Die Corona-Warn-App, hier eine Vorschau, ist seit Dienstag (16. Juni) zum Download freigeschaltet.

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Corona-Warn-App: IT-Experte rät zum Download

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Der digitalpolitische Aktivist und IT-Experte Henning Tillmann aus Kamen hat die Corona-Warn-App unter die Lupe genommen. Er hält sie für unbedenklich und rät zur Installation. Wunder seien aber nicht zu erwarten.

Kreis Unna

, 16.06.2020, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die deutsche Corona-Warn-App beschäftigt Henning Tillmann von Anfang an. Mit anschaulichen Erklärungen des neuen digitalen Instruments zur Kontaktverfolgung hat sich der Diplom-Informatiker aus Kamen nicht nur bei Nerds und in der Digitalszene einen Namen gemacht – egal ob auf seinem eigenen Twitter-Kanal, in Interviews mit Youtubern, als Gastautor bei „Zeit online“ und im Gespräch mit dem ZDF. Der selbstständige Software-Entwickler und ehrenamtliche Vize-Vorsitzende des Zentrums für digitalen Fortschritts (D64) in Berlin ist ein gefragter Experte.

Kontaktverfolgung

So funktioniert die Corona-Warn-App

  • Die Corona-Warn-App erfasst, welche Smartphones einander nahe kommen. Dazu tauschen die Geräte via Bluetooth zufällig erzeugte Zeichenfolgen als Schlüssel aus. Die folgende Erklärung stammt von Henning Tillmann.
  • Auf jedem Gerät wird ein Tagesschlüssel generiert. Dieser wird nicht mit anderen Geräten getauscht. Alle ca. 15 Minuten wird, ausgehend vom Tagesschlüssel, ein Kurzschlüssel generiert. Dabei gilt: Man kann aus dem Tagesschlüssel den Kurzschlüssel bilden, nicht umgekehrt.
  • Wenn zwei Geräte für eine gewisse Zeit einen definierbaren Schwellwert bei der Signalstärke überschreiten, werden nur die Kurzschlüssel untereinander ausgetauscht und der ungefähre Zeitpunkt vermerkt.
  • Wenn Person A positiv getestet wird, kann er dies in der App vermerken. Gleichzeitig muss er das Testergebnis belegen, z. B. durch einen Scan eines QR-Codes vom Gesundheitsamt. Dann werden die Tagesschlüssel der letzten Tage von Person A an den Server der lokalen Corona App hochgeladen. Wer sich hinter einem Tagesschlüssel als Person verbirgt, bleibt dem App-Anbieter unbekannt, wenn sie sich an die Regeln halten.
  • Der App-Anbieter verteilt mehrmals am Tag an alle Nutzer die Liste an Tagesschlüsseln, die positiv getestet wurden.
  • Das Smartphone prüft, ob sich aus der Tagesschlüssel-Liste ein Kurzschlüssel generieren lässt, mit der man in den letzten Tagen Kontakt hatte. Wenn ja, erscheint eine Meldung mit dem ungefähren Zeitpunkt des Kontakts. Diese Person B sollte dann bevorzugt getestet werden.
Quelle: Henning Tillmann

Datenschutz als Herausforderung

Noch bevor Deutschland eine eigene Version in Auftrag gab, verfolgte Tillmann die Erfahrungen anderer Länder. Der digitalpolitische Aktivist war alarmiert durch Mängel beim Datenschutz. Doch wie kann eine App nachträglich Menschen warnen, die im Kontakt zu einem Infizierten standen, aber gleichzeitig die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte von Bürgern schützen?

Keine bösen Überraschungen im Quellcode

Tillmann hat die Entwicklung der offiziellen deutschen Corona-App genauso intensiv und kritisch verfolgt wie andere netzpolitische Themen. Er gibt Entwarnung, weil er keine „bösen Überraschungen“ im öffentlichen Quellcode entdeckt hat. Eine heimliche Überwachung ist demnach ausgeschlossen.

Die Anwendung, die am Dienstag (16. Juni) präsentiert werden soll, wurde von SAP und der Deutschen Telekom entwickelt – auf Basis von Schnittstellen von Apple und Google. Das Ziel: Millionen Menschen installieren die App und helfen, Infektionsketten nachzuverfolgen (hier geht es zum Download für iOS und Android).

Experte empfiehlt die Installation der Corona-Warn-App

Würde Tillmann die App auf seinem Smartphone installieren? „Ja, und ich kann die Installation ausdrücklich empfehlen“, erklärt er. „Datenschutzrechtlich ist die App absolut unbedenklich. Ein Zugriff auf personenbezogene Daten liegt nicht vor. Auch GPS-Informationen werden nicht abgefragt. Die Nutzung der App ist freiwillig und sie kann auch jederzeit deinstalliert werden.“

Wer überlegt, die App zu benutzen, fragt sich vielleicht, ob sie den Akku des Smartphones schneller leersaugt. Tillmann meint, die App sei „durch die Nutzung der Bluetooth Low Energy Technologie batterieschonend und fällt nicht sonderlich negativ bei der Akkulaufzeit auf“.

Henning Tillmann

Henning Tillmann © Björn Bernat

„Ja, ich kann die Installation ausdrücklich empfehlen.“
Henning Tillmann

App ersetzt keine Abstandsregeln

Abstandsregeln und Mund-Nasen-Schutz bleiben weiterhin wichtig. Der Experte warnt davor, sich allein auf die App zu verlassen, weil Fehlalarme nicht ausgeschlossen sind.

„Die App kann bei der Bekämpfung der Pandemie helfen, indem man informiert wird, wenn man Kontakt mit einem Covid-19-Infizierten hatte, der die App ebenfalls nutzt. Die Warnmeldung erfolgt anonym“, erklärt Tillmann.

„Wie viel die Corona-Warn-App allerdings hilft, kann niemand vorhersagen, da es sich um eine neue Nutzung der Bluetooth-Technologie handelt. Man sollte daher keine Wunder erwarten – aber auch kleine Schritte nach vorn sind viel wert. Insbesondere im Herbst und Winter, wenn Menschen sich vermehrt wieder in Räumen aufhalten und eine zweite Welle drohen könnte.“

Die Corona-Warn-App zum Download: für Apple iOS | für Android