
© Meike Holz
Von links laufen bis spucken: Was Jogger dürfen oder lieber lassen sollten
„Lauf-Knigge“
Es wird wärmer, die Jogger kehren zurück auf die Straßen. Was sie dürfen, weiß Polizeihauptkommissar Teichert, was sich gehört, der Recklinghäuser Lauftreff-Chef Grote. Ein „Lauf-Knigge“:
Er wolle auf keinen Fall verallgemeinern, sagt Polizeihauptkommissar Jörg Teichert. Aber seiner Beobachtung nach neige ein Jogger mit Blick auf seine Laufuhr schon mal dazu, „durchzuziehen“ - und eben nicht an jeder Ampel und jedem Fußgängerüberweg stehen zu bleiben. „Und wenn er dann noch Kopfhörer trägt, birgt das natürlich gewisse Risiken“, so der Leiter Verkehrsunfallprävention der Recklinghäuser Polizei.
Horst Grote ist ein leidenschaftlicher Läufer. Aber auf den ehemaligen Bahntrassen der Region, die zu attraktiven Rad- und Wanderwegen ausgebaut wurden, vergeht ihm manchmal der Spaß: „Einige Radfahrer klingeln einen weg. Die denken, sie hätten mehr ‚PS‘ und deshalb auch Vorfahrt. Aber das stimmt nicht“, so der Vorsitzende des Vereins Lauftreff Recklinghausen.
Es wird wieder wärmer. Viele Jogger kehren zurück auf die Straßen und Wege. Und damit auch die Frage: Was ist erlaubt - was nicht?
Kopfhörer sind erlaubt - aber auch sinnvoll?
„Grundsätzlich gelten für Jogger die gleichen Verkehrsvorschriften wie für Fußgänger“, sagt Teichert. Somit dürfen die Sportler etwa nur auf einer Straße laufen, wenn diese weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. Innerhalb geschlossener Ortschaften können sie zwischen dem linken oder rechten Fahrbahnrand wählen, außerhalb müssen sie - wenn zumutbar - den linken nehmen: „Dann sehen sie den Verkehr, der auf sie zukommt, und können sich darauf einstellen“, so Teichert.

Polizeihauptkommissar Jörg Teichert © Polizei Recklinghausen
Bei Dunkelheit, schlechter Sicht oder wenn die Verkehrslage es erfordert, müssen die Freizeitsportler auf der Straße einzeln hintereinander laufen. Kopfhörer dürfen sie tragen. „Ob das sinnvoll ist, ist eine andere Frage“, so der Verkehrsexperte. Denn wenn ein Sinn „wegfalle“, sei die Wahrnehmung doch stark beeinträchtigt.
Kompliziert wird es beim Thema Fahrbahnüberquerung. Grundsätzlich heißt es laut §25 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO): Unter Beachtung des Verkehrs zügig und auf dem kürzesten Weg rüber. Aber unter gewissen Voraussetzungen darf eine Straße auch nur an Kreuzungen oder Einmündungen, Ampeln oder Fußgängerüberwegen überquert werden. Das hängt etwa von der Verkehrsdichte oder den Sichtverhältnissen ab. „Das zeigt, dass die Straßenverkehrsordnung viel Interpretationsspielraum enthält“, so der 59-Jährige. Deshalb ist es dem Präventionsexperten wichtig, an den gesunden Menschenverstand zu appellieren - und vor allem §1 der StVO in Erinnerung zu rufen: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.“
Wegen dieser Grundregel werde nach einem Unfall auch nicht nur gefragt, wer welchen Fehler begangen hat, sondern auch, ob man alles getan hat, um einen Zusammenstoß zu verhindern - wozu auch gehört, in bestimmten Situationen das Fehlverhalten von anderen einzukalkulieren. Gerade auch von Schwächeren. Und dazu können im Vergleich zu Autos eben auch Jogger zählen.
Mehr organisierte Läufer - wegen Corona
Dieser Paragraph 1 ist auch Horst Grote wichtig. „Es müssen einfach alle aufeinander achtgeben“, sagt der 62-Jährige. „Radfahrer von vorne!“, rufe der jeweilige Anführer der unterschiedlichen Lauftreff-Gruppen auf kleineren Feld- oder Waldwegen denn auch regelmäßig - „dann geht die ganze Truppe nach rechts, damit sie nicht alles blockiert“.

Zügig und auf dem kürzesten Weg: Eine Joggerin überquert eine Straße, auf der gerade kein Verkehr ist. © picture alliance/dpa
Überhaupt gibt es ja nicht nur die Straßenverkehrsordnung, sondern auch so etwas wie einen „Lauf-Knigge“. „Wir sind in Gruppen unterwegs, alle kennen sich, es wird unterwegs gequatscht. Das ist auch in Ordnung so.“ Aber bei Wettbewerben sollten Läufer natürlich nicht als Pulk die Strecke blockieren: „Läufer von links“, sei der übliche Ruf des Schnelleren - dann werde Platz gemacht.
Beim Überholen Abstand zu halten, sei ebenfalls angesagt: „Das ist so wie auch sonst im Straßenverkehr: Nicht rücksichtslos schneiden“, sagt Grote. Zumal sich das gerade auch in Corona-Zeiten nicht gut anfühle. Und spucken gehe im Umfeld von anderen Sportlern gar nicht: „Nicht vor, nicht während und nicht nach Corona.“
Wobei die Pandemie dem Recklinghäuser Lauftreff neue Mitglieder beschert hat, wie Grote sagt. Vorher waren es 199, jetzt 264. Viele fühlten sich in Fitnessstudios nicht mehr so wohl und zögen Aktivitäten an der frischen Luft vor.
Die Sache mit dem Grüßen
„Gemeinsam läuft‘s besser“: So lautet des Motto des 1974 gegründeten Vereins, der für seine Arbeit und die Betreuung seiner ganz unterschiedlich „starken“ Lauf- und Nordic-Walking-Gruppen mit dem DLV-Zertifikat „Sehr gut“ ausgezeichnet wurde. „Bei uns können gerade auch Erwachsene ab 30 in der Gemeinschaft etwas für ihre Ausdauer und Gesundheit tun“, sagt Grote.
Und dabei sollten eben auch ein paar Regeln beachtet werden. Geschriebene und ungeschriebene. Wobei: Wie ist das eigentlich mit dem Grüßen unter Joggern? Ein Muss? „Ich komme ursprünglich vom Dorf. Da wird sowieso jeder gnadenlos gegrüßt“, sagt Grote lachend. Ansonsten merke man ja, ob ein anderer Jogger einem zugewandt oder intensiv mit seinem Sport beschäftigt sei. „Viel läuft über Handzeichen oder einen freundlichen Gesichtsausdruck.“ Denn: „Ein ‚Hallo‘ kostet schon wieder Luft.“ Aber motivierend sei es allemal.
Gegenkommende auf den Straßen einfach mal grüßen, diese Idee dürfte auch Polizeihauptkommissar Teichert sympathisch sein. Und wenn einem das zu viel wird: wenigstens immer an Paragraph 1 denken. An die Vorsicht und die Rücksicht.
Jahrgang 1972. Recklinghäuser. Hat in Göttingen studiert (Diplom-Sozialwirt) – und parallel dazu als freier Sportjournalist gearbeitet. Volontariat beim Medienhaus Bauer. Anschließend Politik-/Nachrichtenredaktion. Seit 2005 in der Regional- bzw. Kreisredaktion. Fühlt sich in der Stadionkurve genauso wohl wie im großen Saal des Ruhrfestspielhauses. Filmpreisträgerin oder Vierlingsmutter, ehrenamtlicher Seelsorger oder professioneller Sportler, Existenzgründerin oder Holocaust-Überlebender: Es sind die Begegnungen mit Menschen, die er an seinem Beruf so schätzt.