Haus Westermann gibt es nicht mehr in Nordkirchen. 2019 wurde das mehr als 100 Jahre alte Gasthaus im Herzen der Schlossgemeinde abgerissen. Dennoch lebt es fort: in Gesprächen und Debatten. Der Tonfall dabei ist aber nicht etwa nostalgisch-verklärt, sondern wütend-verärgert, wie es sich zuletzt mal wieder im Bauausschuss (24. 8.) zeigte.
Von „Frechheit“ und „unerträglicher Situation“ war die Rede mit Blick auf die Dauerbaustelle auf der Ecke Schloßstraße/Mühlenstraße. Längst ist „Westermann“ ein Synonym geworden für ein Großprojekt, das alles andere als verabredungsgemäß läuft, ohne dass die Gemeinde darauf spürbar Einfluss nehmen könnte. Und wenn etwa Thomas Quante (CDU) in der Ausschusssitzung davor warnte, dass das Hotelprojekt bloß kein „Westermann 2.0“ werden dürfe, verstand das jeder, zumindest in Nordkirchen. In Schwerte wohl weniger.
Pflege- und Wohngemeinschaft
Dort, nahe der Ruhr, hat Thomas Buhl sein Büro. Er ist Architekt und Investor des Hauses an der Mühlenstraße im münsterländischen Nordkirchen: ein Name, der sich bewusst abgrenzen will von „Haus Westermann“. Weil der seit fast zehn Jahren geplante und seit Sommer 2020 in der Umsetzung befindliche Gebäudekomplex auf dem Grundstück des alten Gasthauses etwas Anderes und Neues schaffen will: eine Pflege- und Wohngemeinschaft für elf Seniorinnen und Senioren, ein Caritas-Pflegeberatungsbüro, Appartements für acht Menschen mit Behinderung und das Tourismus-Büro der Gemeinde. Und weil der alte Name inzwischen negativ besetzt ist mit Pleiten, Pech und Pannen.
Die Verzögerung ihm persönlich zur Last legen zu wollen, findet Thomas Buhl ungerecht. Jeder wisse, dass Corona-Krise und der Ukraine-Krieg die Bautätigkeit ungemein erschwert hätten. „Die Beschaffungsprobleme, die wir hatten, haben sich jetzt aber aufgelöst“, sagt Buhl einen Tag nach der Bauausschusssitzung. Seitdem der Rohbau abgeschlossen ist, könnten Haustechniker und Dachdecker ihrer Arbeit nachgehen. „Es bleibt dabei: Ende dieses/Anfang nächsten Jahres werden wir fertig.“ In jedem Fall werden Bauarbeiten aber noch in der dunklen Jahreszeit erfolgen müssen. Und das bringt Probleme mit sich, wie während der Ausschusssitzung zu erfahren war.
Wohin mit dem Zebrastreifen?
Beim Ausbau der Schloßstraße im Rahmen der 3,4 Millionen Euro teuren Ortskernsanierung 2016 hatte die Gemeinde den unmittelbaren Gehwegbereich vor Haus Westermann ausgespart. Thomas Buhl hatte damals gerade die zu diesem Zeitpunkt drei Jahre lang leerstehende Gaststätte gekauft. Die Straßenbauarbeiten zu beginnen, bevor Buhl seine Baumaßnahme abgeschlossen hätte, wäre Unsinn gewesen, befanden alle. Damals konnten sie nicht damit rechnen, wie lange es bis dahin tatsächlich dauern würde.

Zeit gelassen habe sich aber auch die Gemeinde, sagt Buhl, und verweist auf die erwünschte Platzgestaltung vor seinem Neubau: etwas, das insbesondere für die im Erdgeschoss unterzubringende Tourismuszentrale und ihre Gäste als wünschenswert erachtet wurde. „Gehört habe ich aber davon bislang nichts mehr“, so Buhl. Er hatte am Vortag auch nicht der Bauausschusssitzung beigewohnt.
Der Kreuzungsbereich Schloßstraße/Mühlenstraße lasse „bei Einbeziehung des privaten Gartenbereiches der Neubaumaßnahme als halböffentlichen Raum eine fast platzartige Gestaltung zu“, hieß es dort von der Verwaltung. „Dies war bei der damaligen Straßen- und Gebäudeplanung so gewünscht, um einmal durch Rücksprung des Neubaus eine freie Sicht auf die Kirche aus der Schloßstraße zu bekommen.“
Provisorium für Sicherheit
Wünschenswert wäre es aus Sicht der Verwaltung, zwischen Schloßstraße und dem Kirchplatz in Höhe der Gaststätte „Domhof“ einen Fußgängerüberweg anzulegen. Allerdings seien die Sichtverhältnisse in diesem Bereich schwierig, hieß es. Etwas weiter in Richtung Mühlenstraße sei die Situation besser. Ob der Zebrastreifen hier oder da entstehen soll? Die Politikerinnen und Politiker beauftragten die Verwaltung, sich in dieser Frage mit dem Straßenverkehrsamt in Verbindung zu setzen. Und mit Thomas Buhl. „Denn wir brauchen auch eine kurzfristige Lösung“, sagte Thomas Quante (CDU).
Auch CDU-Fraktionschef Markus Pieper mahnte „dringend ein Provisorium“ an. Denn insbesondere für Kinder auf dem Weg zur Schule sei die Kreuzung mit der in den öffentlichen Raum hineinreichenden Baustelle gefährlich. „Ein echtes Nadelöhr“, wie auch Uta Spräner (Grüne) befand. Wie eine solche Interimslösung aussehen kann, blieb offen. Eine Aufgabe, um die sich die Verwaltung kümmern soll. Leicht wird sie nicht sein, „denn der Bauzaun lässt keinen Platz auf dem Fußweg“, sagte Bauamtsleiter Manuel Lachmann.
Ein anderes Problem: die schlechte Beleuchtungssituation. Im zurückliegenden Winter hatte Buhl angeboten, die ebenso enge wie stark genutzte Kreuzung zu beleuchten: etwas, das er jetzt aber „nur bedingt sicherstellen“ könne, wie er sagt. Dafür sehe er grundsätzlich die Gemeinde in der Pflicht. Auch etwas, das noch miteinander abgesprochen werden muss. An einer Stelle wird es laut Buhl schon kurzfristig eine Verbesserung geben.
Parken neben Haus Wiesmann
Zurzeit behinderten parkende Handwerker Fußgängerinnen und Fußgänger. Das werde sich ändern, weil das Gelände zwischen dem Neubau und dem 2024 dem Abriss geweihten Haus Wiesmann zum Abstellen der Autos genutzt werden könne. Dort war in der Vergangenheit Material gelagert.

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