Die Filialleiterin wird in diesem Bericht auf ihren Wunsch hin nicht mit Namen genannt. „Ich habe Angst. Er weiß nicht, wo ich parke und wo ich wohne. Und das muss so bleiben“, sagt sie.
Im Sommer 2021 war ihr der Mann zum ersten Mal unangenehm aufgefallen. Und ab November 2021 fehlte dann immer ein Produkt, nachdem er das Geschäft verlassen hatte - ohne zu bezahlen. „Wenn er den Laden betritt, geht er immer direkt auf die rechte Seite zu den Herrendüften.“ Da war der Moment gekommen, dass dem Mann ein Hausverbot ausgesprochen und die erste Anzeige gestellt wurde.
Zwei- bis dreimal in der Woche im Laden
„Davon lässt er sich aber nicht abschrecken. Er kommt im Schnitt zwei-, dreimal die Woche in den Laden“, erzählt die Filialleiterin. „Er lotet dann aus, welche Verkäuferin im Laden ist. Vor allem, wenn er sie nicht kennt, öffnet er die Tür.“ Mittlerweile hätten auch Geschäftsleute auf der anderen Seite der Fußgängerzone ein Auge auf die Parfümerie. „Wenn der Mann mal wieder nicht gehen will, kommen sie rüber und helfen. Gerade auch dann, wenn eine Kollegin in der Mittagspause ist.“ Mittlerweile sei ein Schaden in fünfstelliger Höhe entstanden.
„Jedes Mal rufe ich die Polizei. Bis diese aus Datteln hier ist, dauert es verständlicherweise. Wenngleich sie sich sehr bemühen“, dankt die Filialleiterin.
Während des Besuchs der Redaktion ruft eine Mitarbeiterin: „Da ist er!“ Zielstrebig geht sie auf die Ladentür zu, der Mann dreht ab, verschwindet nach links, biegt dann in den Verbindungsweg zur Isbruchstraße ein.
Mehr als 30 Vorfälle habe sie bereits zur Anzeige gebracht. Wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs. Und im Weihnachtsgeschäft 2023 erfuhr der Kontakt mit diesem Mann eine neue „Qualität“. „Da hat er mich geschubst und angespuckt“, erzählt sie angewidert. Es folgte eine Anzeige wegen Körperverletzung - wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als der Mann bereits seit mehr als einem Jahr Hausverbot hatte.

Die Filialleiterin nennt noch zwei weitere Personen, die zuletzt sehr unangenehm aufgefallen seien: „Einer stellt uns immer Umverpackungen von Parfüms ins Regal, die wir aber nicht führen.“ Er reagiere sehr unangenehm, wenn sie ihn darauf anspreche. Auffällig sei zudem ein Mann, der regelmäßig die Parfümerie betrete, sich einsprühe und wieder gehe. „Für das beschauliche Waltrop ist das schon der Hammer“, sagt die Filialleiterin.
„Warum läuft der noch frei rum?“
Alles andere als ein schönes Gefühl seien zudem Begegnungen in der Fußgängerzone mit dem Mann, dem sie Hausverbot ausgesprochen habe. „Dann grinst er mich frech an“, erzählt sie und schüttelt sich.
Am Anfang sei sie sehr wütend gewesen, habe impulsiv reagiert. „Wenngleich es sehr unangenehm ist, wenn das Geschäft voll ist und ich im Kundengespräch bin und laut rüberrufen muss, wenn er dennoch die Parfümerie betritt.“ Mittlerweile, rund 30 Anzeigen später, sagt sie: „Es ist einfach nur unverständlich, dass das so weitergeht. Warum läuft der noch frei rum?“
Die eine Antwort auf diese Frage gibt es nicht, wie diese Redaktion bei der Recherche herausgefunden hat. Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Bochum bestätigt die Vorfälle; die meisten Verfahren seien wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden. Eine Maßnahme könne die Einweisung in eine Psychiatrie sein, doch dafür müsse eine „Erheblichkeitsschwelle“ erreicht werden. Eine „angeordnete Unterbringung“ wäre zudem nur dann möglich, wenn „erhebliche, rechtswidrige Taten drohen“, heißt es weiter von der Staatsanwaltschaft. Man rate, den Mann bei jedem rechtswidrigen Verhalten anzuzeigen.
Auch bei der Polizei sei die „Problematik“ bekannt, wie es von der Pressestelle heißt. „Wir haben absolutes Verständnis für die Sorge der Filialleiterin“, sagt Annette Achenbach. „Es ist richtig, jedes Delikt anzuzeigen. Daher lautet unser Appell: Wenn Geschäftsleute einen Diebstahl bemerken, wenn Passanten aggressiv angebettelt werden, sie sich bedroht fühlen - rufen Sie sofort die 110 an. Wir verdrehen auch nicht die Augen. Anzeigen, anzeigen, anzeigen. Dann können wir akut was machen“, betont Annette Achenbach.

Auch Martin Voskort, dem Leiter des Waltroper Ordnungsamtes, sind die Vorfälle natürlich bekannt. „Man muss die Angelegenheit differenziert betrachten. Was die Diebstähle betrifft, müssen diese angezeigt werden, um eine Aktenlage für die Staatsanwaltschaft zu schaffen.“ Inhaltlich dürfe sich Voskort zu diesem Mann nicht äußern, der Ordnungsamtsleiter erklärt mögliche Maßnahmen seiner Behörde im Allgemeinen: „Wenn Passanten aggressiv angebettelt werden, brauchen wir diese Info. Dann fahren wir raus, doch meistens ist derjenige dann aber weg. Sonst haben wir die Möglichkeit, einen Platzverweis auszusprechen, doch diese Maßnahme ist zeitlich begrenzt. Dann kommt es zu einer Anhörung, ein Bußgeld wird erhoben.“
Aufenthaltsverbot kann nicht durchgesetzt werden
Würde das Bußgeld nicht gezahlt werden, könnte derjenige in Zwangshaft genommen werden. Ein dreimonatiges Aufenthaltsverbot könne für die Fußgängerzone aber nicht ausgesprochen werden, weil sich der Mann versorgen können muss.
Vor dem Hintergrund des „Psych-KG“ (Psychisch-Kranken-Gesetz) könne bei Eigen- und/oder Fremdgefährdung auf Basis eines ärztlichen Attests eine sofortige Unterbringung in einer stationären, geschlossenen Psychiatrie erwirkt werden. „Dann würde ein Richter zeitnah nach einer Anhörung über die Dauer der Unterbringung entscheiden. Allerdings gibt es im Bereich des Freiheitsentzugs hohe Hürden, da die Freiheit des Menschen ein hohes Gut ist“, so Voskort.
„Das ist ein besonders schwerer Fall“
„Die Situation in Waltrop ist leider ein besonders schwerer Fall und sehr belastend für unsere Mitarbeiter“, heißt es aus der Pieper-Firmenzentrale auf Anfrage unserer Redaktion. Angesprochen auf den möglichen Einsatz von Security-Mitarbeitern heißt es: „Mit unserem Sicherheitskoordinator entwickeln wir fortlaufend Konzepte, um unsere Mitarbeiter zu schützen. Sicherheitspersonal wäre hier nur eine Möglichkeit von vielen.“ Die vermehrten Fälle von Diebstählen „machen uns große Sorgen und hinterlassen leider ein Gefühl von Machtlosigkeit.“ Um Mitarbeiter und Kunden vor solchen Übergriffen zu schützen, dürfe man nicht allein gelassen werden. Die Politik und die lokalen Behörden müssten vor Ort diese kriminellen Handlungen bekämpfen.
Wie im Zuge unserer Recherche zu erfahren war, sind die zuständigen Behörden wegen der Vorfälle in Waltrop im engen Austausch. „Ich habe das Gefühl, dass unser Problem ernst genommen wird und sich jetzt etwas tut“, sagte die Filialleiterin vergangene Woche. Zugleich fügt sie hinzu: „Das muss es aber auch. Er wollte heute wieder den Laden betreten, doch ich konnte es verhindern.“