Der Skandal um die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger hat eine neue Debatte über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgelöst. 2022 war Schlesinger unter anderem wegen falscher Spesenabrechnungen fristlos entlassen worden.
Die Diskussion kommt nicht von ungefähr: Immerhin zahlen die Bundesbürger Jahr für Jahr Milliarden für ARD, ZDF und Co. Zugleich schwindet die Zahl der Menschen, die das traditionelle Fernsehen noch nutzen. Da stellt sich schon die Frage: Wofür geben die Sendeanstalten das viele Geld eigentlich aus?
Der WDR ist mit Abstand der größte Sender innerhalb der ARD. Er erhält auch den größten Anteil an den Gebühren, die über den „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“ (früher: Gebühren-Einzugs-Zentrale GEZ) eingezogen werden. Aktuell beträgt der Rundfunkbeitrag – offiziell wird er nicht mehr „Gebühr“ genannt – 18,36 Euro pro Monat. In der Regel zahlt man den Beitrag vierteljährlich. Dann sind es 55,08 Euro. Wir haben uns den WDR angesehen, haben Antworten auf Fragen gesammelt.
Wieviel Geld aus den Rundfunkbeiträgen erhält der WDR?
Im Jahr 2021 (die Zahlen für 2022 liegen noch nicht vor) kassierte der WDR aus den Rundfunkbeiträgen rund 1,235 Milliarden Euro. Hinzu kamen weitere Einnahmen in Höhe von 296 Millionen Euro. Insgesamt standen dem Sender mit seinem Hauptsitz in Köln damit rund 1,53 Milliarden Euro für ein Jahr zur Verfügung.
Wie haben sich die Einträge aus den Beiträgen / Gebühren entwickelt?
Zwischen 2012 und 2021 stiegen die Einnahmen aus den Zahlungen der Bürgerinnen und Bürger von 1,12 Milliarden Euro um 113 Millionen Euro. Das ist ein Anstieg um 10,1 Prozent.
Wie ist die Personalentwicklung beim WDR?
Beim Personal hat der WDR einen Schrumpfungsprozess durchgemacht. Die Zahl der Gesamtstellen sank von 4.194,2 um 398,7 auf 3.795,5 Stellen. Dabei wurden durchaus nicht überall Stellen gekürzt.
Der einzige Bereich, der zulegen konnte, war das Personal für „Rundfunk- und Verwaltungsrat, Intendanz, Rechtsabteilung, Personalrat und Redakteursvertretung“. Dieser Sektor wuchs von 172,8 auf 185,3 Stellen um genau 12,5 Stellen. Eine Zunahme von 7,2 Prozent.
Das Personal fürs eigentliche Programm, also vor allem Redakteurinnen und Redakteure, wurde dagegen um 118,5 Stellen auf 1.424,9 Stellen gekürzt. Ein Rückgang um 7,7 Prozent. Auch bei Produktion und Technik wurde gespart. Gab es hier 2012 noch 741,9 Stellen, sind es 2021 genau 727,3 Stellen.
Wie hoch ist das Gehalt von Intendant Tom Buhrow?
Insgesamt erhielten die Mitglieder der WDR-Geschäftsführung im Jahr 2021 Gehälter und andere Zuwendungen von 1.796.000 Euro. Das Gehalt von Intendant Tom Buhrow (64) lag 2021 bei 424.300 Euro. Kein Intendant eines anderen ARD-Senders kommt auch nur annähernd auf ein ähnlich hohes Gehalt. Das zweitmeiste Gehalt erhält Kai Gniffke, Intendant des SWR: 361.000 Euro.
Das Gehalt von Tom Buhrow liegt damit deutlich über den Bezügen von ZDF-Intendant Norbert Himmler (372.000 Euro) und Bundeskanzler Olaf Scholz (rund 362.000 Euro). Andererseits liegen seine Bezüge auch weit unter den Gehältern, die beispielsweise die Chefs der Sparkasse Dortmund (750.000 Euro), der DSW21 (561.000 Euro) und des Flughafens Dortmund (464.000 Euro) im Jahr 2021 bezogen haben.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst muss sich übrigens mit einem im Vergleich zu Tom Buhrow geradezu mickrigen Gehalt von 247.800 Euro zufrieden geben.
Die übrigen fünf Mitglieder der WDR-Geschäftsführung erhielten 2021 Jahresgehälter zwischen 256.900 und 275.900 Euro.
Wie hoch sind die für den Intendanten gebildeten Pensionsrückstellungen?
Für Tom Buhrow waren Ende 2021 Pensionsrückstellungen von insgesamt 4,143 Millionen Euro angesammelt worden. Allein im Jahr 2021 flossen 597.000 Euro in die Pensionskasse Buhrow. Für seine Stellvertreter sind ebenfalls Millionensummen für die Pension angehäuft worden: Wolfgang Wagner 3,24 Millionen Euro, Jörg Schönenborn 3,17 Millionen Euro und Eva-Maria Michel 2,8 Millionen Euro.
Wie viele Studios betreibt der WDR in Nordrhein-Westfalen?
Der WDR unterhält in Nordrhein-Westfalen 11 Studios, davon mit Duisburg, Essen und Dortmund allein drei Studios im Ruhrgebiet. Hinzu kommen fünf Regionalbüros.
Auf unsere Frage, warum es denn so viele Standorte gebe, antwortet der WDR unter anderem: „Die elf Landesstudios des WDR sind das Herzstück unserer regionalen Berichterstattung. Diese gehört zum gesetzlichen Programmauftrag des WDR.“ Das landesweite Fernsehprogramm „inklusive der regionalen Auseinanderschaltungen mit Schwerpunkt auf Information über Themen aus dem regionalen Sendegebiet“, seien dabei eine Kernaufgabe des WDR.
So solle der „regionalen Gliederung, der kulturellen Vielfalt des Sendegebiets, dem Prozess der europäischen Integration und den Belangen der Bevölkerung“ Rechnung getragen werden.
Was genau leisten die elf Landesstudios und fünf Regionalbüros?
Auf diese Frage antwortet das WDR: „Die Landesstudios produzieren für die jeweiligen Sendegebiete die Lokalzeit im Fernsehen, die Lokalzeit auf WDR 2 und bestücken die digitalen Kanäle der Sendungen. Außerdem beliefern sie die landesweiten aktuellen Sendungen im WDR-Fernsehen, die Radiowellen und wdr.de; bei überregionalen Themen auch die gesamte ARD.“ Dabei sei die Lokalzeit im Fernsehen die reichweitenstärkste Sendung im WDR Fernsehen.
Im WDR-Geschäftsbericht werden 7 ARD-Auslandsstudios plus das Hauptstadtstudio in Berlin aufgelistet. Alles auf Kosten des WDR?
Nein, erläutert der WDR auf Anfrage, und verweist auf mehr als 30 Auslandsstudios, die für die gesamte ARD berichten. Die Betreuung der Auslandsstudios ist auf die Landesrundfunkanstalten der ARD verteilt und wechselt zum Teil turnusmäßig. Im Jahr 2021 war der WDR federführend beteiligt an den Studios New York, Brüssel, Paris, Warschau, Moskau, Washington und Nairobi. Zudem ist der WDR auch beteiligt am Hauptstadtbüro in Berlin, das von allen ARD-Landesrundfunkanstalten gemeinsam getragen wird.
Aktuell schichte der WDR aus journalistischen Gründen für die Berichterstattung aus der Ukraine Kapazitäten um und richte ein neues ARD-Studio im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew ein. Bislang gehörte die Ukraine zum Berichtsgebiet des ARD-Studios Moskau, das derzeit in seiner Berichterstattung eingeschränkt ist.
Wieviel Stunden senden die Hörfunkprogramme des WDR pro Tag?
Der WDR beschickt sechs Hörfunkprogramme: 1Live, WDR2, WDR3, WDR4, WDR5 und WDR Cosmo. Pro Tag werden 145,3 Stunden Hörfunk gesendet. Dabei bestehen 58,9 Prozent aus Musik, 24,1 Prozent aus Service und Unterhaltung sowie 15,1 Prozent aus Kultur und Bildung.
38 Prozent aller Hörfunkzeiten werden mit Erstsendungen gefüllt. Der Rest besteht aus Musik, Übernahmen von anderen ARD-Anstalten und Wiederholungen.
Wieviel Fernsehen sendet der WDR täglich?
Im Schnitt sind das 36,8 Stunden am Tag. Dabei ist zu beachten, dass der WDR nicht nur das Dritte Programm füllt, sondern auch einen Anteil von 24,3 Prozent an den Sendezeiten der ARD leistet.
Interessant ist, dass Erstsendungen einen Anteil von 31,4 Prozent am Fernsehprogramm des WDR ausmachen. 58,4 Prozent der Sendezeiten bestehen aus Wiederholungen.
Bei Großveranstaltungen im Ausland, wie der Beisetzung von Queen Elisabeth, schicken da alle ARD-Sender eigene Teams nach London?
Nein, teilt auf Anfrage ein Sprecher der Geschäftsführung der ARD mit und nennt als Beispiel Details zur Berichterstattung über die Bestattung der Queen. Der NDR betreibe das ARD-Studio in London und sei daher für die crossmediale ARD-Berichterstattung aus Großbritannien zuständig. „Im Korrespondentenbüro für den Hörfunk sind derzeit neben dem NDR-Korrespondenten auch jeweils eine Korrespondentin von BR und SWR beschäftigt“, so die ARD.
Während der zehntägigen Trauerphase für die Queen im September sei das Studio London durch jeweils einen Journalisten für Radio und das Fernsehen, einen Videojournalisten und sieben Technikkräfte ergänzt worden.
Alle Landesrundfunkanstalten hätten die Angebote des Studios London für die Berichterstattung zur Beisetzung der Queen genutzt. Der WDR habe zu den Feierlichkeiten zusätzlich eine Journalistin für den WDR-Newsroom entsandt.
Was ist nochmal der genaue Auftrag des WDR?
Zum Schluss nochmal die Grundsatzfrage. Beantwortet wird sie im Paragraph 26, Abschnitt 1 des Medienstaatsvertrages, der früher Rundfunkstaatsvertrag hieß. In der aktuell gültigen, am 30. Juni 2022 in Kraft getretenen Fassung heißt es, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Aufgabe haben „als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen.“
Sie sollen mit ihren „Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen“ geben. Und weiter: „Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.“