Schwere Vorwürfe gegen Reitlehrer aus Witten „Er wollte wissen, was ich für Unterwäsche trage“

Missbrauchsvorwürfe gegen Reitlehrer aus Witten:
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Auch die zweite Belastungszeugin der Anklage, eine 18-Jährige aus Bochum, hat jetzt am Bochumer Landgericht jahrelange Missbrauchs-Übergriffe, Schmeicheleien und Intimfragen durch den Stallbetreiber und Reitlehrer (64) aus Witten geschildert.

Etwa ab dem Sommer 2021 hätten sich auf dem Reiterhof in Witten sexuelle Belästigungen und Übergriffe gehäuft, erinnerte sich die Teenagerin in dem seit Anfang Januar laufenden Prozess vor der 9. Strafkammer.

Zum ersten Mal sei ihr der Reitlehrer im Alter von 14 oder 15 Jahren bei einer Autofahrt zu einem Reitturnier zu nahegekommen. Der 64-Jährige habe am Steuer, sie daneben gesessen. „Erst hat er die Hand auf meinen Oberschenkel gelegt, dann ist er immer höher gewandert bis in mein Oberteil“, so die heute 18-Jährige. „Ich war wie in einer Schockstarre.“

Von da an seien fast alle gemeinsamen Autofahrten mit dem Reitlehrer für sie zur echten Qual, Übergriffe fast Standard geworden. Mehrfach habe sie sich auch extrem unangenehmen Fragen des Reitlehrers ausgesetzt gesehen.

„Er wollte wissen, wie weit ich schon mit Jungs bin, was ich für Unterwäsche trage oder ob ich mich rasiere“, so die Zeugin.

Reiterin fleht ihre Freundinnen an

Und was war ihre Reaktion? „Ich habe immer versucht, ganz kurz und knapp zu antworten. In der Hoffnung, dass wir ganz schnell ein anderes Gesprächsthema finden“, erklärte die Reiterin.

Im Vorfeld von anderen Turnierfahrten habe sie ihre Freundinnen am Stall nicht selten geradezu „angefleht, dass sie doch beim nächsten Mal auch mit uns im Auto mitfahren sollen“. Ein bis zweimal sei ihr Wunsch erfüllt worden. „Auf den Fahrten war dann absolute Stille.“

Alles in allem seien die Übergriffe durch den Wittener Reitlehrer mit der Zeit immer bedrängender geworden. „Vor allem auf der Autobahn, wenn er nicht schalten musste, dauerte es gefühlt ewig“, so die Reiterin.

Immer wieder habe sie der Stallbetreiber auch wegen ihrer Oberweite umschmeichelt („Du hast so schöne volle Brüste“).

Ein Reitlehrer aus Witten steht seit dem 6. Januar wegen Vorwürfen der sexuellen Nötigung, Belästigung und Vergewaltigung in Bochum vor Gericht (Symbolbild)
Ein Reitlehrer aus Witten steht seit dem 6. Januar wegen Vorwürfen der sexuellen Nötigung, Belästigung und Vergewaltigung in Bochum vor Gericht (Symbolbild) © picture alliance / dpa

Auch an den letzten erlittenen Übergriff etwa eine Woche vor ihrer Strafanzeige im April 2024 konnte sich die Reiterin noch gut erinnern. Die 18-Jährige: „Es war ein guter Turniertag. Wir sind ins Auto gestiegen, haben erst normal gesprochen. Dann kamen intime Fragen. Dann Berührungen an den Armen und im Schritt.“

Als sie den Reitstall in Witten wenige Tage später endgültig verlassen habe, seien Angehörige des Angeklagten „geschockt“ und „kreidebleich“ über die durch ihre Mutter offenbarten Beweggründe gewesen.

Der Reitlehrer selbst, so die Zeugin, sei ihr noch hinterhergelaufen, habe ihr noch zustehendes Restgeld in die Hand gedrückt und mit verbittertem Unterton verbittert erklärt: „Nicht, dass nachher auch noch behauptet wird, dass ich dich abgezockt habe.“

Mit einer Studentin aus Bochum hatte zuletzt bereits eine andere Ex-Reiterin den angeklagten Reitlehrer schwer belastet. „Das Gefühl seiner Finger auf meiner Haut habe ich noch heute in meinem Kopf“, hatte die 24-Jährige erklärt.

Laut Staatsanwaltschaft hatte der Wittener Reitlehrer beiden Reiterinnen im Laufe der Jahre mehrfach deutlich zu erkennen gegeben, dass ihnen umso mehr Privilegien „wie das Anreiten der Jungpferde“ zugutekommen, je mehr sie sich von ihm anfassen lassen. Eine andere Zeugin sprach in diesem Zusammenhang zuletzt von „Erpressung“.

Insgesamt soll es zu mindestens 23 sexuellen Belästigungen und Übergriffen auf die zwei mutmaßlichen Opfer im Zeitraum von 2017 bis 2024 gekommen sein.

Das Gericht hatte zuletzt bereits durchblicken lassen, dass zwei der geschilderten Übergriffe als Vergewaltigung (Mindeststrafe pro Fall: zwei Jahre Haft) gewertet werden könnten.

Der Reitlehrer bestreitet die Vorwürfe, will sich allenfalls an fürsorgliche Berührungen der Reiterinnen erinnern. Geplanter Urteilstermin: 14. Februar.