitsbäume in Nordkirchen: 600 Geschichten von der Liebe
Am Schloss
Hochzeitsbäume stehen in Nordkirchen schon seit ein paar Jahren nicht mehr zum Verkauf. Für ihre Besitzer haben die bestehenden Bäume oft eine besondere Bedeutung. Wie auch für Monika Haub.
Es ist einer dieser Herbsttage, von denen man noch nicht so genau weiß, ob sie sonnig oder doch nieselig werden. Nahe des Hochzeitstürmchens im Schlosspark posiert ein Hochzeitspaar unbeachtet davon im Herbstlaub für Fotos. Monika Haubs Hochzeit im Hochzeitstürmchen ist schon etwas länger her, sechs Jahre, um genau zu sein.
Doch etwas abseits des Geschehens am Schloss, immer noch mit Blick auf das beliebte Bauwerk, steht die 40-Jährige an diesem Herbstnachmittag an einem Ort, der ihr immer wieder diesen besonderen Tag vor Augen führt. An ihrem Kastanienbaum. Monika Haub und ihr Mann Christoph haben den Baum 2015 zur Hochzeit geschenkt bekommen. „Das ist schon ein sehr persönliches Geschenk gewesen“, sagt Monika Haub. Immer, wenn sie mit ihrer Familie in der Nähe des Schlosses ist, führt sie der Spaziergang deshalb auch dorthin. „Das ist ein Muss“, sagt die Nordkirchenerin.
Bäume erzählen Geschichten von der Liebe - oder dem Ende der Liebe
Sie selbst hatte 2015 standesamtlich im Hochzeitstürmchen geheiratet. Ein besonderer Tag. Nicht nur, weil sie ihrem Mann das Jawort gab, sondern auch, weil der Standesbeamte noch einen weiteren Auftrag erhalten hatte. Er sollte der Hochzeitsgesellschaft verkünden, dass Monika Haub und ihr Mann bald zu dritt sein würden. Vorher hatte die Braut extra noch darauf geachtet, den Blumenstrauß vor ihren größer werdenden Bauch zu drapieren. Die Überraschung sollte schließlich perfekt werden. Und das hat auch geklappt. „Es ging ein Raunen durch den Raum“, erinnert sich Monika Haub an den Moment, als die Neuigkeit verkündet wurde. Dass ihre Tochter ein unbestreitbar wichtiger Bestandteil der Liebesgeschichte ihrer Eltern ist, spiegelt sich auch am Hochzeitsbaum der beiden wieder. Dort ist eine pinke Plakette mit dem Namen und Geburtstag der Tochter unter der grünen Plakette der Eltern angebracht.
Auch die Plaketten der rund 600 anderen Hochzeitsbäume erzählen mitunter Geschichten. Manche Plaketten sind verblichen, andere gar nicht mehr vorhanden. Manchmal steht nur noch ein Name darauf. Manch einer hat gar schon drei Bäume gepflanzt. Die Anekdote vom Mann, der dreimal als Bräutigam einen Baum pflanzte - jedes Mal mit einer anderen Frau, versteht sich - erzählte Bauamtsleiter Josef Klaas 2017 in einem Artikel der Ruhr Nachrichten. Auch Monika Haub gibt zu, dass sie gerne mal neugierig schielt, was so auf den Plaketten steht, „das ist ein bisschen wie Gala lesen“, sagt sie und lacht.
Die Paare entscheiden, was mit den Plaketten passiert
Die Idee, Hochzeitsbäume zu pflanzen, kam ursprünglich von der Gemeinde, die sich dabei von einer Kommune in Hessen hatte inspirieren lassen, erklärt Gemeindesprecher Karim Laouari. Von 2002 bis 2016 seien die Bäume gepflanzt worden. Kleine Plaketten neben den Bäumen weisen darauf hin, wem der Baum gehört und seit wann er an der Stelle steht.
„Auch wenn sich Paare trennen, bleiben die Bäume und Plaketten natürlich stehen“, sagt Karim Laouari. „Was mit den Plaketten passiert, entscheiden die Paare. Manche haben zum Beispiel neue Schildchen angebracht, weil sie ihre Kinder auch mit aufnehmen wollten.“
Der Baum von Monika und Christoph Haub - gepflanzt 2016 - gehört zu den letzten Hochzeitsbäumen, die in Nordkirchen gepflanzt worden sind. Nachdem im Schlosspark kein Platz mehr war, bot die Gemeinde Pflanzplatz auf der Streuobst-Wiese in Südkirchen. „Die Nachfrage war aber so gering, dass die Aktion eingestellt wurde“, sagt Karim Laouari. Der Schlosspark war einfach beliebter als die Streuobstwiese. So bleibt es also bei rund 600 Geschichten von der Liebe.
Ich bin neugierig. Auf Menschen und ihre Geschichten. Deshalb bin ich Journalistin geworden und habe zuvor Kulturwissenschaften, Journalistik und Soziologie studiert. Ich selbst bin Exil-Sauerländerin, Dortmund-Wohnerin und Münsterland-Kennenlernerin.
