Evangelische Kirche in Nordkirchen ist im Umbruch Frische Ideen nach schwierigen Jahren

Evangelische Kirche ist im Umbruch: Frische Ideen nach schwierigen Jahren
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Seit Juni 2023 ist Ansbert Junk nun Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Lüdinghausen, zu der neben Seppenrade auch Nordkirchen, Südkirchen und Capelle gehören. „Ich treffe immer noch Leute, die verärgert sind wegen der Umbrüche in den vergangenen Jahren“, sagt der 57-Jährige und fügt hinzu: „Der Groll sitzt zum Teil noch tief.“

Die Umbrüche waren vor allem in den Jahren 2021 und 2022 spürbar, als es viele personelle Wechsel gab, zwischenzeitlich kein handlungsfähiges Presbyterium bestand und schließlich auch noch eine Pfarrstelle wegfiel, da die Anzahl der Gemeindeglieder (zuletzt waren es 5641) nicht mehr hoch genug ist. Eine Zäsur sei es freilich bereits gewesen, als Pfarrer Gerhard Born, der mehr als 30 Jahre lang die Geschicke der Gemeinde geleitet hatte, im Jahr 2017 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand ging. Das sagt Wiebke Böhmer, die sich seit vielen Jahren in der Kirchengemeinde engagiert, unter anderem als Laienpredigerin, und die sich seit einiger Zeit um die Öffentlichkeitsarbeit kümmert.

Kirche in der Gemeinde muss wohl weichen

Nordkirchen sei für eine gewisse Zeit „sehr gebeutelt“ gewesen. „Es gab einige Enttäuschungen“, erklärt die 55-Jährige. Gerhard Borns Nachfolgerin hatte es offenbar auch schwer, eine solche Verbindung zur Gemeinde aufzubauen wie der langjährige Pfarrer. Dass nun mehrere Gebäude der Gemeinde, wie eben auch die Kreuz-Kirche in Nordkirchen, zur Disposition stehen, weil eine klimaneutrale Renovierung zu viel Geld verschlingen würde, mag da zunächst wie eine weitere Enttäuschung klingen. Ansbert Junk sieht das jedoch nicht so: „Es ist natürlich schade, weil die Kirche eine gewisse Tradition hat. Allerdings geht es uns ja nicht nur darum, etwas abzureißen. Es soll ja auch neu gebaut werden.“ Konkret werden diese Pläne aber wahrscheinlich erst in den kommenden Jahren, erklärt Böhmer.

Blick auf die evangelische Kirche in Nordkirchen mit dem Gemeindebüro daneben
Die evangelische Kirche in Nordkirchen mit dem rechts angrenzenden Gemeindebüro: In ihrer jetzigen Form wird sie wahrscheinlich nicht mehr lange existieren. © Marek Neppl

Pfarrer Junk bringt noch einen weiteren Aspekt zum Thema ein: „Als Protestant braucht man im Grunde ja nur eine Bibel und ein Kreuz, um Gottesdienst zu feiern. Man ist nicht wie bei den Katholiken darauf angewiesen, eine Art sakrales Gebäude zu haben“, sagt der 57-Jährige. Hier gebe es also verschiedene Optionen. Klar ist auch, dass die Protestanten in Nordkirchen in Zukunft auch über den Gottesdienst hinaus, eine kirchliche Heimat „vor Ort“ haben werden.

Diakon arbeitet mit jungen Menschen

Wichtig für den Standort Nordkirchen ist vor allem die andere Hälfte des interprofessionellen pastoralen Teams (IPT) der Gemeinde, nämlich Diakon Christopher Holtkamp-Umbach, der Anfang 2023, wenige Monate vor Junk, zur Gemeinde stieß. Wie der Pfarrer ist er für das gesamte Gemeindegebiet verantwortlich, wohnt allerdings in der Schlossgemeinde – im alten Pfarrhaus.

Aufgrund einer Zusatzausbildung kann Holtkamp-Umbach auch pastorale Aufgaben wahrnehmen, also beispielsweise einen Gottesdienst leiten. Seine Kernaufgabe als Gemeindepädagoge liegt allerdings in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, beispielsweise im Konfirmandenunterricht.

Holtkamp-Umbach hat also vor allem mit den Menschen zu tun, denen nicht unbedingt die größte Nähe zur Institution Kirche unterstellt wird. Und das durchaus zurecht, wie der Diakon anmerkt: „Natürlich spielt bei den Kirchenaustritten von jungen Menschen oft das Geld eine große Rolle. Sie fragen sich, weshalb sie eine Steuer für etwas zahlen sollen, von dem sie am Ende gefühlt nichts haben.“

Dass er da naturgemäß anderer Meinung ist, versteht sich von selbst. Er versucht sich aber auch an einer Erklärung. „Es geht dabei oft um die ‚große Kirche‘, die den Menschen keine zufriedenstellenden Antworten liefern kann. Auch die Machtstrukturen in einer solchen Institution schrecken vielleicht ab. Deshalb sind viele junge Menschen eher kirchenfern – sie tragen aber oft eine Form der Spiritualität in sich“, erklärt der Diakon.

Ein Hinweis auf die Rechtsantragsstelle Kirchenaustritte
Gerade junge Menschen treten heute aus der Kirche aus, weil sie keinen persönlichen Nutzen mehr in einer Mitgliedschaft sehen. © picture alliance/dpa

Es sei die Aufgabe, den Menschen – von klein bis groß – in den zentralen Fragen des Lebens zur Seite zu stehen. „Und dabei soll es nicht so wie früher sein, dass wir Älteren uns zusammensetzen und uns überlegen, was wir den Jungen denn mal anbieten können“, betont Ansbert Junk. Stattdessen solle die Kirche im Allgemeinen sowie die Gemeinde im Besonderen ein Ansprechpartner sein und „Ermöglichungsräume“ schaffen. Neben den wichtigen Routinen wie dem sonntäglichen Gottesdienst soll Raum sein für neue und vielleicht auch ungewöhnliche Veranstaltungen wie beispielsweise von Gemeindemitgliedern gestaltete Dankgottesdienste oder auch Tiergottesdienste. Die Gemeinde sei daran interessiert, die Ideen der Menschen umzusetzen, sie eben zu ermöglichen.

Ein gedeckter Kaffeetisch im Gemeindebüro Nordkirchen
Im "Wohnzimmer" des evangelischen Gemeindebüros in Nordkirchen finden verschiedene Veranstaltungen statt. © Marek Neppl

Er glaube nicht, dass der Glaube an sich in einer Krise sei, sagt Ansbert Junk: „Ich bekomme immer wieder Anfragen und treffe auf einen unwahrscheinlichen Glauben bei den Menschen. Das ist etwas, was uns geschenkt wird und was mir richtig guttut. Die Gottesdienste sind langsam auch wieder besser besucht.“ Es steckt also Leben in der evangelischen Gemeinde Lüdinghausen und damit auch in Nordkirchen. Die kommenden Jahre werden, nicht nur aufgrund der Gebäudesituation, weitere Veränderungen mit sich bringen. Das Leitungsteam der Gemeinde lässt aber keinen Zweifel daran, dass es diese aktiv mitgestalten will.

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Angebot der evangelischen Gemeinde

Die evangelische Gemeinde Lüdinghausen bietet Menschen, die daran interessiert sind, selbst einmal einen Gottesdienst zu gestalten, Ausbildungsmöglichkeiten an. Es gibt zwei Termine am 25. Januar sowie am 15. Februar 2025. Diese finden in Senden statt. Interessierte können sich für weitere Informationen per Mail an Pfarrer Ansbert Junk wenden: ansbert.junk@ekvw.de