Missbrauchs-Vorwürfe: Essen benennt „Kardinal-Hengsbach-Platz“ um
Update 24.1., 16.30 Uhr: Die Stadt Essen benennt den „Kardinal-Hengsbach-Platz“ in der Nähe des Essener Doms wegen der Missbrauchsvorwürfe gegen den 1991 gestorbenen Geistlichen um. Das entschied der Haupt- und Finanzausschuss der Stadt am Mittwochnachmittag. Der Platz soll künftig „Friedensplatz“ heißen.
Die Umbenennung werde mit der Veröffentlichung im Amtsblatt rechtskräftig. Die Beschilderung werde dann „zeitnah geändert“, sagte eine Stadtsprecherin. In Abstimmung mit dem Bistum werde eine erklärende Tafel zur Umbenennung aufgestellt.
Der Gründungsbischof des Ruhrbistums und spätere Kardinal Hengsbach soll in seiner Zeit als Weihbischof in Paderborn in den 1950er Jahren eine 16-Jährige sexuell missbraucht haben. Außerdem beschuldigt eine Frau Hengsbach eines weiteren Übergriffs im Jahr 1967 in Essen.
Das Bistum hatte bereits Ende September vergangenen Jahres eine Skulptur von Hengsbach vor dem Dom abbauen lassen. Franz Kardinal Hengsbach war 33 Jahre lang der erste Bischof des 1958 gegründeten Ruhrbistums und zugleich Gründer des kirchlichen Hilfswerkes Adveniat.
Kardinal-Hengsbach-Platz: Stadt Essen plant Umbenennung
Meldung 20.9., 15 Uhr: Nach Bekanntwerden von Missbrauchsvorwürfen gegen den 1991 gestorbenen Essener Kardinal Franz Hengsbach will die Stadt den Kardinal-Hengsbach-Platz in der Innenstadt umbenennen. „Ich nehme die Anschuldigungen sehr ernst“, erklärte der Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen auf Anfrage. Das weitere Vorgehen der Stadt werde eng mit dem Bistum und dem Generalvikariat abgestimmt. „Klar ist aber auch, der Kardinal-Hengsbach-Platz in Essen wird so nicht mehr heißen können“, erklärte der CDU-Politiker.
Die Reforminitiative Maria 2.0 hatte die Umbenennung des Platzes in der Innenstadt nahe des Essener Doms gefordert. „Wir sind entsetzt, dass, obwohl die Vorwürfe schon sehr lange im Raum stehen, bis heute dazu öffentlich geschwiegen wurde“, teilte die Initiative mit, der nach eigenen Angaben bundesweit 100 Ortsgruppen angehören. Das Thema werde demnächst im Haupt- und Finanzausschuss des Stadtrates behandelt, sagte Kufen.
Die Bistümer Essen und Paderborn hatten am Dienstag über die Verdachtsfälle berichtet. Das Bistum Essen hatte mitgeteilt, dass der „gravierende“ Verdacht bestehe, Hengsbach (1910-1991) könnte in seiner Zeit als Weihbischof in Paderborn eine 16-Jährige sexuell missbraucht haben. Außerdem wird er eines weiteren Übergriffs 1967 in Essen beschuldigt. Die Untersuchungen laufen.
Betroffenensprecher: Das Hengsbach-Denkmal am Dom muss weg
Angesichts der Missbrauchsvorwürfe forderte auch ein Betroffenensprecher, das Denkmal des Geistlichen am Essener Dom zu entfernen. „Das Denkmal muss schnell verschwinden“, sagte der Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth, der Deutschen Presse-Agentur.
Außerdem solle das Bistum Essen mit einer Informationstafel an der Grablege des Bistumsgründers im Dom über die Missbrauchsvorwürfe informieren. Eine Umbettung Hengsbachs an einen anderen Ort lehne er dagegen ab. „Die Totenruhe gilt auch für mutmaßliche Missbrauchstäter“, sagte Norpoth.
Zu einem fairen Umgang gehöre auch eine öffentliche Entschuldigung der Amtsträger
Eine juristisch wasserdichte Beweisführung werde möglicherweise nach der langen Zeit kaum mehr möglich sein, sagte Norpoth. Die Kirche müsse aber auch bei einer plausiblen Bestätigung der Taten reagieren, forderte er. „Ich sehe im Moment keinen Grund dafür, an der Plausibilität der Vorwürfe zu zweifeln“, sagte der Betroffenenvertreter.
Zu einem fairen Umgang gehöre auch eine öffentliche Entschuldigung der Amtsträger, die Opfern bisher eine Anerkennung verweigert hätten. In dem Paderborner Fall waren die Vorwürfe der mutmaßlich Betroffenen 2011 als nicht plausibel eingestuft worden. Die junge Frau erhielt bisher kein Geld. In einer Mitteilung vom Dienstag sprach das Erzbistum aber bei dem Fall dieser Frau und in einem weiteren Fall von einem „berechtigten Anliegen“.
Mitte Juli hatte das Erzbistum im Paderborner Dom die neu gestaltete Krypta eröffnet. Dort steht jetzt auf Vorschlag von Missbrauchsbetroffenen eine Hinweistafel, die auf Fehlverhalten der beiden früheren Erzbischöfe Lorenz Kardinal Jaeger (1941-1973) und Johannes Joachim Kardinal Degenhardt (1974-2002) im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs durch Priester erinnert.
Kirchenrecht: Verdacht gegen Hengsbach besonders dramatisch
Bei den Missbrauchsvorwürfen gegen den 1991 gestorbenen Essener Kardinal Franz Hengsbach handelt es sich Kirchenrechtler Thomas Schüller zufolge um einen besonders dramatischen Fall. „Die Plausibilität scheint gegeben zu sein, sonst hätten die beiden Bistümer sich nicht an die Öffentlichkeit gewandt“, sagte der Experte aus Münster am Mittwoch im „Morgenecho“ auf WDR 5. Man könne „nur erahnen“, welche Angst die mutmaßlichen Opfer über Jahrzehnte geplagt hätten, bevor sie sich anvertraut hätten.
Schüller sagte, eine „Ikone“ sei vom Sockel gestoßen. „Man sieht die Fratze der katholischen Kirche.“ Es werde auch viele kritische Fragen geben, „was denn in Rom die Glaubenskongregation mit ihrer Disziplinarabteilung gemacht hat.“ Hier sehe man eine „viel zu späte Lernkurve.“
Der derzeitige Essener Bischof Franz-Josef Overbeck habe in einem „längeren Lernprozess“ verstanden, dass seine eigene Kirche nicht sachgerecht mit solchen Verdachtsfällen umgegangen sei, man eher den Tätern geglaubt habe, meinte der Kirchenrechtler. Overbeck habe sich für die Wahrheit entschieden: „Er geht damit ein Risiko ein. Er muss das Bistum danach zusammenhalten.“ Und: „Auf ihn kommen stürmische Zeiten zu.“
dpa/seh
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