Wenn in Dortmund Hollywood an der Hansastraße zu Gast ist, ist der Journalisten-Auflauf groß. Zwischen Fernsehkameras und Mikrofonen wirkte die Hauptfigur am Mittwoch im Museum für Kunst und Kulturgeschichte (MKK) in Dortmund bescheiden klein.
Seine Ausstrahlung und das, was er zu erzählen und an Kunst zu zeigen hatte, war dafür umso größer: Armin Müller-Stahl hat 30 „Jüdische Freunde“ ins Erdgeschoss des Museums gebracht – Zeichnungen von Persönlichkeiten, von Kafka bis Wolf Biermann. Und zu jedem der von ihm porträtierten Menschen kann der fast 92-jährige Schauspieler und Maler eine Geschichte erzählen.
Gezeichnete Biografien
Rund 90 Porträts hat Müller-Stahl in der Serie schon gemalt; der Anstoß, rund ein Drittel davon in Dortmund zu zeigen, kam von der TU Dortmund.
Walter Grünzweig, Amerikanistik-Professor der Uni, hat vor acht Jahren begonnen, mit später insgesamt 80 Studierenden den Lyrikband „Leaves of grass“ des amerikanischen Autors Walt Whitman als Neu-Übersetzung herauszugeben.
„Vielleicht wären wir Freunde““
Grünzweig erinnerte sich an Porträts von Armin Müller-Stahl und fragte ihn, ob er für das Buch ein Bild von Whitman malen würde. Er wollte und malte drei Bilder; im Buch ist eins zu sehen, in der Ausstellung im MKK nicht, weil Whitman kein Jude war.
„Wenn ich Whitman als 20-Jährigen kennengelernt hätte – vielleicht wären wir Freunde geworden“, sagte Müller-Stahl bei der Vorstellung des Buchs.
„Weggefährten eines Ausnahmetalents“ – so der Untertitel der absolut fantastischen Schau – hängen an den beiden Museums-Wänden.
Augen und Hände sind wichtig
Die ausdrucksstarken Bilder sind skizzenhaft, „sie sollen nicht fertig wirken“, sagt Armin Müller-Stahl, der in drei Wochen 92 Jahre alt wird. Und auf allen Bildern faszinieren die Augen der Porträtierten.
„Augen und Hände sind auch für mich als Schauspieler das Sprechendste an einem Menschen“, erzählt der Künstler, der seit 1956 in weit mehr als 120 Filmen zu sehen war. „Es sind Wiederbegegnungen mit Leuten, die noch immer in der Nähe sind, obwohl sie schon gegangen sind“, beschreibt Müller-Stahl seine Papierarbeiten
Steinmeier und Gorbatschow
Und eigentlich sind es gemalte Biografien, weil Müller-Stahl auf den Bildern auch mit kleinen Texten Charakteristisches vermerkt hat. So schreibt der Schauspieler, der früher ein professioneller Geiger werden wollte, auf das Bild von Isaac Stern „Großer Geiger, strenger Lehrer“ und sagt: „Ich wäre am liebsten ein geigender Hamlet geworden“.
Bescheiden zeigt er Franz Kafka, sein Billy Wilder versinkt fast in der Farbe, Marin Buber hat er mit schnellen, blauen Strichen konturiert. „Die Juden mussten sich 2000 Jahre lang durchsetzen. Darin sind sie besonders gut, besser als andere. Ich will in meinen Bildern das Gesicht hinter dem Gesicht zeigen und was es für ein Mensch war“, sagt Müller-Stahl.
Auch den Bundespräsidenten habe er porträtiert, und früher Gorbatschow
Jeden Tag ins Atelier
„Ich gehe jeden Tag in mein Atelier“, erzählt der Künstler, „Zwei Stunden. Und dabei werde ich die Ärgernisse los, die ich jeden Tag in den Nachrichten sehe. Wenn ich aus meinem Atelier wieder herauskomme, bin ich ein ganz friedlicher Mensch.“
Und dann redet sich der Mann, der so bescheiden, ruhig und geduldig wirkt, doch noch in Rage: „Ich habe den Zweiten Weltkrieg miterlebt. Eine Zeit, in der sich Antisemitismus in Deutschland so erschreckend bewegt, war für mich ein Anlass, mich mit meinen jüdischen Freunden zu beschäftigen“, sagt er.
Museum für Kunst und Kulturgeschichte: „Armin Müller-Stahl – Jüdische Freunde“, 24. 11. bis 29. 1., Hansastraße 3, Di/Mi/Sa/So 11-18 Uhr, Do/Fr 11-20 Uhr.
In einem Podiumsgespräch an diesem Donnerstag (24. 11.) spricht Armin Müller-Stahl ab 18 Uhr im Museum über sein Schaffen als Bildender Künstler, Eintritt frei. Katalog: 38 Euro.

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