Die Alternative für Deutschland hat bei der Europawahl kräftig zugelegt, ist bundesweit hinter der Union zweitstärkste Kraft (15,9 Prozent) geworden und wird mit 15 Abgeordneten ins neue Parlament einziehen. Im Osten liegt die AfD sogar mit großem Vorsprung auf Platz eins (29,2 Prozent) – und das trotz der Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah und die Nummer zwei auf der Europawahl-Liste, Petr Bystron.
Die Gründe für die Wahlentscheidung der AfD-Wählerinnen und -Wähler werden in einer Nachwahlbefragung des Umfrageinstituts Infratest Dimap für die ARD deutlich. Demnach gaben 82 Prozent der befragten AfD-Wählenden an, dass es ihnen egal sei, dass die Partei in Teilen als rechtsextrem gilt, solange sie die richtigen Themen anspricht. 90 Prozent finden es gut, dass es mit der AfD eine Partei gibt, die die EU grundsätzlich verändern will. Und 95 Prozent gaben an, dass sie es befürworten, dass die AfD den Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen stärker begrenzen will.
Zuwanderung war für die AfD-Wählerinnen und -Wähler laut der Umfrage das mit Abstand wichtigste Thema für die Wahlentscheidung. Das gaben 46 Prozent der Befragten an (2019: 35 Prozent). Für 17 Prozent war die Friedenssicherung der stärkste Grund, die AfD zu wählen (2019: 7 Prozent). Für 15 Prozent war das die soziale Sicherheit (2019: 17 Prozent) und für 12 Prozent das Wirtschaftswachstum (2019: 2 Prozent).
Anteil der Protestwähler geht deutlich zurück
Einen entscheidenden Anstieg im Vergleich zur vorherigen Europawahl verzeichnete die AfD der Umfrage zufolge bei denjenigen Menschen, die von der Politik der rechten Partei überzeugt sind. Jeder Zweite gab an, die AfD aus Überzeugung gewählt zu haben (51 Prozent) – 2019 waren das nur 37 Prozent. Im Umkehrschluss nahm die Zahl derjenigen AfD-Wählenden stark ab, die die Partei aus Protest beziehungsweise aus Enttäuschung über die anderen Parteien gewählt haben (44 Prozent). Bei der vergangenen Europawahl war das mit 59 Prozent noch die klare Mehrheit.
Obwohl bei der Europawahl vor allem europäische Themen im Fokus standen, gaben 72 Prozent der AfD-Wählenden an, sich wegen der Bundespolitik für das Kreuz bei der rechten Partei entschieden zu haben (2019: 61 Prozent). Nur 19 Prozent der Befragten wählten die AfD wegen ihrer Europapolitik (2019: 27 Prozent).
Sorge über zunehmende Kriminalität und Fremde
Nach ihren größten Sorgen gefragt, sind sich die meisten AfD-Wählerinnen und -Wähler laut der Infratest-Dimap-Erhebung einig: 96 Prozent gaben an, dass sie sich große Sorgen machen, dass die Kriminalität künftig massiv zunimmt. Es folgt die Sorge, dass zu viele Fremde nach Deutschland kommen (95 Prozent). Fast genauso viele fürchten, dass der Einfluss des Islam in Deutschland zu stark wird (94 Prozent). Neun von zehn AfD-Wählerinnen und AfD-Wählern sorgen sich zudem, dass sich das Leben in Deutschland zu stark verändern wird. 86 Prozent der Befragten befürchten, dass man bei Meinungen zu bestimmten Themen ausgegrenzt wird. Etwas weniger Befragte sorgen sich darum, dass sie ihren Lebensstandard nicht mehr halten können (78 Prozent). Und drei von vier AfD-Wählenden geht die Unterstützung der Ukraine zu weit. 76 Prozent glauben, dass sie Deutschland schadet.
Parteichef Chrupalla: Ergebnis für AfD „historisch“
AfD-Chef Tino Chrupalla nannte das Ergebnis seiner Partei bei der Europawahl „historisch“. „Wir sind im Osten bei dieser Wahl jetzt stärkste Kraft, mehr Rückenwind gibt‘s ja nicht“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September.
In vielen EU-Staaten, darunter Deutschland, war bereits vor der Wahl ein Plus für rechte Parteien erwartet worden. So hatten Umfragen die AfD zwischenzeitlich bei mehr als 20 Prozent gesehen. Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah und die Nummer zwei auf der Europawahl-Liste, Petr Bystron, brachten die Partei aber in Schwierigkeiten. Beide gerieten wegen möglicher Verbindungen zu prorussischen Netzwerken in die Schlagzeilen, im Fall Krah geht es zudem um mögliche China-Verbindungen. Am Montag erfuhr das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), dass die neuen AfD-Europaabgeordneten Krah nicht in die Delegation aufnehmen wollen.
Gegen Bystron wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Geldwäsche ermittelt. Krah, seit 2019 Europaabgeordneter, erntete zuletzt massive Kritik für verharmlosende Äußerungen über die SS, die sogenannte Schutzstaffel der Nationalsozialisten. Der Bundesvorstand der AfD forderte Krah daraufhin auf, im Wahlkampf nicht mehr aufzutreten. Die rechte Fraktion ID (Identität und Demokratie) im Europaparlament schloss als Konsequenz alle deutschen AfD-Abgeordneten aus.