Das ist gelernt, das muss man können: Gabriele Maaß hat sich um 22 Uhr hingelegt, um zu schlafen. Daran ist nichts ungewöhnlich, das machen viele Menschen, doch die 66-Jährige ist anderthalb Stunden später wieder auf den Beinen, „das ist überhaupt kein Problem für mich.“ Gegen Mitternacht ist sie diesmal an einer Tankstelle im Recklinghäuser Ortsteil Suderwich: Dienstbeginn!
Gabriele Maaß ist eine von rund 2500 Zustellerinnen und Zustellern, die es braucht, um alle Zeitungen unserer Medienhäuser Lensing, Rubens und Bauer von Ahaus bis Unna und vom Kreis Recklinghausen bis Dortmund zu den Abonnenten zu bringen – und sie macht das seit mittlerweile 25 Jahren. Ganz so lange ist Ulrike Theißen noch nicht dabei, doch auch sie hat bei acht Grad und zartem Nieselregen wie immer seit ihrem Renteneinstieg vor drei Jahren den Weg zur Tankstelle gefunden. Ein kleiner Plausch unter Kolleginnen und Kollegen gehört dazu, später kommen noch andere zum Treffpunkt: Sie alle warten auf den Transporter, der die Zeitungen anliefert.

„Es kommt schon einmal vor, dass der sich verspätet, wenn beim Druck etwas nicht reibungslos klappt“, sagt Gabriele Maaß, „im Idealfall werden wir dann benachrichtigt.“ Doch heute kommt kein Anruf, und Ulrike Theißen hört ihn schon, bevor sie ihn sieht: Um 0.13 Uhr biegt der Lieferwagen mit den Zeitungen um die Ecke – direkt vom Druckhaus in Dortmund-Dorstfeld. Und dann wird nicht nur die lokale Tageszeitung ausgepackt, da sind auch paar überregionale dabei: „Wir tragen alles aus“, erklärt Gabriele Maaß.
Ulrike Theißen wird wie immer mit ihrem Auto unterwegs sein, weil in ihrem Bezirk die Häuser zum Teil weit auseinander stehen und sie dabei allein durch düstere Waldstücke müsste: „Das möchte ich nicht mit dem Rad machen.“ Die Bezirke von Gabriele Maaß sind städtischer, sie vertraut seit langen Jahren ihrem Fahrrad plus Anhänger. Etwas über 100 Zeitungen muss die Botin in die Briefkästen stecken, „das ist in anderthalb Stunden erledigt.“
Den Weg kennt sie besser als der Computer
Gabriele Maaß weiß das genau, weil sie die Gegend kennt, in der sie Zeitungen austrägt. Und sie kennt sie auch besser als der Computer, der ihr vor einiger Zeit eine optimierte Strecke errechnet hat. „Hier gibt’s eben ein paar Wege, von denen der Computer nichts weiß.“ Und dann verliert der Prozessor gegen den gesunden Menschenverstand.
Früher hatte sie eine Putzstelle – tagsüber: „Doch das war immer sehr stressig mit den Kindern.“ Dann kam über sie ihren Mann zur Zustellerei, „und das war genau mein Ding“. Ihre Mutter war völlig perplex: „Als Kind wolltest du doch früher nicht mal allein in den Keller, und jetzt läufst du nachts allein draußen herum?“ Genau, sagt Gabriele Maaß – und das ohne wirkliche Bedenken.

Aber war’s denn nie gefährlich? „Nein, gar nicht. Manche Spätheimkommer fragen mal, ob sie denn eine Zeitung umsonst bekommen können, aber das war’s dann schon.“ Dafür bemerkt sie erstaunlich oft offene Türen an den Häusern oder solche, in denen noch der Schlüssel steckt: „Natürlich versuche ich dann, die Leute darauf aufmerksam zu machen.“ Einmal kam sie auch zu einem Lebensmittelmarkt, der nachts komplett offenstand. „Da habe ich dann lieber mal die Polizei gerufen“, erinnert sich Gabriele Maaß, und das war dem Besitzer dann später auch eine Belohnung wert.
Ans Aufhören will sie gar nicht denken: „Warum auch? Ich mag meinen Beruf“, sagt sie und schiebt völlig unironisch hinterher: „Am liebsten würde ich weitermachen, bis ich 80 bin.“ Wenn sie denn gesund bleibt, doch dabei helfe ihr der Job ja: „Erkältungen kenne ich eigentlich kaum.“

Und Wetter sei eben Wetter: Gegen die Kälte gibt’s gestellte Jacken und gegen den Regen auch. „Aber weil man die Zeitungen schützen muss, dauert die Tour länger.“ Und auch Schnee bremst aus, „da kommt man nur schwer mit dem Rad über die Straße, aber Schnee hatten wir ja schon lange nicht mehr“. Jetzt im Herbst müsse man auf das feuchte Laub aufpassen, da sei sie in all den Jahren schon ein paar Mal weggerutscht, sagt sie: „Aber das war nie so schlimm.“
Sie erledigt den Job in einem strammen Laufschritt, der auch schon mal einen Vorgesetzten in die Knie gezwungen hat, aber trotzdem gelte: „Fliegen können wir nicht.“
„Ich habe am Tag Zeit für alles, was ich erledigen muss“
Gabriele Maaß hat viele Kollegen eingearbeitet, sie hat sie kommen und gehen sehen. Aber so einige sind auch geblieben, und das kann sie gut nachvollziehen: „Für mich geht‘s eigentlich nicht besser, ich habe am Tag Zeit für alles, was ich erledigen muss.“ Und das nächtliche Zustellen der Zeitungen tut ihr auch noch gut, wie sie sagt: „Wenn ich von Samstag auf Sonntag nichts mache, habe ich sofort Kreuzschmerzen.“ Und dann huscht wieder einmal ein Grinsen über ihr Gesicht: „Für mich ist das hier wohl Reha-Sport.“

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