Die beiden Arbeiter, die am vierten Mai in Hürth bei Köln von einem Zug erfasst und getötet wurden, hielten sich Ermittlungen zufolge ohne Genehmigung im Gleis auf. Eine Sperrung der Bahnstrecke sei zwar telefonisch vom Bauüberwacher beantragt, aber von der Fahrdienstleitung noch nicht genehmigt worden. Nach bisherigen Ermittlungen waren die Arbeiter aber davon ausgegangen, dass die Strecke gesperrt war, als sie sich aufs Gleis begaben.
In diesem Fall hat die Kommunikationskette nicht funktioniert. Wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft erläuterte, ist es bei solchen Arbeiten vorgeschrieben, dass der Bauüberwacher zuvor die Streckensperrung über die Fahrdienstleitung im zuständigen Stellwerk veranlasst. Wenn die Freigabe erteilt wird, kommuniziert er das an den Verantwortlichen der Sicherheitsfirma. Dieser gibt die Information an den Verantwortlichen des Bauunternehmens weiter, der dann den Arbeitern Bescheid sagt. Erst danach dürfen sie mit den Arbeiten beginnen.
Seit Freitag (12.5.) ist klar: Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen zwei Beschuldigte wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung. Einer der Beschuldigten war am Unfalltag als verantwortlicher Bauüberwacher einer Ingenieurgesellschaft eingesetzt, der andere als Sicherungsposten einer Sicherheitsfirma.
Warum die Abläufe in diesem Fall nicht funktionierten, ist nun im Fokus der Ermittlungen. Es gehe darum, die Kommunikationswege und -inhalte zwischen den beteiligten Personen aufzuklären. Es werde geprüft, ob Verstöße gegen Sorgfaltspflichten vorliegen, die die Ursache für den Tod der beiden Männer gewesen sein könnten. Die Ermittlungen seien sehr aufwendig und würden geraume Zeit dauern.
Ein Intercity hatte die Arbeiter am Donnerstagvormittag erfasst. Die beiden Männer im Alter von 27 und 31 Jahren starben noch am Unfallort. Wie ein Bahnsprecher mitteilte, waren auf der Tagesbaustelle Kabelbauarbeiten vorgesehen.
An den Gleisen waren Kabelbauarbeiten vorgesehen
Wie ein Bahnsprecher mitteilte, waren auf der Tagesbaustelle Kabelbauarbeiten vorgesehen. Grundsätzlich wird laut Bahn für jede Baumaßnahme ein individueller, an die örtlichen Gegebenheiten angepasster Sicherungsplan erstellt. Das gelte selbstverständlich auch für Tagesbaustellen. Die Baustellenteams werden demnach durch technische Sicherungsmaßnahmen wie zum Beispiel automatische Warnsysteme oder durch menschliche Sicherungsposten geschützt, die das Team bei Gefahren direkt warnen.
Wie ein Sprecher der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) erklärte, werden Baustellen stets bei DB Netz angemeldet und die Lokführer über Bauarbeiten im Gleis informiert. Für sie wird dann wird zum Beispiel langsamere Fahrt oder „Fahren auf Sicht“ angeordnet. Die Information bekämen die Lokführer etwa bei der Abfahrt am Bahnhof oder durch ein „haltzeigendes Signal“.
Zu dem Bautrupp gehörten noch fünf weitere Arbeiter, die den Tod ihrer Kollegen mitansehen mussten und einen Schock erlitten. Vom Zug wurden sie nicht getroffen, sie blieben körperlich unversehrt.
Zug erfasste Arbeiter mit 160km/h
Der IC 2005 war nach Angaben einer Sprecherin der Deutschen Bahn auf dem Weg von Emden nach Koblenz und erfasste gegen 11.00 Uhr die Arbeiter. Zu dem Zeitpunkt war er mit 160 Kilometern pro Stunde unterwegs.
Der Zug hatte nach dem Unglück eine Bremsstörung, die laut Bahn wohl durch den Unfall ausgelöst wurde. Er musste deswegen abgeschleppt werden. Die Bahnstrecke zwischen Köln und Bonn blieb für knapp sieben Stunden gesperrt, Ausfälle und Verzögerungen im Fern- und Nahverkehr waren die Folge.

„Unsere Gedanken sind bei den Verstorbenen, Verletzten und ihren Angehörigen“, teilte ein Bahnsprecher mit. Das Unglück ereignete sich auf freier Strecke bei Hürth, in Sichtweite einer Hochhaussiedlung. Das Gebiet ist von landwirtschaftlichen Betrieben, Gewerbehallen, aber auch Wohnhäusern geprägt. Über die Felder und Äcker hinweg kann man in der Ferne den Kölner Dom sehen.
Passagiere über Stunden im Zug
Polizisten hatten den Einsatzort weiträumig abgesperrt, um die Arbeit der Rettungskräfte zu gewährleisten. Die Feuerwehr war mit vielen Kräften und Seelsorgern im Einsatz. Kriminalbeamte sichern und dokumentieren die Spuren am Einsatzort. Zudem sollen Zeugen vernommen werden. Laut einer Polizeisprecherin gehört das Sammeln der Spuren zur Routine, ein Ermittlungsverfahren gebe es derzeit nicht.
Während der Ermittlungen am Unfallort flog ein Hubschrauber der Bundespolizei über der Unfallstelle. Die Beamten unterstützten die Spurensicherung aus der Luft. Nach Bahn-Angaben saßen in dem Zug etwa 50 Menschen. Sie mussten nach dem Unfall mehrere Stunden lang in dem Zug ausharren.
Laut Polizei wurden Passagiere, die das wünschten, von Notfallseelsorgern betreut. Diese kümmerten sich auch um Angehörige der Opfer, die zum Unglücksort gekommen waren. Am Donnerstagnachmittag wurden die Passagiere schließlich evakuiert. Sie sollten mit Bussen weitertransportiert werden.
#RB27 Unbefugte Personen auf der Strecke im Raum #Hürth-Kalscheuren. Streckenabschnitt gesperrt. Züge warten an geeigneten Bahnhöfen. Verspätungen / Teilausfälle und kurzfristige Änderungen im Zuglauf möglich. Reiseverbindung prüfen.
— DB Regio AG - NRW (@Regio_NRW) May 4, 2023
Die Bahn hat für Fälle, in denen ein Zug Menschen überfährt, ein Betreuungsprogramm zur Vermeidung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS). Der Lokführer des Unglücks-IC musste sich laut einem Bahnsprecher in ärztliche Behandlung begeben. Er werde von seinen Führungskräften und gegebenenfalls Psychologen entsprechend betreut, hieß es. Die Bahn behandelt das Thema eigenen Angaben zufolge präventiv bereits in der Ausbildung.
Sollte es zu einem Unglück kommen, werden betroffene Mitarbeiter unmittelbar vor Ort betreut, Lokführer werden bei Personenunfällen von Kollegen abgelöst und nach Hause begleitet. Sie bleiben außer Dienst, bis ihre Belastungsreaktionen abgeklungen sind. Wird ein Lokführer aufgrund der Folgen einer Traumatisierung und trotz Therapie dauerhaft fahruntauglich geschrieben, kann er laut Bahn innerhalb des Unternehmens in eine andere Tätigkeit wechseln. Davon seien pro Jahr rund 20 Lokführer betroffen.
dpa/rej/bani
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