Enertrag will erstes Windrad von Nordkirchen bauen Zustimmung, obwohl alle den Standort ablehnen

Zustimmung zum Enertrag-Windrad, obwohl alle den Standort ablehnen
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Ob Ökostrom oder grüner Wasserstoff: Die Firma Enertrag aus der Uckarmark gilt bundesweit als ein Motor der Energiewende. Angefangen hatte das Unternehmen, das heute international tätig ist und eine Bilanzsumme von 1,1 Milliarden Euro aufweist, in den 1990er-Jahren mit dem Bau und dem Betrieb von Windrädern: etwas, das es auch heute noch betreibt. Bald auch in Nordkirchen. Auf einen herzlichen Empfang braucht der Enertrag-Vertreter, der am Donnerstag (31.8., 17. 30 Uhr) vorm Nordkirchener Gemeinderat sprechen wird, dennoch nicht hoffen.

„Wir haben nichts gegen Windkraft“, machte Markus Pieper (CDU) während der jüngsten Sitzung des Bauausschusses klar. Es folgte ein großes „Aber“. Enertrag sei „eine Firma, die keiner hier haben wollte“. Und an der Stelle, an der sie jetzt wohl Nordkirchens erstes Windrad errichten wird, hätte auch nie Windkraft genutzt werden sollen.

Ein harsche Kritik an dem Standort in der Bauerschaft Altendorf, nördlich des Wirtschaftsweges Gorfelds Placken, der selbst Ulrich Stüeken von den Grünen beipflichtete. „Der schmeckt auch uns nicht, denn er ist von allen drei Ortsteilen zu sehen.“ Und Gereon Stierl, der Chef der SPD-Fraktion, sah die Gemeinde bereits „auf dem Weg in die Verspargelung“. Gegenstimmen gab es es dennoch nicht gegen den Enertrag-Bebauungsplan, sondern nur zehn Enthaltungen. Wenn es nach Markus Pieper gegangen wäre, hätten sich alle enthalten. „Um eine klares Zeichen zu setzen“, wie er sagte.

Schadensersatzansprüche drohen

Mit Nein zu stimmen, kam nicht nur aus politischen Gründen für niemanden in Frage. Wenn die Gemeinde das Windrad nicht genehmige, müsse sie mit hohen Schadensersatzanspüchen rechnen, hatte die Gemeindeverwaltung mit Verweis auf die Kreisverwaltung Coesfeld erklärt. Wenn Nordkirchen das Einvernehmen ablehne, könne Enertrag den Klageweg beschreiten und dann nicht nur die Baugenehmigung, sondern auch Ertragsausfälle einklagen. Der Grund dafür ist ein Versäumnis.

Die Schlossgemeinde hat trotz jahrelanger Diskussionen in den politischen Gremien keine rechtssichere Windkraftplanung. Die wäre nötig, um Windkraftnutzung an unliebsame Standorten wie dem am Gorfelds Placken zu verhindern und an aus gemeindlicher Sicht geeignetere Standorten in sogenannten Konzentrationsflächen zu ermöglichen. Weil eine solche rechtssichere Planung fehlt, sind Windräder in Nordkirchen grundsätzlich überall zulässig - vorausgesetzt, die rechtlichen Rahmenbedingungen werden erfüllt. Die hat die Landesregierung NRW einen Tag, nachdem der Nordkirchener Bauausschuss getagt hat, gelockert, um den stockenden Windenergieausbau spürbar voranzutreiben.

Genehmigungsfiktion

Die umstrittene NRW-Regelung, wonach Windräder mindestens 1000 Meter Abstand zu Wohnhäusern haben müssen, ist gekippt. Allerdings dürfen Windräder auch jetzt nicht beliebig nah an Häuser heranrücken. Dafür, dass nach wie vor mehrere hundert Meter Abstand zur Wohnbebauung bleiben, wie der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) mitteilt sorgten die strengen Vorschriften, etwa zum Lärmschutz.

Wenn es dem Gemeinderat schon nicht möglich sei, das Enertrag-Windrad am Gorfelds Placken zu verhindern, ohne Rechtsbruch zu begehen, dann brauche man dennoch nicht wider der eigenen Überzeugung zuzustimmen, meinte Markus Pieper. Er schlug vor, das rechtliche Instrument der sogenannten Genehmigungsfiktion zu nutzen, um zumindest ein Zeichen zu setzen. Danach gilt eine beantragte Genehmigung nach Ablauf einer Frist als erteilt. Ein positives Votum aus Nordkirchen wäre also nicht nötig. Im Ergebnis würde das also keinen Unterschied machen, entgegnete Gereon Stierl (SPD). Enertrag werde das unerwünschte Windrad bauen. So oder so. Davon wird sich der Enertrag-Vertreter bei seinem Besuch im Gemeinderat nicht abbringen lassen. Dennoch: Weil die Auswirkungen auf das Landschaftsbild „erheblich“ seien, solle das Unternehmen seine Pläne der Öffentlichkeit vorstellen, meinte die Gemeindeverwaltung.

Unmittelbar nördlich des Wirtschaftswege „Gorfelds Placken“ in Altendorf soll ein Windrad gebaut werden.
Unmittelbar nördlich des Wirtschaftswege „Gorfelds Placken“ in Altendorf soll ein Windrad gebaut werden. © Goldstein