Bevor der aus der Werbung bekannte Eingangschor „O Fortuna“ aus Carl Orffs „Carmina Burana“ am Samstag im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier (MiR) erklingt, gibt es erst einmal ein Vorspiel im Foyer. „Somos“ (Wir sind) von den Choreografinnen Carla Cervantes Caro und Sandra Egido Ibánez, die für ihr 15-minütiges Duett den Publikumspreis bei dem Rotterdam International Duet Choreography Competition erhielten.
Das Publikum in Gelsenkirchen kann die ruhige Studie über zwei Körper, die miteinander zu verschmelzen scheinen, von den Treppenaufgängen aus beobachten oder als Videostream im Theatersaal verfolgen. Zwei Paare der MiR Dance Company umkreisen sich hingebungsvoll auf jeweils einem orangefarbenen Kreis, präsentieren Bodentechnik zur live gespielten Klaviermusik vom Filmkomponisten Nico Casal.

Nach wiederum 15 Minuten sind nun alle Zuschauer im Saal eingetroffen, und „Carmina Burana“ startet als erste Tanzproduktion der neuen Spielzeit. Ballettdirektor Giuseppe Spota hat die Regie für die Choreografie von Alessio Monforte, Tänzer der MiR Dance Company, übernommen und auch das Bühnenbild entworfen.
An der Rückwand sind Opern- und Extrachor des MiR sowie die Musiker der Neuen Philharmonie Westfalen unter der gewohnt versierten musikalischen Leitung von Rasmus Baumann platziert, für die drei Sängersolisten gibt es ein Podest am Rand und die Bühnenmitte dominiert eine zerleg- und bewegbare Gitterkonstruktion mit Treppe und Rutsche sowie ein kleiner, aus drei Ringen bestehender Turm.
Inspiration Clubbing-Szene
Dem Programmheft ist zu entnehmen, dass Spota und Monforte die gesellschaftliche Vereinsamung anhand von Beobachtungen in der Clubbing-Szene beleuchten wollten. Ab und an bewegen sich die Tänzer abgehackt, zeitraffermäßig – eben wie Körper im Stroboskoplicht zu sehen sind.
Doch in erster Linie sind von dieser Partyszene die Kostüme, die Modedesigner Alessandro Vigilante geschaffen hat, inspiriert. Denn der Tanzabend erinnert eher an eine Turnstunde, in der das Ensemble seine akrobatischen Talente präsentiert.
Düstere Spielplatz-Atmosphäre
Es herrscht eine düstere Spielplatz-Atmosphäre. Da wird die Treppe heraufgekrabbelt, und auf Bauch oder Rücken geht es über die Rutsche wieder nach unten. Gerenne in unterschiedlichen Formationen fehlt natürlich auch nicht. Purzelbäume werden geschlagen, und die Tänzer zerren, schleifen sich gegenseitig über die Bühne.
Erst gegen Ende der gut einstündigen Aufführung gibt es ein Pas de deux, das etwas tänzerischer angelegt ist. Allerdings wird die Sicht auf das Paar zunehmend von den beweglichen Bühnenbildteilen verstellt. Dennoch viel Applaus vom Premieren-Publikum.
Weitere Aufführungen
Termine: 26. 10., 3. /17. / 22. 11. 2024, 2025: 5. /25. 1., 22. 2., 9. / 30. 3.; Karten: Tel. (0209) 409 72 00. www.musiktheater-im-revier.de
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