Wenn das Original eine leichtfüßige Verwechslungskomödie ist, wo Geschlechterklischees Parade laufen, wenn im elisabethanischen Theater Männer Frauen spielten, die sich als Mann verkleiden, kann man das verstärken, ohne dem guten alten Shakespeare übermäßig Gewalt anzutun.
Aus diesem Gedanken heraus hat Regisseur Paul Spittler dem Klassiker „Was ihr wollt“ einen forschen Dreh in unsere genderfluide Zeit verpasst. Dazu bringt seine Inszenierung fürs Dortmunder Schauspiel den Aberwitz des Stückes noch intensiver zum Tanzen und die Figuren gleich mit, wie die stark beklatschte Premiere am Samstag zeigte.
Klimakleber und Dubai-Reisen
Dass die Texte des Narren (wunderbar: Antje Prust) von Laura Naumann neu geschrieben wurden und nun voll Modernismen und Zeitgeistverweisen stecken (Dubai-Reise, Delfintrainer-Workshop, Klimakleber) mag denen aufstoßen, die das als mutwillig übergestülpt empfinden.
Wirklich irritieren können die schnippischen Exkurse ins Jetzt nicht. So wenig wie das Stilmix-Triptychon aus Marmor-Springbrunnen, Kühlschrank und (goldenem) Wäscheständer mit pinken Dessous, den Nicole Marianna Wytyczak (Bühne und Videodesign) als Palast-Interieur aufbietet, neben projizierter Dekormalerei aus Mittelalter und Jugendstil.

Schauplatz des turbulenten Reigens sind zwei Paläste voller Narren. Deppen, eitle Pfaue, verliebte Hanswürste tummeln sich dort.
Fast jeder eine lächerliche Gestalt. Einzig der Narr reflektiert das Geschehen und stößt immer wieder zur Meta-Ebene durch. Die anderen sind gefangen in ihrem Verlangen, ihrer Stellung bei Hofe oder schlicht ihrer Blödheit.
Grölendes Feierbiest
Größter Vollpfosten ist Adi Hrustemovics Sir Andrew, ein strunzdoofer Gockel von Ritter. Mit Bierdose bewaffnet gibt Hrustemovic das grölende Feierbiest. Wenn er sich aufpumpt, wird er zur launigen Karikatur alkoholisierter Machos und fährt viele Lacher ein. Nika Miskovic gibt seinen Trinkkumpan Sir Toby.
Den liebeskranken Herzog Orsino im Morgenmantel spielt Raphael Westermeier. Objekt seiner Begierde ist Gräfin Olivia (Linda Elsner), die ihm die kalte Schulter zeigt, aber für Viola alias Cesare (gut: Viet Anh Alexander Tran) entflammt. Die ist in Orsino verschossen.
Szenenapplaus für Freye
Ekkehard Freyes Malvolio erntet Szenenapplaus, als er frohlockt, er habe bei Olivia einen Stein im Brett. Irrtum, Maria (Sarah Quarshie) führt ihn an der Nase herum. Alexander Darkow spielt den Liebhaber von Cesares totgeglaubtem Bruder, Antje Prust meistert alle Tonartwechsel des Narren.
Sie tanzen in tollen Kostümen von Thomas Unthan, zu einer Musik, die Elektrobeat mit Barock-Trompeten paart. Queere Comedy total, sehr unterhaltsam, nichts für Freunde von Werktreue.
Termine: 11. / 12. 11., 9. / 15./ 31. 12., 7.1.; Karten: Tel. (0231) 502 72 22 oder Theater Dortmund
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