„Er legt sich auf meine Beine, wenn eine Spastik kommt“ Wie Assistenzhunde das Leben ihrer Halterinnen verändern

Assistenzhunde: „Er erkennt die Spastik und legt sich auf meine Beine“
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Assistenzhunde sind Helfer auf vier Pfoten und werden in bestimmten Situationen zu wahren Superhelden. Genau das ist der 50 Kilogramm schwere Cane Corso-Rüde Shadow für seine Besitzerin Jasmin Ganowiak. „Seit einem Ski-Unfall vor 30 Jahren bin ich auf der rechten Seite spastisch gelähmt und sitze im Rollstuhl. Zudem habe ich Asperger-Autismus. Mein großer Traum war es immer, einen Assistenzhund zu haben. Vor drei Jahren kam Shadow in mein Leben – ich war sogar bei seinem Notkaiserschnitt dabei“, erzählt die Besitzerin stolz. „Dank Shadow fällt es mir leichter, in die Stadt zu gehen. Er ist meine emotionale Unterstützung und kann mich auch im Rollstuhl ziehen, sodass ich nicht so viel Kraft für das Rollen aufbringen muss.“

Ausgebildet wurde Shadow von Trainerin Dagmar Tennhoff in ihrer Hundeschule Canis Findus in Nordkirchen. Shadow bemerkt, wenn bei Jasmin eine Spastik einsetzt. „Er legt sich dann auf meine Beine. Es ist beeindruckend – er spürt es, bevor ich es tue!“ Zudem reagiert der Rüde auch auf den Abfall ihres Blutzuckerspiegels und zeigt ihr rechtzeitig, wenn dieser stark sinkt.

Ein unzertrennliches Team

Doch nicht nur Shadow ist für seine Besitzerin ein Superheld – auch Hundedame Doro spielt eine zentrale Rolle für ihre Familie. „Wir haben uns damals entschieden, einen Assistenzhund anzuschaffen, weil mein Sohn Max im Rollstuhl sitzt und wir ihn bestmöglich unterstützen wollten“, berichtet Besitzerin Silke Hestermann. Hundedame Doro ist mittlerweile elf Jahre alt und begleitet den heute 18-jährigen Max und seine Zwillingsschwester Jule nun seit vielen Jahren. „Doro ist vor allem eine große psychische Unterstützung. Zwar kann sie auch praktische Aufgaben wie das Drücken von Ampelknöpfen oder das Aufheben von Gegenständen übernehmen, doch für die psychische Unterstützung ist sie von unschätzbarem Wert.“

Wenn Max mit Doro und seiner Familie unterwegs ist, fällt es anderen Menschen wesentlich leichter, den Jungen anzusprechen: „Dank Doro fühlen sich die Menschen sofort ermutigt, auf uns zuzukommen. Sie interessieren sich für sie und möchten mehr über sie erfahren“, erklärt die Besitzerin.

Menschen fragen häufig, ob sie einen Assistenzhund streicheln oder füttern dürfen. Dabei ist es sehr wichtig, eine Sache zu beachten: „Es sollte immer zuerst die Besitzerin oder der Besitzer um Erlaubnis gefragt werden“, erklärt die Hundetrainerin Dagmar Tennhoff. „In solchen Situationen sollte der Hund nicht eigenständig handeln, sondern auf das Signal seines Besitzers warten.“

Die schwarze Hundedame Doro rennt über eine grüne Wiese. Das Foto ist bereits mehrere Jahre alt. Doro stand zum Zeitpunkt der Aufnahme kurz vor ihrer Assistenzhund-Prüfung.
Hundedame Doro geht mit ihren mittlerweile elf Jahren auf ihre „Assistenzhund-Rente“ zu. © Foto: Vanessa Trinkwald (Archiv)

Nonverbale Kommunikation

Auch Besitzerin Lydia, die ihren Nachname aus persönlichen Gründen nicht veröffentlicht sehen möchte, und ihre Bernedoodle Hündin Rosa sind zu einem unzertrennlichen Team zusammengewachsen. „Rosa ist jetzt sieben Monate alt und befindet sich noch in der Ausbildung“, berichtet sie. „Ich arbeite als Heilpädagogin und habe zwei Pflegekinder. Mein Sohn, der das Down-Syndrom hat, war anfangs Rosa gegenüber eher skeptisch. Inzwischen verstehen sich die beiden jedoch hervorragend. Er kommuniziert hauptsächlich nonverbal, und Rosa versteht seine Kommunikationsweise intuitiv und reagiert auf seine Bedürfnisse.“

Der Ausweis von Großpudel Flori weist ihn als Assistenzhund aus.
Durch einen speziellen Pass können sich die Besitzer von Assistenzhunden als Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaften (MAG) ausweisen. © Assistenzhunde e.V.

Unsichtbare Krankheiten

Genau wie Shadow für seine Besitzerin eine unschätzbare Unterstützung darstellt, bietet die Zwergpinscher-Dame Diva ihrer Besitzerin einen immensen Beistand, insbesondere in Bezug auf emotionale Unterstützung.

Diva spielt eine entscheidende Rolle im Leben ihrer Besitzerin, indem sie ihr hilft, mit den täglichen Herausforderungen von Borderline, Angst- und Panikstörungen umzugehen. Der kleine Zwergpinscher weckt sie auf, motiviert sie zum Aufstehen und bringt sie regelmäßig dazu, die Wohnung zu verlassen – Dinge, die ohne Diva schwer möglich wären.

Dennoch stehen Menschen mit Assistenzhunden häufig vor der Herausforderung, ihre Hunde in Geschäfte und öffentliche Einrichtungen mitnehmen zu dürfen: „Eigentlich sagt das Gesetz, dass uns der Zutritt zu öffentlichen Bereichen mit den Hunden nicht verweigert werden darf. Manchmal passiert das aber trotzdem“, heißt es.

Besonders schwierig ist dies für Personen mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen, da man ihnen ihre Krankheiten oder Einschränkungen nicht ansieht. In solchen Fällen stoßen sie oft auf Unverständnis oder Widerstand.

Großpudel Flori hat weißes Fell und trägt ein Halstuch, was ihn als Assistenzhund ausweist.
Großpudel Flori ist als Assistenzhund an seiner Kennzeichnung zu erkennen. © Anika Fischer / Assistenzhunde e.V.

Das Gesetz und seine Schwächen

Ende 2022 sind im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) Regelungen für Assistenzhunde (Abschnitt 2b) in Kraft getreten. Der Abschnitt besagt, dass Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaften (MAGs) mit behördlicher Anerkennung das Recht auf Zutritt zu öffentlichen Bereichen haben. Diese Regelungen umfassen Anforderungen an die Ausbildung und Prüfung der Hunde sowie an den Nachweis des individuellen Bedarfs durch die Halter. Ziel ist es, die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen.

„Das Gesetz gilt leider nur für vollständig ausgebildete Assistenzhunde“, erklärt Trainerin Dagmar Tennhoff. „Wenn sich ein Hund noch in der Ausbildung befindet, sind Inhaber von Geschäften nicht verpflichtet, sie hereinzulassen, obwohl es während der Ausbildung besonders wichtig wäre, Zugang zu diesen Umgebungen zu haben, um zu üben.“

Dabei können auch Hunde in Ausbildung bereits sehr viel leisten und wertvolle Unterstützung bieten. Um für eine Ausbildung zum Assistenzhund zugelassen zu werden, müssen die Tiere zunächst einen Eignungstest bestehen und eine Basisschulung durchlaufen. Dieser Prozess stellt sicher, dass die Hunde bereits grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, bevor sie in die spezialisierte Ausbildung einsteigen.

„Deshalb ist es entscheidend, dass auch Hunde in der Ausbildung Zugang zu öffentlichen Bereichen erhalten“, so Trainerin Tennhoff. „Nur so können sie die notwendigen Fähigkeiten in realen Umgebungen erlernen und festigen.“ Auf diese Weise können sie zu wertvollen Begleitern heranwachsen, die ihren Menschen im Alltag unterstützen und ihnen eine unabhängige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen – ganz so, wie es Doro, Rosa, Shadow und Diva tun.