Aufschlussreich, woran Hans-Christian Schmid (Buch und Regie) nicht interessiert ist, wenn er im Kino die Entführung Jan Philipp Reemtsmas aufrollt, geschehen 1996.
Sein Film zeigt weder Dunkelmänner, die ums Haus schleichen, noch das Versteck, wo Reemtsma (Philipp Hauss) angekettet ist. Er taucht kaum auf in „Wir sind dann wohl die Angehörigen“.
Durch die Hölle gehen
Wir sehen den Hamburger mit dem berühmten Namen vor und nach, doch nicht während der 33-tägigen Zwangshaft, Schmids Psychostück widmet sich Reemtsmas Frau Ann Kathrin und Sohn Johann.
Die beiden gehen durch die Hölle von Angst, Ungewissheit und enttäuschter Hoffnung, weil die Lösegeldübergabe mehrfach scheitert.
Film folgt dem Buch des Sohns
Spielfilm trifft Doku-Drama - Schmid orientiert sich an den Erinnerungen des Reemtsma-Sohnes, die 2018 als Buch erschienen. Auch die Kinoversion hat etwas von Tagebuch und Protokoll, ohne Verfolgung und Action-Tamtam ist die Spannung eine innere. Und sie wächst und wächst.
Man kann den Darstellern dabei zusehen, wie Stress und Druck am Nervenkostüm nagen und sie um Kontrolle ringen, bis irgendwann der Kessel überkocht
Der Verzweiflung nahe
Adina Vetter überzeugt als Reemtsmas Frau, die auch ihren Sohn (Claude Heinrich) beruhigen muss, obwohl der Verzweiflung nahe. Warum braucht die Polizei noch Zeit, wenn die Übergabe in 40 Minuten stattfinden soll? Und wieso die Polizei? Sie will selber mit den Tätern telefonieren!
Justus von Dohnányi spielt den Anwalt und Freund der Familie, dem die Polizei vorhält, er habe die Übergabe verbockt. Frustriert und ausgelaugt schmeißt er hin.
Hilferufe von Reemtsma treffen ein, Frau und Sohn bangen weiter. Schmid gelingt ein kluger „True Crime“-Thriller aus ungewohnter Warte: Die Angehörigen sind genauso Opfer wie der Entführte.
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