Wetterphänomen El Niño Wie entsteht es und was bedeutet es für Deutschland?

Wetterphänomen El Niño: Wie entsteht es und was bedeutet es für Deutschland?
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Die Weltwetterorganisation WMO ist sich sicher: El Niño hat begonnen. Das teilte sie am Dienstag in Genf mit. Damit drohen im Pazifikraum und entlang des Äquators hohe Temperaturen und Wetterextreme. Die WMO hatte zuletzt prognostiziert, dass das Klimaphänomen den wohl wärmsten Fünfjahreszeitraum begünstigen könnte. Genauso könnte die 1,5-Grad-Marke zum ersten Mal auf Jahresbasis global überschritten werden.

Einen Monat zuvor hatte schon die US-Klimaforschungsbehörde NOAA El-Niño-Bedingungen registriert und davor gewarnt, dass sich das das Klimaphänomen bis zum Winter weiter verschärfen könne.

Was ist El Niño und wie entsteht er?

Der Deutsche Wetterdienst DWD spricht bei El Niño von einer „Zirkulationsanomalie“, ausgelöst durch Veränderungen im Wettersystem. Wie El Niño entsteht, ist in der Wissenschaft noch nicht vollständig verstanden. Als eine wesentliche Ursache gelten in jedem Fall schwächelnde Passatwinde. Die Winde, die in den Tropen und Subtropen entstehen, treiben normalerweise Wasser von der Küste Südamerikas auf den Pazifik hinaus. Dadurch steigt vor Südamerika kaltes und nährstoffreiches Tiefenwasser auf.

Setzt El Niño ein, schwächen sich die Passatwinde fast vollständig ab, sodass nun warmes Wasser Richtung Südamerika strömt. Dadurch kommt es zu überdurchschnittlich warmen Meeresoberflächentemperaturen im zentralen und östlichen Pazifik in der Nähe des Äquators. Die ozeanischen und atmosphärischen Strömungen ändern sich ebenso wie die Luftdruckverhältnisse: Über Südostasien erhöht sich der Luftdruck, im zentralen Pazifik sinkt er.

„Diese Luftdruckveränderung geht schließlich so weit, dass sich das Luftdruckverhältnis umkehrt“, heißt es im World Ocean Review. Warum, das ist trotz intensiver Forschung noch immer ungeklärt. Über Südostasien bildet sich in der Folge ein Hochdruckgebiet, sodass Länder wie Indonesien oder Papua-Neuguinea vermehrt mit hohen Temperaturen und Trockenheit zu kämpfen haben. Während über dem zentralen Pazifik ein Tiefdruckgebiet entsteht, das für starke Niederschläge mit Überschwemmungen an der Westküste Südamerikas sorgt.

Wie oft kommt es zu einem El-Niño-Ereignis?

Im Schnitt tritt El Niño etwa alle zwei bis sieben Jahre auf.

Doch das Klimaphänomen verändert sich: Ein Forscherteam aus Australien stellte 2019 in einer „Nature“-Studie fest, dass El-Niño-Ereignisse im Zentralpazifik seit dem späten 20. Jahrhundert häufiger geworden sind. Dagegen hätten Ereignisse im Ostpazifik abgenommen, seien dort aber intensiver geworden. Das deckt sich mit Ergebnissen eines Forscherteams um den deutschen Klimaforscher Mojib Latif des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten 2015 davor gewarnt, dass der Klimawandel zu intensiveren und länger anhaltenden El-Niño-Ereignissen führen könnte.

El Niño – woher kommt der Name?

El Niño hat seinen Namen von peruanischen Fischern. Sie bemerkten, dass das Meerwasser etwa alle vier Jahre zur Weihnachtszeit wärmer war als sonst, weshalb sie weniger Fische fingen. Sie gaben dem Klimaphänomen den Namen El Niño, was übersetzt „das Christkind“ bedeutet. Wann genau der Name übernommen wurde, ist nicht bekannt. El Niño hat noch eine kleine unbekanntere Schwester: La Niña, auf Deutsch „das Mädchen“.

Was ist der Unterschied zwischen El Niño und La Niña?

La Niña hat den gegenteiligen Effekt: In dieser Phase kühlen sich die Meeresoberflächentemperaturen im zentralen und östlichen Pazifik ungewöhnlich ab. Im Gegensatz zu El Niño kehren sich die Wind- und Strömungsverhältnisse dabei nicht um, sondern die Normalbedingungen verstärken sich. Das heißt: Die Passatwinde wehen stärker, mehr Wasser von der Küste Südamerikas treibt auf den Pazifik hinaus, mehr kaltes und nährstoffreiches Tiefenwasser steigt vor Südamerika auf. Dadurch bildet sich westwärts entlang des Äquators eine Kaltwasserzunge.

Die Verteilung der warmen und kalten Wassermassen hat Einfluss auf den Luftdruck: Vor der Westküste Südamerikas sorgt ein Hochdruckgebiet für Trockenheit, während ein Tiefdruckgebiet vor der Ostküste Australiens starke Niederschläge verursacht. Auch sind Regionen im Westpazifik zu Zeiten La Niñas häufiger von tropischen Wirbelstürmen betroffen. Während El Niño die globale Erwärmung mittelfristig anfacht, schwächt La Niña sie ab.

Wie lange dauert El Niño an?

El Niño tritt nicht dauerhaft auf, sondern periodisch. Normalerweise hält das Klimaphänomen neun bis zwölf Monate an, schreibt die US-Klimaforschungsbehörde NOAA auf ihrer Internetseite. Es gab jedoch schon El-Niño-Phasen, die zwei oder sogar drei bis vier Jahre angehalten haben. Los geht es in der Regel zwischen März und Juni, von Dezember bis April erreicht El Niño dann seine höchste Intensität, ehe er sich im Mai bis Juli wieder abschwächt. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei La Niña – mit dem Unterschied, dass dieses Klimaphänomen normalerweise ein bis drei Jahre andauert.

Was ist ENSO?

Die Abkürzung ENSO steht für „El Niño – Southern Oscillation“. Vereinfacht gesagt beschreibt der Begriff das Wechselspiel aus El Niño, La Niña und der „Neutralen Phase“ – also wenn weder El Niño noch La Niña auftreten. Es geht um die periodischen Schwankungen der Meeresoberflächentemperaturen, des Luftdrucks und der Atmosphäre über dem äquatorialen Pazifik. „ENSO ist eines der wichtigsten Klimaphänomene auf der Erde, da es die globale atmosphärische Zirkulation verändern kann, was wiederum Auswirkungen auf Temperatur und Niederschlag auf der ganzen Welt hat“, schrieb Michelle L‘Heureux, Klimawissenschaftlerin am US-Climate Prediction Center, vor einigen Jahren in einem Blogbeitrag.

Darin erklärte sie auch, warum La Niña nicht Bestandteil der Abkürzung ENSO ist. Der Grund dafür ist ziemlich simpel: El Niño wurde zuerst entdeckt. Erst in den 1980er-Jahren gewannen La Niña und die „Neutrale Phase“ an Bedeutung in der Wissenschaft.

Wie schlimm wird die El-Niño-Saison?

Das lässt sich heute noch nicht abschätzen. Es kann eine moderate oder starke El-Niño-Periode werden, aber auch ein Super-El-Niño ist nicht ausgeschlossen. Das US-amerikanische Climate Prediction Center gibt die Wahrscheinlichkeit eines starken El Niños in den Monaten Juni bis August aktuell mit rund 50 Prozent an, in den Wintermonaten November bis Januar liegt sie bei 84 Prozent. Je nachdem, wie stark die El-Niño-Phase wird und wie weit sie sich in das kommende Jahr hineinzieht, könnte 2024 zum weltweit wärmsten Jahr überhaupt werden.

„Abhängig von seiner Stärke kann El Niño eine Reihe von Auswirkungen haben“, sagte L‘Heureux. So erhöht sich vielerorts das Risiko für starke Regenfälle und Dürren. Hinzu kommt dann noch der Klimawandel, der die Folgen von El Niño verschlimmern beziehungsweise abschwächen könne. Die Klimaforscherin befürchtet, dass das Klimaphänomen zu neuen Temperaturrekorden führen könnte, insbesondere in Gebieten, in denen während El Niño ohnehin schon hohe Temperaturen vorherrschen.

Klar ist schon jetzt: El Niño wird die betroffenen Länder wieder einmal viel Geld kosten. Wenn Überschwemmungen Häuser überfluten und unbewohnbar machen, wenn Ackerpflanzen auf den Feldern vertrocknen, wenn Wirbelstürme Städte verwüsten oder wenn Menschen mit Hitzschlägen in Kliniken versorgt werden müssen. Forschende ermittelten vor Kurzem, wie sich das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf für ausgewählte Länder in den Jahren 1960 bis 2019 entwickelt hat und verglichen dies mit den El-Niño-Ereignissen in den Jahren 1982/1983 sowie 1997/1998. Allein in der Saison 1982/1983 betrug der ökonomische Verlust weltweit rund 4,1 Billionen Dollar, also umgerechnet rund 3,76 Billionen Euro.

Was bedeutet El Niño für Deutschland?

Die größten Auswirkungen von El Niño zeigen sich im Sommer für gewöhnlich im Pazifikraum und entlang des Äquators. Doch das Klimaphänomen wirkt sich auch auf andere Regionen der Erde aus, darunter auch Europa – wenngleich in geringerem Maße. „Hier kann es im Winter durch Fernwirkungen zu Kälteeinbrüchen kommen“, sagt Kristina Fröhlich vom DWD. El Niño führt zu einer Erwärmung der hohen Luftschichten über dem winterlichen Nordpol und stört so Polarwirbel. Es kann zu einer plötzlichen Stratosphärenerwärmung kommen, die dafür sorgt, dass vermehrt kalte Luft nach Europa gelangt.

Aber auch ökonomische Auswirkungen könne El Niño auf Europa haben, merkt Fröhlich an. Werden landwirtschaftliche Produkte im pazifischen Raum durch das Extremwetter vernichtet, fehlen sie nicht nur dort, sondern auch andernorts – wie hier in Deutschland.

RND

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