
© Martin Krehl
Nach NS-Aussage: Staatsschutz ermittelt gegen Historiker aus Holzwickede
Anzeige erstattet
Der Holzwickeder Ortshistoriker Wilhelm Hochgräber hat mit einer Parallele zwischen der NS-Zeit und dem Umgang mit Ungeimpften für viel Wirbel gesorgt. Jetzt hat er eine Anzeige wegen Volksverhetzung am Hals.
Ulrike Witschaß war bis Anfang dieser Woche Mitglied in der VHS-Gruppe „Spurensuche NS-Opfer in Holzwickede“. Jetzt hat sie hingeschmissen. Der Grund: eine kontroverse Äußerung, die der Gruppenleiter kürzlich öffentlich getätigt hat.
Bei einem Vortrag über Stolpersteinverlegungen sagte Wilhelm Hochgräber, dass er beim aktuellen Umgang mit Ungeimpften Parallelen zur NS-Zeit sieht. Witschaß will mit Hochgräber deshalb nicht mehr zusammenarbeiten. Für sie werden durch die Formulierung NS-Verbrechen, an deren Aufarbeitung jene VHS-Gruppe in Holzwickede immerhin arbeitet, eindeutig relativiert.
Doch Witschaß zieht sich nicht nur aus der Gruppe zurück. Sie vermutet, dass es sich gar um eine strafbare Äußerung handeln könnte und will den Fall prüfen lassen. „Ich war heute erst bei der Polizei und habe Anzeige erstattet“, sagte sie am Dienstag gegenüber unserer Redaktion.
„Er macht ein System schlecht, das die Bürger schützen möchte“
Ulrike Witschaß habe sich veranlasst gesehen, etwas gegen seine Äußerung zu unternehmen. Sie vermutet, dass die Aussagen Hochgräbers unter den Straftatbestand der Volksverhetzung fallen und vielleicht auch gegen andere Rechtsnormen verstoßen könnten.
Witschaß hält die NS-Parallelen jedenfalls für absolut unmöglich: „Er macht ein System schlecht, dass die Bürger schützen möchte“, findet sie und ist sicher: „Wenn er das in der NS-Zeit gesagt hätte, dann wäre ihm das Wort sicher entzogen worden. Auf welche Art will ich mir gar nicht ausmalen.“
Hochgräber äußerte sich zuletzt kurz nach seiner Rede zu dem Sachverhalt. Er erklärte, dass er keinen grundsätzlichen Vergleich zur NS-Zeit ziehen wollte, sondern schlichtweg bei der Ausgrenzung von Nichtgeimpften gewisse Parallelen sehen würde.
In seiner Rede begründete er das damit, dass die Rechte der Mehrheit seiner Meinung nach bei den Grundrechten aufhören. Ungeimpfte würden in der Pandemie zu Sündenböcken erklärt.
In der Zwischenzeit gab es viele Reaktionen aus unserer Leserschaft und aus der Lokalpolitik. Zwei Ratsmitglieder kritisierten nicht nur die Aussage Hochgräbers scharf, sondern auch die Tatsache, dass während seiner Rede niemand der Anwesenden reagiert hat. Auch Holzwickedes Bürgermeisterin Ulrike Drossel (BBL) wird bei der Kritik mit eingeschlossen. Der Vorwurf lautet: Sie habe sich nicht entschieden genug von der Äußerung abgegrenzt.
Nun werden die Ermittlungen aufgenommen. Auf Nachfrage erklärte eine Sprecherin der Polizeibehörde in Dortmund, dass eine entsprechende Anzeige in Unna aufgenommen wurde. Der Sachverhalt werde dann über die Polizei in Dortmund an den Staatsschutz weitergeleitet.
1993 in Hagen geboren. Erste journalistische Schritte im Märkischen Sauerland, dann beim Westfälischen Anzeiger in Werne. Spielt in seiner Freizeit gerne Handball und hört Musik.
