Helmut Kaczmarek hält Momente fest, die man normalerweise nicht zu sehen bekommt. Wie eine Meisen-Mama auf ihren Eiern sitzt und sie dreht. Wie sich das Muttertier auch mal streckt, hinausfliegt, um sich die „Füße zu vertreten“, besser gesagt, die Federn auszubreiten. Wie sie den Kot ihres Nachwuchses entsorgt. Wie der Meisen-Mann Futter für sie bringt. Dieses ist mal gelb, mal grau-grünlich, mal dunkelbraun. Darunter sind Raupen, Würmer und Spinnen. Helmut Kaczmarek, der Jahrzehnte in Dortmund lebte und der Liebe zu Annette Becker wegen nach Waltrop zog, begleitet seit 20 Jahren Meisen beim Brüten.

Mit einer kleinen Go-Pro-Kamera, die im Deckel des Brutkastens steckt - und durch das Licht einer kleinen Taschenlampe - hält er seit vielen Jahren das Geschehen in seinem selbstgebastelten Brutkasten fest. Ein Video, das er 2016 auf Youtube gestellt hatte, wurde bis heute 1,7 Millionenfach angeklickt. „Es kam noch besser. Es gibt zwei Museen, die mir Szenen daraus abgekauft haben. Jenes in Dortmund spielt sie auf einem Mini-Monitor in einem Brutkasten vor. Dann können sich die Besucher einen Eindruck davon machen, wie es dort drin aussehen würde, wenn jener bewohnt wäre“, erklärt der 72-Jährige, der 30 Jahre für die Werkfeuerwehr von „Thyssen“ gearbeitet hat und als freier Mitarbeiter auch für diese Redaktion tätig ist.

In den vergangenen drei Jahren hatten sich mögliche Bewohner für andere „Immobilien“ entschieden, Helmut Kaczmareks Brutkasten blieb leer. Dann, am Mittwoch, 13. März, flog ein Paar dann doch die Küchen-Fensterbank am Nordring an. „Zuerst testeten sie mit dem Schnabel wohl die Stabilität des Kastens“, vermutet der Laien-Ornithologe. Mit „Vogel-Profis“ habe er noch nie Kontakt aufgenommen. Dann begann das Kohlmeisen-Pärchen mit der Innenausstattung. Zunächst gab es grobes Material. „Das ist wirklich spannend zu beobachten. Entweder sind sie jung oder doof. Sie nahmen einen kleinen Ast quer in den Schnabel und ‚wunderten‘ sich dann, dass sie ihn nicht durch das kleine Loch bekommen. Nach einer Zeit hatten sie es kapiert und ließen ihn einfach hineinfallen“, erzählt Helmut Kaczmarek amüsiert.
Zudem habe er Moos, Federn und Tierhaare in dem Nest entdeckt.

Helmut Kaczmarek lässt auch in einer Waltroper Gruppe auf Facebook andere Menschen teilhaben an seinen ganz besonderen Aufnahmen. Unter der Überschrift „Neues von den Nordringmeisen“ bringt er die Menschen auf den neuesten Stand. Launisch schreibt er dort: „Am Anfang des kleinen Films sieht man, wie die Frau Meise noch mal kurz in der Wolli war und etwas Nestmaterial eingekauft hat.“ Bei der Lektüre der Kommentare scheint auch der 72-Jährige dahinzuschmelzen. Denn dort steht unter anderem: „Ich kann mich gar nicht sattsehen. Bitte weiter so. Wunderbare Kameraführung und Tongebung.“ Eine andere Userin schreibt: „So schön, könnte ewig zusehen.“
Gespanntes Warten auf das Schlüpfen
Mittlerweile brütet das Weibchen schon so lange, dass der Waltroper täglich damit rechnet, dass der Nachwuchs schlüpft. Das ist der nächste Schritt, auf den sich Helmut Kaczmarek sehr freut. Wie beeindruckend es ist, wenn die Mutter dann mit dem von Vater Meise gebrachten Futter „spiele“, ihnen das Futter immer vorhalte, es dann aber erst beim dritten, vierten Mal dann auch tatsächlich gibt, imponiere ihm. „Ich gehe davon aus, dass sie ihren Nachwuchs damit erziehen will.“
Und dann wird er wieder neben vielen eindrucksvollen Videos auch viele tolle Bilder machen. Gerne auch mit einem „400er“-Objektiv mit der Lichtstärke 2,8 aus der Entfernung. Oder eben mit der Makro-Einstellung, wenn er ganz nah dran ist.
Und das tolle Erlebnis direkt vor dem eigenen Küchenfenster könnte womöglich noch in die zweite Runde gehen. „In einem Jahr wurde hierin zweimal gebrütet.“ Dann ist Helmut Kaczmarek in diesem Jahr vielleicht wieder Herbergsvater von noch weitaus mehr Meisen.

Update Samstag, 20.4.: Nur wenige Stunden nach dem Besuch der Redaktion bei Helmut Kaczmarek ist das erste Küken geschlüpft.
