Was ist Ihre erste Assoziation, wenn Sie an die Zeitumstellung denken? Für all diejenigen, die immer wieder vergessen, wann in welche Richtung gedreht wird: In der Nacht vom letzten Samstag auf Sonntag im März geht es eine Stunde vor, also von 2 auf 3 Uhr. In der Nacht vom letzten Samstag auf Sonntag im Oktober hingegen dürfen wir eine Stunde länger schlafen, da von 3 auf 2 Uhr gestellt wird. Viele erfreut dieser kleine Feinschiff am Rad der Armbanduhr, mich hingegen stimmt er jährlich etwas melancholisch.
Sonne? Wo bist du?
Das Zurückdrehen bedeutet nämlich gleichzeitig, dass es abends wieder früher dunkel wird. Ich liebe die Tage Ende Juni, wenn es auch um 22 Uhr noch hell ist. Im Winter hingegen, wenn die letzten Kalenderseiten beginnen, ist es nicht nur kalt, sondern eben auch äußerst begrenzt sonnig. Dabei ist Sonne ein wesentlicher Faktor für gute Laune. Sonne schüttet Serotonin im Körper aus, unser Glückshormon. Wir werden aktiv, haben Lust auf Unternehmungen, lachen mehr.
Dunkelheit hingegen ist für unser Schlafhormon Melatonin zuständig. Deswegen sind wir im Winter auch müder und etwas schwermütig. Wenn es zwischen Ende November und Ende Januar bereits um 17 Uhr dunkel ist, kämpfen wir also gegen unseren Körper an, der sagt, dass es doch eigentlich Zeit fürs Bett ist.
Doch Serotonin ist nicht nur für Aktivität und Motivationsschübe ein Garant. Werden weniger Glückshormone ausgeschüttet, bedeutet dies logischerweise auch, dass wir eben weniger Stunden positiv gestimmt sind. Wir werden schneller nachdenklich, kritischer, vielleicht sogar trauriger. Das ist für Gespräche mit Ernsthaftigkeit, in denen über vieles reflektiert wird, eine gute Basis – Shows wie Domian liefen nicht grundlos über Jahre erfolgreich mitten in der Nacht. Aber bei einigen ist das Quäntchen mehr Melancholie eben zu viel Melancholie. Sie geraten in eine Winterdepression.
Auf einmal ist alles irgendwie ungemütlich und schwer
Eine saisonale Depression ist eine Verstimmung, die für gewöhnlich immer zur selben Zeit auftritt, meist im Herbst oder Winter. Symptome dafür sind gehäufte Müdigkeit, Stimmungsschwankungen, Lustlosigkeit, ein ausgeprägter Wunsch, allein sein zu wollen oder fehlende Motivation auf der Arbeit. Manche verspüren gar das Verlangen, sich zu streiten und intakte Beziehungen zu hinterfragen.
Das Gute zuerst: Wenn Sie genau das bei sich beobachten, können Sie davon ausgehen, dass Sie unter einer Winterdepression leiden. Oder besser gesagt, dem Winterblues verfallen, denn in den meisten Fällen ist es glücklicherweise gar keine richtige Depression. Das bedeutet auch gleichzeitig, dass es sich um eine temporäre Depression handelt, die in wenigen Wochen wieder verschwindet.
Bei manchen ist in erster Linie der Wechsel von Sommer zum Herbst ein Problem, bei anderen zieht sich das Gefühl bis in den März. Viele haben rund um Weihnachten und Silvester Schwierigkeiten mit den Emotionen. Weihnachten ist mit der Familie verbunden – was ist, wenn es in der aber die meisten Probleme gibt? Silvester ist der letzte Tag des Jahres, an dem wir zurückblicken – haben Sie schon wieder Ihr im Januar gesetztes Ziel nicht erreicht?
Sich selbst reflektieren: Woran kann es liegen?
Wenn Sie wissen, wann die kritische Zeit beginnt, haben Sie schon einen wichtigen Schritt Richtung Lösung getan: Sie haben sich beobachtet und ein Muster erkannt. Nun müssen Sie aber noch dagegen angehen. Allein schon zu wissen, dass die Stimmung womöglich bald wieder kippt, nimmt dem Ganzen enormen Druck heraus. Dass es in den dunklen Monaten besonders viele Veranstaltungen gibt wie Konzerte, Musicals, aber auch Weihnachtsmärkte, kommt nicht von ungefähr. Sie sind dafür da, uns abzulenken, uns wieder mehr Leben einzuhauchen.
Nehmen Sie sich für die Zeit, in der Sie womöglich emotional abrutschen, schöne Dinge vor. Planen Sie früh genug, gehen Sie aktiv auf Ihre Liebsten zu und unternehmen Sie etwas. Winterliche Spaziergänge, schicke Restaurants, ein Spieleabend bei Ihnen, ein Kinobesuch. Seien Sie sich bewusst, dass Sie mit Ihrer Melancholie nicht allein sind und dass es eben auch wirklich ein Stück weit am Wetter liegt.
Weihnachten – immer ein Fest der Liebe?
Probleme mit der Familie sind nicht mal eben an ein oder zwei Feiertagen zu lösen. Sie existieren das gesamte Jahr über. Und tatsächlich sind diese Feiertage auch nicht dafür gemacht, um sich und die anderen mit den Schwierigkeiten zu konfrontieren. Wenn es Ihnen vor Weihnachten jetzt schon graust, denken Sie darüber nach, die Feiertage vielleicht einmal getrennt zu verbringen. Oftmals tut ein wenig Abstand voneinander gut, ein zwanghaftes Aufeinandertreffen hingegen nicht. Probieren Sie also auch hier frühzeitig Konflikte zu beenden, um Weihnachten als ein schönes Fest zu nutzen. Ein Fest, das Sie so verbringen, dass es Ihnen Energie schenkt und keine frisst.
Noch ein paar kleine Muntermacher für Sie allein: Wenn Sie morgens im Dunkeln das Haus verlassen und abends im Dunkeln nach der Arbeit zurückkommen, probieren Sie mindestens eine Pause draußen zu verbringen. Hängen Sie lieber eine halbe Stunde hinten dran, aber nehmen Sie unbedingt ein wenig Helligkeit mit, um aufzutanken. Ansonsten hilft für ein wenig Selfcare auch Sport, ein gutes Buch, ein heißes Bad, eine Honigmilch oder die eine Klamotte, die Sie sich schon so ewig lang kaufen wollten. Eben alles, was glücklich macht.
Nicht einfach hinnehmen, sondern bekämpfen
Ist auch das immer noch nicht genug, um den Winter durchzustehen, sollten Sie über professionelle Hilfe nachdenken. Das kann sowohl in einer Gruppe mit Menschen sein, die ähnliche Schwierigkeiten mit den grauen Tagen haben oder in einer Langzeittherapie. Da können die Probleme, die im restlichen Jahr bestehen und dann im Winter besonders stark auf Ihren Schultern sitzen, gleich mitbearbeitet werden. Schadet nicht. Im Gegenteil.