Wohnungsgipfel Ahauser Architekt spricht sich für Umdenken im Wohnungsbau aus

Von JosefBarnekamp
Wohnungsgipfel in Ahaus: Hohe Baukosten, hohe Mieten, knapper Platz: Umdenken im Wohnungsbau
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„Das Familienheim mit Garten ist nach jeder Richtung hin als die glücklichste Verwirklichung des Familiengedankens anzusehen“: Besonders im Westmünsterland haben die Menschen jahrzehntelang auf diese Worte ihres ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer gehört, der an anderer Stelle betonte: „Wer ein Haus baut, macht keine Revolution.“

Die Folge: Im Kreis Borken verfügen aktuell fast 60 Prozent der Menschen über Wohneigentum. Bundesweit liegt dieser Wert bei gerade einmal 42 Prozent

Aber: Wer sich heutzutage im Westmünsterland den Wunsch nach einem Eigenheim mit Garten erfüllen will, der gibt den Gedanken oft schon nach einer ersten Kalkulation auf: Eine knappe halbe Million Euro muss man schon einplanen. Und weil auch der Klimawandel neue Wege im Wohnungsbau erfordert, ist auch im Westmünsterland Umdenken beim Thema Wohnbau angesagt.

„Wie können wir den Wohnungsmarkt im Westmünsterland zukunftsfähig gestalten?“ war denn auch die Leitfrage, die am Mittwoch über dem „Wohnungsgipfel“ im Ahauser Kulturquadrat stand. Eingeladen hatten der Kreis Borken und die Stadt Ahaus, gekommen waren viele Gäste aus Politik, Verwaltung, Banken, Baubranche und auch NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach. Sie diskutierten drei Stunden lang darüber, wie es im Kreis Borken in punkto Wohnungsbaupolitik, Planung und Bauwirtschaft weitergehen kann.

Deutlicher Bedarf an Wohnungen

Zum Einstieg präsentierte Matthias Günther vom Pestel-Institut aus Hannover eine Einschätzung zum deutschen und zum regionalen Wohnungsmarkt: Er sieht in nahezu allen Kommunen im Kreisgebiet einen zum Teil deutlichen Bedarf an Wohnungen. Das habe auch mit der Zuwanderung und der starken Zunahme an Arbeitsplätzen zu tun. Bereits Ende 2022 fehlten laut Günther im Kreis Borken rund 3600 Wohnungen.

Vorausgesetzt, die Zuwanderung und der Trend zu Single-Haushalten gehe eher verhalten weiter, dürften künftig jährlich kreisweit weitere 2000 Wohnungen fehlen. Hinzu kämen 700 weitere Häuser und Wohnungen, die wegfielen, weil sie nicht sanierungsfähig seien. Günther betonte, dass dieser Bedarf nur durch Einfamilienhäuser nicht zu decken sei. „Das können wir uns gesellschaftlich nicht leisten.“ Das freistehende Einfamilienhaus, so Günther, sei so etwas wie ein „totes Pferd.“

Auslaufmodell Einfamilienhaus

Der Ahauser Architekt Heiner Farwick betonte, dass man sich vor Ort für eine „nachhaltige Baukultur“ einsetzen müsse, auch weil der tägliche Flächenverbrauch im Kreis mit einem halben Hektar doppelt so hoch sei wie im Bundesdurchschnitt. „Wir hätten uns schon lange auf den Weg machen müssen. Es ist höchste Eisenbahn“, so Farwick. Er plädierte für neue Angebote wie Single-Wohnungen mit „Bewegungsräumen“ im Umfeld oder Familienwohnungen jenseits des klassischen Einfamilienhauses. Auch müsse es eine Verdichtung innerorts geben – „aber angemessen“, wie Farwick betonte.

Zudem müsse man Brachflächen ins Auge nehmen oder auch Discounter dazu bewegen, auf ihre bislang eingeschossigen Verkaufsflächen Geschosse mit Wohnungen zu setzen. Und: Mikrohäuser, wie sie in Wüllen geplant sind, seien gute Antworten auf entsprechende Wünsche nach kleinen Einheiten. Farwick hob hervor, dass es darauf ankomme, für Projekte um Akzeptanz bei der Bevölkerung zu werben und nicht – wie im Falle des Regionale-Projekts 2016 zum Ahauser Josefs-Viertel – gute Ideen zu haben, aber die Bewohner zu übergehen.

Bürger bei Planung einbinden

Für die Stadt Ahaus betonte dessen Technischer Beigeordneter Thomas Hammwöhner, dass eine „selbstbewusste kommunale Bodenpolitik“ durch sozial gerechte Vergabe von Bauland durchaus helfen könne, Wohnraum bezahlbar zu machen. Auch er plädierte dafür, die Menschen im Umfeld neuer Projekte einzubinden und neue Angebote, etwa speziell für die jetzt älter werdende „Baby-Boomer-Generation“ zu entwickeln.

Gleichwohl sagte Hammwöhner auch, dass Wohnen auch in Ahaus aktuell nicht gerade billig ist: Für eine 75-Quadratmeter-Neubauwohnung würden aktuell zwischen knapp neun und zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter aufgerufen.

Das Podium auf der Bühne der Stadthalle
Diskutieren angeregt (von links): Dietmar Eisele (Vorsitzender des) Kreisbauausschusses, Mechtild Schulze Hessing (Sprecherin der Bürgermeisterunde im Kreis Borken), Moderator Dr. Fritz Jaeckel, Heinrich-Georg Krumme (Vorstandschef der Sparkasse Westmünsterland) und Uwe Schramm (Vorstand Wohnbau Westmünsterland). Barnekamp © Josef Barnekamp

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) betonte im Gespräch mit dem Moderator und Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen, Dr. Fritz Jaeckel, wie sehr sie vom „Wohnungsgipfel“ im Kanzleramt Ende September enttäuscht sei. Statt wichtiger Impulse habe es am Ende zu viel Klein-Klein gegeben. Die Ministerin kritisierte, dass die Ampel-Koalition „falsche Impulse“ setze und EU-Vorgaben unnötig verschärfe. So würden Wohnungen in Deutschland in die Effizienz-Kategorie C eingestuft, die in den Niederlanden A-Standard hätten. Auch würden zu enge Vorgaben vom Bund das Bauen unnötig teuer machen, so Scharrenbach, die sich für mehr „Technologieoffenheit“ aussprach. Allerdings fand ein Zuhörer, dass auch das Land mehr für Bauwillige tun könne und appellierte, die in NRW bei 6,5 Prozent liegende Grunderwerbssteuer zu senken.

Weniger Grunderwerbssteuer gefordert

In der abschließenden Diskussionsrunde forderte Borkens Bürgermeisterin Mechtild Schulze Hessing kürzere Fristen für die Planung neuer Wohnungen und Projekte. Sie wies zudem darauf hin, dass die Flüchtlingssituation den angespannten Wohnungsmarkt noch verschärfe. Geflüchtete Menschen über längerfristige Zeiträume in Turnhallen unterzubringen, sei keine Lösung.

Grünen-Politiker Dietmar Eisele fand, dass Innenverdichtung und Wohnungen über Discountern gute Ansätze seien. Und: „Warum bauen wir so viel Parkplätze?“ Sparkassen-Vorstand Heinrich-Georg Krumme konstatierte angesichts deutlich gestiegener Kosten von Material und Hypothekenzinsen, die Nachfrage von Krediten sei „eingebrochen.“ Krumme kritisierte, dass die Wohnbauförderung gekappt worden sei.

Uwe Schramm, Vorstandvorsitzender der Wohnbau Westmünsterland, forderte: „Wir müssen eine neue Wirtschaftlichkeit ins Bauen bringen.“ Auch durch niedrige Zinsen und die in den vergangenen 20 Jahren um 148 Prozent gestiegenen Baukosten sei das Thema quasi „vergiftet.“ Dadurch, dass die Hypothekenzinsen binnen kurzer Zeit von einen auf rund vier Prozent gestiegen seien, rechneten sich Bauprojekte für Investoren oft nicht mehr. Hinzu komme, dass allzu strenge Klima-Vorgaben den Hausbau weiter über Gebühr verteuerten.