Im Schwarzarbeit-Prozess gegen einen Werkstatt-Chef (42) aus Oer-Erkenschwick und vier Mitangeklagte braut sich ein Konflikt zusammen: Die Staatsanwaltschaft zweifelt inzwischen am Bochumer Landgericht ganz offen an der angedeuteten „Mitläufer-Rolle“ des Hauptangeklagten – die Verteidigung kontert.
Der Werkstatt-Chef will allenfalls in der Endphase des angeklagten Tatzeitraums (März 2021 bis Juni 2022) aktiv das Wort in der mutmaßlichen Betrugsfirma für Gleissicherungsarbeiten ergriffen haben.
„Erst ab Februar oder März 2022 war das so. Da habe ich mehr Präsenz gezeigt. Davor habe ich mich nicht eingemischt“, erklärte der 42-Jährige.
„Ich will niemanden angreifen von den zwei Jungs“
Mithilfe eines Gedankenspiels rückte der 42-Jährige stattdessen zwei Mitangeklagte aus Recklinghausen und Bottrop in die Rolle der faktischen Geschäftsführung.
„Würde man mich aus dem Spiel rausnehmen, hätte die Firma hundertprozentig genauso weiterfunktioniert. Das würde bei den Beiden aber anders aussehen. Das ist Fakt“, behauptete der Werkstatt-Chef. Um dann gleich nachzuschieben: „Ich will niemanden angreifen von den zwei Jungs.“
Ja, er sei damals parallel zu seiner Autowerkstatt in Oer-Erkenschwick auch in die Sicherungsfirma eingestiegen, hieß es. Und ja, er habe dabei auch Geld investiert. Aktiv die Strippen gezogen habe aber vor allem in der langen Anfangsphase ein Bekannter, der ihn einst überredet habe, mitzumachen, so der 42-Jährige.
„Ich will nicht alles auf ihn abladen, denn ich hätte ja auch ‚Nein‘ sagen können. Aber er war halt ein Überredungskünstler.“ Auch bei dieser (neben den zwei Mitangeklagten dritten) Person lässt der Werkstatt-Chef also viel mehr Verantwortlichkeit für den Millionen-Schwindel erkennen als bei sich selbst.
Staatsanwalt Klaus-Peter Kollmann bewertete diese Angaben indirekt als eine Art Stehlen aus der Verantwortungsrolle, weil viel zu nebulös und relativierend.
In der Konsequenz sprach der Ankläger dem Werkstatt-Chef auch ab, seine anfänglich im Prozess gemachten Angaben („Ich möchte zugeben, dass die Vorwürfe zu großen Teilen stimmen. Ich weiß, dass ich große Scheiße gebaut habe“) unterm Strich noch als Geständnis bewerten zu können.
Kollmann kündigte an, dass zur Klärung der Frage der Entscheidungskompetenzen in der „Betrugsfirma“ insbesondere aus der Telefonüberwachung noch „so Einiges“ im Prozessverlauf eingeführt werden müsse.

Waren die Verteidiger des Werkstatt-Chefs, Lars Brögeler und Lars Volkenborn, zunächst noch bemüht, einen aufkeimenden Konflikt kleinzuhalten („Wir wollen keine Misstöne entstehen lassen“), ließen sie dann aber auch ihren Gedanken freien Lauf.
Insbesondere der polizeiliche Ermittlungsführer wurde wegen vermeintlich einseitiger Ermittlungen scharf kritisiert. Die Telefonüberwachung sei selektiv und zielgerichtet „in die Akte eingebaut worden“, hieß es vonseiten der Verteidigung. „Nur um ihm (Anm.: dem Werkstatt-Chef) was ans Bein zu flicken.“
Gewisse Hinweise zu der umstrittenen Chefrolle des Werkstatt-Chefs in der Gleissicherungsfirma lieferten vereinzelte vor der 10. Strafkammer verlesene (abgehörte) Telefongespräche unter den Angeklagten.
Ein Beispiel: Der wegen Bestechung mitangeklagte Hertener teilte dem Werkstatt-Chef im Juni 2022 am Telefon mit, dass er „22 Anlagen für die Firma ‚blind‘ geschrieben“ hat. Und dass es ihm vor allem darum gehe, „dass die Firma Gewinne macht“. Die Antwort des Werkstatt-Chefs lautet daraufhin: „Ich will Dir ein kleines Geschenk geben, Bruder!“
Die Anklage beziffert den durch betrügerische Schwarzarbeit-Geschäfte der Sicherungsfirma entstandenen Schaden auf mehr als zwei Millionen Euro.
Das Gericht deutete an, dass man mit den vorgesehenen Prozesstagen bis Juli kaum auskommen werde: „Da brauchen wir jetzt wohl noch mehr Zeit.“