Dr. Wiebke Selle leitet den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst des Kreises Recklinghausen. Der ist auch für die Schuleingangsuntersuchungen zuständig. Und die konnten wegen der Corona-Pandemie nicht wie geplant stattfinden.

Dr. Wiebke Selle leitet den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst des Kreises Recklinghausen. Der ist auch für die Schuleingangsuntersuchungen zuständig. Und die konnten wegen der Corona-Pandemie nicht wie geplant stattfinden. © Kreis RE / dpa

Wegen Corona: Kinder dürfen ohne Eingangsuntersuchung in die Schule gehen

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Im Kreis Recklinghausen konnten noch nicht alle geplanten Schuleingangsuntersuchungen durchgeführt werden. Dass sich Corona auf die Entwicklung der Kinder ausgewirkt hat, steht für Dr. Wiebke Selle fest.

Kreis Recklinghausen

, 19.07.2022, 10:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Mit der Einschulung beginnt für Kinder ein neuer, wichtiger Lebensabschnitt. Vorher werden sie noch schulärztlich untersucht. Eigentlich. Denn von den geplanten 6000 Schuleingangsuntersuchungen hat der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst des Kreises Recklinghausen in den vergangenen Monaten nur 4400 durchführen können. Der Grund: die Corona-Pandemie.

„Wir haben wirklich alles getan, was möglich war. Mehr ging nicht“, sagt Dr. Wiebke Selle, Leiterin des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes beim Kreis Recklinghausen.

Familien mussten Termine absagen

Wegen der Pandemie sei es immer wieder vorgekommen, dass Familien Termine absagen mussten – wegen Erkrankung oder Quarantäne. Auch im Team des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes selbst habe es Corona-Fälle gegeben, sodass Termine nicht durchgeführt werden konnten. Erschwerend sei hinzugekommen, „dass wir die Untersuchungstermine mit mehr Abstand auseinanderlegen mussten, um die Hygieneauflagen einhalten zu können“.

Die Folge: Nicht alle angehenden Grundschulkinder werden zum Schulstart untersucht worden sein. Eltern bräuchten deshalb aber nicht besorgt zu sein, sagt Selle: „Die Kinder können in dieser speziellen Situation auch ohne Schuleingangsuntersuchung in die Schule gehen.“

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Ist ein Kind bereit für die Schule? Um diese Frage geht es in der Schuleingangsuntersuchung, bei der Gesundheit und Entwicklungsstand des Nachwuchses eingeschätzt werden. „Durch diese Untersuchung soll vor allem festgestellt werden, ob ein Kind in irgendeinem Bereich besondere Förderung und Unterstützung benötigt“, heißt es vonseiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Gecheckt werden beispielsweise Gewicht und Körpergröße, das Seh- und Hörvermögen oder motorische Fähigkeiten. „Dazu gehört auch die Graphomotorik, also etwa das Malen“, sagt Selle. Weitere Themen: die Sprache, die selektive Aufmerksamkeit oder das Zählen und Mengenverständnis. „Dann sollen die Kinder beispielsweise entscheiden, wo mehr und wo weniger Bälle liegen“, sagt Selle.

Die Untersuchung macht den Kindern Spaß

Ihr ist es wichtig, dass Eltern ohne schlechtes Gefühl zur Untersuchung kommen. „Das standardisierte Verfahren, mit dem wir arbeiten, ist sehr kindgerecht, es macht den Kleinen sogar Spaß“, betont sie. Und es gehe auch überhaupt nicht darum, dass irgendwer irgendwo „durchfallen“ könne. „Vielmehr geben wir den Eltern im anschließenden Gespräch gegebenenfalls Tipps, wie sie ihre Kinder zu Hause spielerisch fördern können“. Oder man empfehle, nochmal den Kinderarzt aufzusuchen - um möglicherweise über Themen wie Ergotherapie oder eine logopädische Behandlung zu sprechen.

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Die Ergebnisse der Untersuchungen werden anonymisiert an das Landeszentrum Gesundheit in Bochum weitergegeben. „Das ist eine spannende Sache“, findet Selle. Weil man dort dann vergleichen könne - um beispielsweise eine Frage zu beantworten wie: Welche Auswirkungen hat Corona eigentlich auf die Entwicklung der Kinder?

Ergebnisse werden anonymisiert weitergegeben

Dass die Pandemie hier Spuren hinterlassen hat, steht für Selle fest. Um zu sagen, welche genau, sei es noch etwas früh. Schließlich gebe der Kreis seine Daten erst Anfang September weiter. Zudem führe der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst in den kommenden Wochen ja weitere Untersuchungen durch, zu denen man sich auch noch anmelden könne. Selle hat aber das Gefühl, dass beispielsweise die deutsche Sprachkompetenz bei Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund gelitten hat. Weil die Kleinen zeitweise nicht in Einrichtungen wie der Kita waren und zu Hause dann vor allem die Muttersprache gesprochen wurde.

Es gebe viele weitere Beispiele, die zeigten, wie wichtig die Vorschulerziehung sei. Wenn die Kinder in der Kita zum Malen angehalten würden oder über Klatschspiele das Zählen lernten, würden sie gut gefördert. Falle das phasenweise weg, habe das Folgen, die sich dann im Entwicklungsstand zeigten.

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Manche Eltern würden sich bei der Schuleingangsuntersuchung wünschen, dass ihr Kind noch mal „zurückgestellt“ wird, ein Jahr länger die Kita besucht - weil sie etwa die Sorge haben, es könne zu klein sein, zu zierlich, sich nicht durchsetzen. „Kinder ab sechs Jahre müssen aber in die Schule“, betont Selle. „Die Möglichkeit, dass wir eine Rückstellung empfehlen, besteht nur dann, wenn das Kind sonst über einen längeren Zeitraum nicht am Schulbetrieb teilnehmen könnte, etwa wegen einer schweren Erkrankung wie Leukämie.“ Die Entscheidung darüber würde aber letztlich nicht der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst des Kreises fallen - sondern immer der Leiter der jeweiligen Grundschule.

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