Diese Entwicklung dürfte Notarzt Dr. Elmar Segbers mit größter Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Ganz offenbar ist seine Kritik an katastrophalen Fehlern beim Rettungseinsatz nach dem Zugunglück in Recklinghausen vom 2. Februar 2023 doch noch auf fruchtbaren Boden gefallen. Das belegen Recherchen unserer Redaktion.
Bei dem Unfall vor zwei Jahren war ein zehnjähriger Junge getötet und ein Neunjähriger lebensgefährlich verletzt worden. Die beiden Jungen waren erst 90 Minuten nach der Alarmierung überhaupt und das auch nur durch einen kaum zu glaubenden Zufall gefunden worden.
Nach dem Unfall hatte Dr. Segbers massive Kritik am Rettungseinsatz geübt und auf eine Aufarbeitung der Fehler gedrängt. Als die nicht erfolgte, übte man Druck auf ihn aus und stellte ihn schließlich kalt. Inzwischen darf er keine Rettungseinsätze mehr als Notarzt fahren.
Und jetzt das. Die Kreisleitstelle Recklinghausen, die alle Einsätze der Feuerwehren im Kreis Recklinghausen steuert, hat die von Dr. Segbers vorgeschlagenen Verbesserungen aufgenommen und zum künftigen Pflicht-Standard bei ähnlichen Zugunfällen erhoben. Auf Anfrage unserer Redaktion bestätigte das die Kreis-Pressesprecherin Lena Heimers. Sie verwies auf die Checkliste, an die sich alle Mitarbeiter der Leitstelle bei einem Zugunglück halten müssten.

„In der Checkliste ist unter anderem aufgelistet, worauf bei der Notrufabfrage zu achten ist, wer zu informieren ist und welche zusätzlichen Mittel je nach Lage alarmiert werden können“, erläutert Heimers und fährt fort: „Ein Punkt der Checkliste befasst sich damit, dass es in Einzelfällen, wenn neben der von der Notfallleitstelle benannten Einsatzstelle ein räumlich relevant abweichender Zugstandort gemeldet wird, eine parallele Alarmierung von Einsatzkräften zu beiden Einsatzabschnitten durch die Leitstelle erfolgen soll.“
In Bezug auf die Umstände des Zugunglücks von 2023 schreibt Lena Heimers dann: „Dieser Punkt wurde als Sofortmaßnahme aufgrund des tragischen Zugunfalls vom 2. Februar 2023 in Recklinghausen aufgenommen und gemeinsam mit den Leitungen der Feuerwehren im Kreis Recklinghausen erörtert. Mit dieser Maßnahme soll durch umfangreiche Erkundung die Gefahr von Verzögerungen durch ungenaue Meldungen des Unfallortes minimiert werden.“
Ratschlag in der Dienstaufsichtsbeschwerde
Zur Erinnerung: Beim Zugunglück vom Februar 2023 war der Zug erst 500 Meter hinter der vermuteten Unfallstelle zum Stehen gekommen. Gesucht aber wurde nur an der vermuteten Unfallstelle. Gefunden wurden die beiden Kindern dann aber nur durch einen Zufall und eineinhalb Stunden später dort, wo der Zug zum Stillstand kam.
Daher hatte Dr. Elmar Segbers immer wieder kritisiert, dass man seinerzeit sofort sowohl an der vermuteten Unfallstelle als auch am Zug nach den Kindern hätte suchen müssen. In seiner Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Recklinghausens Feuerwehr-Chef Thorsten Schild, den Ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes im Kreis Recklinghausen, Oliver Weber, und den Ersten Beigeordneten der Stadt Recklinghausen, Ekkehard Grunwald, hatte Segbers am 17. Januar 2024 geschrieben:
„Ein Führungsvorgang mit korrekter Lageerkundung und Lagebeurteilung hätte zu dem richtigen Entschluss geführt, des notwendigen unverzüglichen Einsatzes von mehreren Suchtrupps (...) zugleich von den Haltestellen aus, inklusive Untersuchung des Zuges.“
Hätte man so gehandelt, wären die beiden Jungs viel schneller gefunden worden. Und genau dieses von Segbers angemahnte Vorgehen ist jetzt verbindliche Vorschrift im Kreis Recklinghausen. Die Änderung der Checkliste in diesem Punkt wurde „aufgrund des Zugunfalls“ vorgenommen, bestätigt Lena Heimers. Das sei im März 2024 geschehen.
Dieses Datum ist bemerkenswert, denn seine Kritik hatte Segbers bereits ab Februar 2023 geübt. Die scheint aber erst gefruchtet zu haben, nachdem unsere Redaktion am 8. März 2024 die beim Rettungseinsatz offenkundig gemachten Fehler öffentlich gemacht hatte.
Dass die Reform der Rettungsvorschriften durch die Kreisleitstelle dem Notarzt Dr. Segbers im Nachhinein recht geben, ist offensichtlich. Das bestätigt all jene, die sich dafür einsetzen, dass Dr. Segbers wieder auf seinen alten Arbeitsplatz zurückkehren darf. Die Online-Petition, in der genau das gefordert wird, haben inzwischen (24. Januar) 1.118 Menschen unterschrieben, darunter 572 aus Recklinghausen.