Stadt Waltrop fällt irrtümlich Bäume von Daniela Golembiewski „Spaziergänger beschimpfen mich“

Stadt fällt irrtümlich drei Kopfweiden von Daniela Golembiewski
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Ausgerechnet am Valentinstag (14.2.) muss Daniela Golembiewski (47) miterleben, wie es drei geliebten Kopfweiden auf ihrem Grundstück an der Altenbruchstraße an den Kragen geht. Nur noch Stümpfe ragen jetzt am östlichen Ufer des Herdicksbachs aus der Böschung. Die Kita-Erzieherin ist fassungslos, erst die Polizei kann die Arbeiter davon abbringen, die Maßnahmen auf Golembiewskis Privatbesitz fortzusetzen. Die Stadt Waltrop hatte das Unternehmen mit dem Kahlschlag beauftragt – und spricht nun von einem „internen Missverständnis“. Während die Eigentümerin der Überreste der mehr als hundert Jahre alten Bäume von Passanten beschimpft wird.

Am Ufer des kleinen Herdicksbachs in Waltrop stehen die Stümpfe von drei Kopfweiden. Im Hintergrund sind Häuser der Siedlung Altenbruch 3 zu erkennen.
Die Überbleibsel der drei Kopfweiden, die laut ihrer Eigentümerin jeweils mehr als 100 Jahre alt sind. Der Herdicksbach markiert die Grundstücksgrenze. © Tobias Mühlenschulte

„Die Firma hat mich erst nicht ernst genommen“, erinnert sich die 47-Jährige an den Valentinstag. „Erst als ich mich buchstäblich vor den Bagger geschmissen habe, hat man mir zugehört.“ Als Golembiewski das Dilemma mit eigenen Augen sieht, ist ohnehin schon fast alles zu spät. Sie arbeitet in Datteln, als ihre Mutter Christel (75) sie über die Vorgänge an der westlichen Grenze der landwirtschaftlichen Fläche nördlich der Altenbruchstraße informiert. „Als ich nach Hause kam, liefen schon die Aufräumarbeiten und ein Baggerfahrer wollte gerade damit beginnen, die Stümpfe zu entfernen.“

Arbeiten sollten tags darauf weitergehen

Von den Arbeitern habe sie dann erfahren, dass diese im Auftrag der Stadt Waltrop „hier alles roden sollen“. Neben den drei Kopfweiden verschwinden auch Brombeer- und Holundersträucher. Und damit sollte laut Golembiewski noch nicht Schluss gewesen sein: „Weitere Kopfweiden und Eschen waren vorgesehen, es wurde von einem ,radikalen Rückschnitt‘ gesprochen.“ Auch abseits ihres Grundstücks hat das von der Stadt beauftragte Unternehmen längs des Herdicksbachs zugeschlagen: Die geschädigte Waltroperin spricht von „vier weiteren Kopfweiden, die nicht hätten gefällt werden dürfen“.

Der Baumstumpf einer gefällten Kopfweide steht am Ufer des Herdicksbachs in Waltrop. Im Hintergrund ist ein weiterer Stumpf zu sehen.
Die Stadt Waltrop hat drei alte Kopfweiden gefällt, die aber Daniela Golembiewski gehören. Die Besitzerin wurde darüber nicht in Kenntnis gesetzt. © Tobias Mühlenschulte

Die Polizei – eine Sprecherin bestätigt auf Nachfrage dieser Redaktion sowohl den Einsatz als auch die Anzeige wegen Sachbeschädigung gegen die Stadt durch Golembiewski – habe die Besitzerin der Bäume gerufen, weil sie das Ordnungsamt an jenem Tag zwischen 14.30 und 15 Uhr nicht erreicht habe. „Die Polizisten haben sich von mir die Grenzsteine meiner landwirtschaftlichen Fläche zeigen lassen und dem Unternehmen weitere Arbeiten untersagt“, so die 47-Jährige. Sie habe sowohl einen Anwalt eingeschaltet, als auch den Naturschutzbund (Nabu) und die Landwirtschaftskammer über den Fall unterrichtet.

Sämtliche Bäume, sowohl die auf ihrem Grundstück als auch die jenseits davon, erklärt die nebenberufliche Landwirtin, hätten so oder so nicht fallen dürfen: „Die Fläche ist ein eingetragenes Landschaftselement. Und die Bäume waren alle bewohnt: von Fledermäusen und einem Grünspecht.“ Zumindest Fledermaus-Arten sind für den städtischen Bebauungsplan „Altenbruch III“ als „planungsrelevante Arten“ festgestellt worden.

Die Karte stammt aus der "Begründung zum Bebauungsplan Nr. 85 ,Altenbruch III' der Stadt Waltrop".
Die Karte aus der „Begründung zum Bebauungsplan Nr. 85 ,Altenbruch III' der Stadt Waltrop“. Die rot eingekreisten Bäume sind die von Daniela Golembiewski, außerdem sollen die grün eingekreisten Kopfweiden radikal gekürzt worden sein. © Stadt Waltrop

Städtische Mitarbeiterin entschuldigt sich für Fehler

Einen Tag nach dem Valentinstag, so Golembiewski, telefoniert sie mit der Mitarbeiterin der Stadt Waltrop, die den Auftrag für die Arbeiten erteilt habe: „Sie hat mir gesagt, dass die Grenzverläufe ,schwammig‘ gewesen seien. Nach einer erneuten Prüfung hätte man dann festgestellt, dass es meine Bäume waren. Die Mitarbeiterin hat sich für den Fehler entschuldigt und mir gesagt, dass die Bäume wieder ausschlagen werden. Aber die Kopfweiden machen das nicht. Sie werden vielleicht Triebe bilden, aber sie werden mit Sicherheit nicht mehr das, was sie mal waren. Und ich werde jetzt von Spaziergängern für etwas beschimpft, was ich gar nicht getan habe.“

Das Telefonat mit der Eigentümerin der Bäume bestätigt Stadtsprecherin Tamina Forytta auf Anfrage und räumt auch den Fehler der Verwaltung ein: „Aufgrund eines internen Missverständnisses wurde davon ausgegangen, dass die Weiden sich auf dem Grundstück der Stadt Waltrop befinden. Während des Sommers soll der Austrieb der Weiden beobachtet werden. Eine Überlegung der Stadt Waltrop ist, Setzstangen zwischen den verbleibenden Weiden zu setzen. Dies wird selbstverständlich mit der Eigentümerin abgestimmt. Erörtert wurde die Angelegenheit auch mit der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Recklinghausen, die das Setzen von Weiden-Setzstangen ebenfalls befürwortet.“

Stadt: keine Hinweise auf Tiere gefunden

Die Sprecherin weiter: „Vor einigen Wochen fand ein Ortstermin des Bereichs Tiefbau und Grünflächen der Stadt Waltrop sowie des Ver- und Entsorgungsbetriebs Waltrop statt, in dem Handlungsbedarf bezüglich der Kopfweiden festgestellt wurde: Zum einen aus Gründen der Verkehrssicherheit, – die Weiden befinden sich in nur geringem Abstand zu einer fußläufigen Verbindung innerhalb des Bebauungsplanes Altenbruch III – zum anderen aus baumpflegerischen Gründen sollten die Weiden auf den Kopf gesetzt werden. Vor Ausführung dieser Arbeiten wurde ein Artenschutzprotokoll erstellt, um sicherzustellen, dass sich keine Lebensstätten in den zu beschneidenden Bäumen befinden. Ergebnis der Überprüfung war, dass sich keine Lebensstätten geschützter Tierarten in den Bäumen befanden und die vorgesehenen Arbeiten somit keine Beeinträchtigung derselben darstellen würden. Bei den drei Weiden handelt es sich zudem nicht um geschützte Landschafts-Bestandteile. Dies trifft lediglich auf die Kopfweiden südlich der Altenbruchstraße zu.“

Bei der Ausführung der Arbeiten seien dann „umfangreiche Fäulnisse im Innern der Baumstämme festgestellt“ worden. Forytta: „Daher mussten die Weiden stärker als bei einem regulären Kopfbaumschnitt üblich abgesetzt werden.“

„Ich selbst hätte den Ärger meines Lebens bekommen“

Daniela Golembiewski bleibt dabei: Die Bäume waren bewohnt. Und hinsichtlich Verkehrssicherheit und Fäulnis sagt sie: „Man hätte mich als Eigentümerin doch anschreiben müssen, dann hätte ich das überprüfen lassen und hätte gegebenenfalls gehandelt. Wäre ich diejenige gewesen, die diese drei uralten Kopfweiden einfach gefällt hätte, hätte ich den Ärger meines Lebens bekommen!“

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