Wie sich AfD, Republikaner und NPD ähneln Sie locken nicht nur mit Ausländerhetze Männer an

Wie sich AfD, Republikaner und NPD ähneln: Sie locken nicht nur mit Ausländerhetze Männer an
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Eine Halle in Bayern. Bierkrüge auf den Tischen. Eine weißblaue Stirnwand und eine riesige Schrift: „Deutsche Interessen haben Vorrang“. Ein schwitzender Redner ruft: „Hunderttausende kommen zu meinen Veranstaltungen, weil sie spüren, das ist der Mensch, der laut sagt, was Millionen leise denken“. Die Menge in der Halle klatscht. Eine AfD-Veranstaltung im Jahr 2024 südlich des Weißwurst-Äquators?

Irrtum. Die Szene ist 35 Jahre alt. Der Redner hieß Franz Schönhuber. Die Organisation, für die er warb, war die der Republikaner. Die Bundesrepublik erlebte damals den raschen Aufstieg einer rechtslastigen Partei. Wieder mal. Wie den der Sozialistischen Reichspartei und der Deutschen Reichspartei zu Beginn der 1950er Jahre. Wie den der NPD 1969. Aber auch wie den der AfD heute. Kommen solche Rechtsabbieger regelmäßig vor, alle zwei, drei Jahrzehnte?

Spaltende Themen. Parteien dieser Machart sind eine deutsche Fortsetzungsgeschichte. Ihre Radikalität kann unterschiedlich sein. Aber ihr Treibstoff sind die Themen, die spalten. Wie 1989.

Zu Schönhubers Zeiten gab es kein Internet, dafür Zeitungsanzeigen und TV-Spots. Im Februar des Jahres löste eine bewusst lancierte Republikaner-Wahlwerbung im Fernsehen helle Empörung und breite Debatten aus.

Im Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus im Westen Berlins schaltete die Schönhuber-Truppe ein Filmchen mit erkennbar türkischstämmigen Kindern aus Kreuzberg. Die Bilder waren mit der Melodie aus dem Western „Spiel mir das Lied vom Tod“ unterlegt. Eine rassistisch motivierte Drohung? Schönhuber wehrte ab: „Habe ich nicht gesehen, dass das türkische Kinder waren“.

Dabei hatte der Parteichef auch gegenüber deutschen Erwachsenen kein Problem mit verkappten Gewaltaufrufen: „Ich kann Ihnen mit Genuss sagen, es hat mich mit klammheimlicher Freude erfüllt, als ich erfuhr, dass man auch CDU-Funktionären ein paar in die Schnauze geschlagen hat“.

Franz Schönhuber
Franz Schönhuber war Gründer und Vorsitzender der Republikaner, die in den 1980er-Jahren einen Höhenflug erlebten, nach der Wende allerdings auch rasch wieder abstürzte. © picture-alliance / dpa/dpaweb

Am sich anschließenden Wahltag kassierten seine Reps Erfolge. Mit 7,5 Prozent Stimmenanteil zogen sie ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. In der Europawahl im gleichen Jahr holten sie in süddeutschen Städten wie Stuttgart, München und Nürnberg Ergebnisse zwischen 9,2 und 17,6 Prozent.

Schönhuber führte die Kampagnen, neben nationalistischer Betonung, mit dem Vorwurf an die Bundesregierung, „verlogen und moralisch verfault“ zu handeln. Er verquickte Themen wie Arbeitslosigkeit und Asylbewerber-Zustrom: „Wenn wir von den Soziallasten für die Ausländer befreit würden, könnten wir hunderttausende neuer Arbeitsplätze schaffen“.

Sein Programm hob die Rolle der Frau als quasi zwangsverpflichtet im Haushalt heraus („Jedes schulentlassene Mädchen leistet ein praktisches Jahr“) und dass der Staat „für alle loyalen Bürger die Grundlagen für persönliche Freiheit, öffentliche Sicherheit und allgemeinen Wohlstand schafft und bewahrt“. Loyalität als Voraussetzung, Bürgerrechte wahrzunehmen?

Absturz nach dem Mauerfall

Die etablierte Konkurrenz war schockiert. Die SPD ahnte: „Die politische Landschaft ist vermutlich dauerhaft in Bewegung geraten“.

Die CDU-nahe Adenauerstiftung errechnete einen Mitgliederzuwachs der Reps von 56 Prozent binnen dreier Monate. Infratest-Forscher schätzten den bundesweiten Sympathiesantenkreis der aufstrebenden Partei auf fünf Millionen Menschen.

Dann aber grätschte die Weltpolitik in den Auftrieb. Am 9. November 1989 fiel die Mauer. Eine Faschismus-Sperrklausel verbaute den Republikanern den Antritt bei der ersten freien Volkskammerwahl der DDR.

Im Herbst 1990 folgte die Einheit Deutschlands.

In der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl scheiterten sie. CDU-Kanzler Helmut Kohl stand als Gewinner der Geschichte da - auch, weil sich die Themenpalette komplett verschoben hatte. Das alles sorgte für einen Absturz im Takt weniger Monate. „Schlechtes Timing“, kommentierte der Meinungsforscher Manfred Güllner.

Dabei sind politische Start-Ups nicht selten labil. Das gilt gerade auf dem rechten Flügel. Schönhubers Republikaner hatten einen weit radikaleren Vorläufer.

1964 hatte sich unter der Regie des Adeligen und früheren NSDAP-Mitglieds Adolf von Thadden eine „nationale Sammlungsbewegung“ gegründet, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands, kurz NPD. „Sicherheit durch Recht und Ordnung“ wurde zum bewusst bürgerlich gewählten Schlachtruf.

Die Erfolgskurve verlief zunächst steiler als bei den Republikanern 20 Jahre später. Die NPD zog in sieben Landesparlamente ein, in Bremen und Baden-Württemberg mit Stimmenanteilen von 8,8 und 9,8 Prozent. Genug, um über eine Landtags-Präsenz in der Mehrzahl der Bundesländer bald die politische Balance der doch noch jungen Republik bedrohen zu können.

Bei der Präsidentenwahl am Scheideweg

Ein dramatischer und heute fast vergessener Kipppunkt wird am 5. März 1969 erreicht. Die angeschlagene Gesundheit hat Bundespräsident Heinrich Lübke (CDU) zum Amtsverzicht bewogen. In Berlin wird vorzeitig der Nachfolger bestimmt.

Die entscheidende Bundesversammlung setzt sich je zur Hälfte aus Mitgliedern des Bundestages und der Landtage zusammen, was der NPD erstmals eine Beteiligung an der Entscheidung möglich macht. Die Partei beschließt, die Machtfrage zu stellen.

CDU und CSU nominieren am Wahltag den früheren Außenminister Gerhard Schröder, nicht zu verwechseln mit dem späteren namensgleichen SPD-Kanzler. Die SPD, die auf die Stimmen der FDP setzt, stellt den Essener Anwalt Gustav Heinemann auf.

Bald zeichnet sich ein enges Rennen unter den 1036 Stimmberechtigten ab, denn die Voten der aus den Landtagen geschickten 22 NPD-Abgesandten gehen in den ersten beiden Wahlgängen gezielt an den CDU-Mann. Schröder stört die unerbetene Unterstützung nicht. Die Leute seien „demokratisch gewählt“.

SPD-Chef Willy Brandt aber findet das „unanständig“. Er ahnt nicht, dass ein halbes Jahrhundert später, lange nach seinem Tod, eine ähnliche Situation bei der Ministerpräsidentenwahl im thüringischen Landtag zu großem Krach führen wird. Die Spannung auf dem Berliner Messegelände hält 1969 bis zum Schluss an.

Beim entscheidenden dritten Wahlgang fehlen FDP-Politiker, die mit der Annäherung ihrer Partei an die SPD nicht einverstanden sind. Es gibt am Ende fünf Enthaltungen. Auf Heinemann fallen 512, auf Schröder 506 Stimmen. Der Sozialdemokrat atmet durch. Er spricht von einem „Stück Machtwechsel“ und wird bis 1974 im Amt bleiben.

Nähe zum Terror

Hätte die Wahl eines mit rechtsextremer Zustimmung gewählten Staatsoberhaupts den Verlauf der weiteren bundesdeutschen Zeitgeschichte geändert? Das ist Spekulation.

Aber der Kurswechsel, der in diesem März in der Luft lag, fiel anders aus als es die Rechtsausleger wollten. Bei den Bundestagswahlen im Herbst 1969 verpasste die NPD entgegen den Erwartungen mit 4,2 Prozent Stimmenanteil knapp den Einzug in den Bundestag.

SPD und FDP stemmten eine Mitte/Links-Mehrheit. Willy Brandt wurde der erste sozialdemokratische Bundeskanzler. Die Ostpolitik richtete er neu aus. In der Union, plötzlich auf den Oppositionsbänken, kam es zu einem inhaltlichen Rechtsrutsch, was der NPD weiter Stimmenpotenzial wegnahm und in mehreren Landtagen das Aus bedeutete.

NPD
Die NPD hat ihre Blütezeit längst hinter sich, firmiert heute unter dem Namen „Die Heimat“, spielt aber auch unter diesem Namen keine Rolle mehr. © picture alliance / dpa

Zwischen 100 und 200 Menschen sind, nach unterschiedlichen Zählweisen, bei rechtsterroristischen Angriffen seit 1990 getötet worden. Bis heute ist unklar, wie weit NPD-Aktivisten in die rechtsextreme Terror-Szene abgerutscht sind. So ist der Verdacht der Verwicklung in Morde und Bombenanschläge beispielsweise beim Forstmeister Heinz Lembke offen, der bei Lüneburg riesige Waffenlager vergrub und nach seiner Verhaftung 1981 Suizid beging.

Ob er mit dem Oktoberfest-Attentäter Gundolf Köhler 1980 in München in Verbindung stand, der 13 Menschen auf dem Gewissen hatte, blieb Spekulation. NPD-Gründer von Thadden verließ die Partei.

2003 scheiterte ein Verbotsantrag der Bundesregierung gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht, das feststellen musste: Zu viele V-Leute des Verfassungsschutzes waren in der Partei tätig. Heute ist die Gründung von 1964 eher bedeutungslos.

So sieht es jedenfalls das Bundesverfassungsgericht in einem zweiten Urteil von 2017, das allerdings auch eine Verfassungsfeindlichkeit der Partei („mit dem Demokratieprinzip unvereinbar“) eindeutig festgestellt hat. 2023 wechselte die NPD den Namen und heißt neu „Die Heimat“. Sie vegetiert im Schatten der AfD.

Für einen starken Staat und gegen Europa

Was der Vergleich der Geschichte von NPD, Republikanern und jetzt der AfD und anderer Parteien auf der rechten Seite des politischen Spektrums generell zeigt: Sie setzen meist auf dieselben Themen.

Gegen Asylbewerber und Ausländer allgemein. Für einen starken Staat. Für ein hartes Vorgehen gegen Kriminelle. Für eine kritische, antieuropäische Haltung gegenüber der vormaligen EG und der heutigen EU bis hin zur Austrittsforderung. Für die Verteidigung überkommener Moralvorstellungen.

Die Zielgruppe ist zumeist männlich. Dabei treffen die Parteien nicht selten auf Konkurrenz aus dem konservativen Lager. So erschien parallel zu den Republikanern die Deutsche Volks Union DVU. Aktuell ringen mit der AfD die Partei der früheren CDU-nahen Werteunion des Ex-Verfassungsschutzchefs Maaßen und auch die Bewegung Sarah Wagenknecht um die gleichen Wählerschichten.

Experte rät zu einem AfD-Verbotsantrag

Welche Partei war die radikalste? Prof. Gideon Botsch von der Universität Potsdam, der die dort ansässige Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus leitet, hat dazu eine eindeutige Meinung: „Ganz klar die Sozialistische Reichspartei von Anfang der 1950er Jahre. Sie wurde ja auch wegen ihrer Wesensverwandtschaft mit den Nationalsozialisten durch das Bundesverfassungsgericht verboten“.

Aber: „Vielleicht noch radikaler können wir die NPD in ihrer Entwicklung seit den 2000er Jahren einschätzen. Wer in diesem Zeitraum die NPD wählte, hat den Radikalismus sehenden Auges und im Wissen um die historische Entwicklung in Deutschland gewählt“, sagt Botsch.

Und fügt hinzu: „Und das ist etwas, was wirklich gerade in Teilen der AfD geerbt wird. Sehr viel NPD aus dieser sehr radikalen Phase der Partei sehen Sie in der AfD der Gegenwart“. In Sachen AfD empfiehlt der Wissenschaftler mit Hinweis auf das Karlsruher NPD-Urteil von 2017, „dringend einen Verbotsantrag zu prüfen“.

Denn diese Partei könne ihre radikalen Vorstellungen über den politischen Einfluss, den sie inzwischen durch Spitzenämter auf kommunaler Ebene habe, auch durchsetzen. Viel spreche dafür, „dass die AfD genau in diesem Sinne verfassungswidrig sein könnte“.

Im Westen droht die geringste Gefahr von Rechts

Weniger Chance im Westen. Bei der Zustimmung zu rechtsorientierten Parteien gibt es innerhalb Deutschlands teilweise erhebliche regionale Gefälle. Regionen vor allem im Osten und vereinzelt im Süden signalisieren stärker Sympathien.

Der Westen und vor allem die Wähler im bevölkerungsstärksten Bundesland Nordrhein-Westfalen reagierten bisher weitaus ablehnender auf nationalistische oder populistische Werbungsversuche. Nicht nur, dass es die NPD nie in den Düsseldorfer Landtag schaffte.

Holten die Republikaner bei der Europawahl 1989 in Bayern 14,6 Prozent und Baden-Württemberg noch 8,7 Prozent, schnitten sie in NRW mit 4,1 Prozent weit schlechter ab und scheiterten selbst auf dem flachen Land.

In Dortmund (4,6 Prozent) erhielten sie beim gleichen Anlass mehr Beulen verpasst als in vergleichbaren Städten Frankfurt (6,9 Prozent) und Hannover (6,4 Prozent).

Und auch wenn die AfD äußerst hartnäckig auftritt: Fuhr sie in ostdeutschen Bundesländern bei den letzten Landtagswahlen (2019 bis 2023) zwischen 20 (Sachsen-Anhalt) und 27,5 Prozent (Sachsen) ein und jüngst auch in Hessen überraschend hohe 18,4 Prozent, klappte ihr Parlamentseinzug in Düsseldorf 2022 ganz gegen den Trend nur äußerst knapp. Der Stimmenanteil von 5,4 Prozent wurde bundesweites Schlusslicht.

Überrascht das? Es ist, zugespitzt, die Erfahrung einer fast hundertjährigen Geschichte, dass politische Ausleger Rechts zum Rhein und den westlichen Grenzen hin weniger Chancen haben.

Bei der letzten freien Reichstagswahl 1932 vor Hitlers Machtergreifung blieben Aachen und Münster die Nazi-resistentesten Großstädte im Reich. Heute mögen sie hier immer noch keine zu lauten Zackigen. Ob dies bleibt, wird sich bei den nächsten Europa- und Bundestagswahlen zeigen.