Weiß Merz wirklich, was die AfD will? EU-Austritt, Euro weg, Grenzen zu, Wehrpflicht

Weiß Merz wirklich, was die AfD will?: EU-Austritt, Euro weg, Grenzen dicht und Wehrpflicht
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Ulrich Breulmann

Wer stoppt Friedrich Merz? Spätestens seit Sonntag ist klar, wohin der CDU-Chef seine Partei führen will. Der von sich selbst extrem überzeugte Sauerländer marschiert stramm nach rechtsaußen, um eines nicht mehr fernen Tages mit der AfD eine Koalition rechts der Mitte zu bilden.

Das Risiko, dass die CDU an diesem Kurs zerbricht, nimmt Merz in Kauf. Irreparablen Schaden für Deutschland ebenso. Seit über 20 Jahren hadert er damit, dass Angela Merkel Anfang des Jahrtausends das CDU-Ruder an sich riss und 16 Jahre lang als Kanzlerin regierte. Angesichts der aktuellen Umfragewerte sieht Merz seine letzte Chance, ins Kanzleramt zu kommen, in einer Zusammenarbeit mit der AfD. Die will er nutzen: Macht vor Moral.

Im ZDF-Sommerinterview vom Sonntag dozierte er, die CDU könne zwar nicht auf Bundes- und Landesebene, wohl aber auf kommunaler Ebene mit der AfD zusammenarbeiten. Diese Äußerung war definitiv kein „Missverständnis“, wie Merz und einige seiner treuesten Gefährten am Tag danach glauben machen wollten.

Sie war eine bewusste Fortsetzung seines Anbiederungskurses an die AfD. Erst Tage zuvor hatte er die CDU als „Alternative für Deutschland mit Substanz“ bezeichnet. Schon das hatte Empörung ausgelöst. Merz ist ein Wiederholungstäter.

Beispielloser Sturm der Entrüstung

Es ist gerade zwei Wochen her, da hat Merz mit der Ernennung des Hardliners Carsten Linnemann zum Generalsekretär klargemacht, dass er in den Kampfmodus schaltet. Dann entfachte die Union eine Diskussion, ob man das individuelle Recht auf Asyl nicht ersetzen solle – ein unverhohlenes Signal an die AfD. Jetzt also das Sommerinterview.

Merz löste mit seiner Äußerung selbst in den eigenen Reihen einen beispiellosen Sturm der Entrüstung aus. Mit halbherzigen Relativierungen versuchte er danach, die Wogen zu glätten. Überzeugend war das nicht. Es erinnerte an DDR-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht am 15. Juni 1961: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“ Wir alle wissen, was zwei Monate später geschah. Ich würde keinen Cent darauf wetten, dass Merz eine Koalition mit der AfD ablehnen würde, wenn er nur selbst an die Macht käme.

Ausländerfeindlich, antisemitisch und demokratiefeindlich

Die jüngsten Merz-Äußerungen stehen im krassen Widerspruch zu dem, was er noch vor kurzem im Brustton der Überzeugung erklärt hat. Dezember 2021: „Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an.“ Januar 2022: „Alle Liebäugelei mit diesen Leuten führt für uns nur ins Elend.“ 4. Juni 2023: „Solange ich Parteivorsitzender der CDU bin, wird es keinerlei Zusammenarbeit mit dieser Partei geben.“ Die AfD sei ausländerfeindlich und antisemitisch. 23. Juni 2023: Die AfD ist „ein Feind der Demokratie.“

Jetzt also hält Merz eine Liebelei mit der AfD nicht für grundsätzlich ausgeschlossen. Als ob es auf kommunaler Ebene akzeptabel wäre, wenn eine Partei ausländerfeindlich, antisemitisch und demokratiefeindlich ist. Welch Ungeheuerlichkeit.

Nur ohne Merz kann die CDU eine Partei der Mitte bleiben

Ende Juni bezeichnete Merz nicht die AfD, sondern die Grünen, mit denen die CDU in sechs Ländern koaliert, „auf absehbare Zeit“ als „Hauptgegner“ der CDU. Klarer geht es kaum. Der Sauerländer verscheucht Scharen treuer CDU-Anhänger, die nichts mit der demagogischen AfD zu tun haben wollen.

Wenn sich jetzt nicht in der CDU eine klare Mehrheit gegen den Merz-Kurs durchsetzt, könnte das das Ende der CDU in ihrer bisherigen Form bedeuten. Die CDU kann nur eine Partei der Mitte bleiben, wenn Merz nicht länger das Sagen hat.

Worauf man sich mit der AfD einlassen würde

Allen, die jetzt grübeln, ob man nicht doch wenigstens lokal mit der AfD ein wenig kuscheln könnte, seien einige Forderungen aus dem AfD-Grundsatzprogramm in Erinnerung gerufen: Auflösung der EU oder Austritt Deutschlands. Abschaffung des Euro. Wiedereinführung flächendeckender Kontrollen an Deutschlands Außengrenzen, vollständige Schließung der EU-Außengrenzen; Annäherung an Russland inklusive dem Ende der Sanktionen; Wehrpflicht für Männer zwischen 18 und 25 Jahren; Erhöhung der Geburtenrate der „einheimischen Bevölkerung“ statt Zuwanderung; Abschaffung der Rundfunkgebühr und damit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Ende aller Klimaschutz-Maßnahmen, denn „Das Klima wandelt sich, solange die Erde existiert.“ Kein Ausbau der Windenergie. Ja zum Einsatz von Gentechnik in Medizin und Landwirtschaft.

Ob jeder weiß, worauf er sich einlässt, wenn er AfD oder die Merz-CDU wählt? Ich fürchte, nicht.

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