Verzichten, um die AfD zu verhindern Polarisierung der Linken kann nach hinten losgehen

Linken-Verzicht auf Landratskandidatur ist eine riskante Polarisierung
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Porträtfoto Redakteur Marcus Land Hellweger Anzeiger Unna

Nun verabschieden sich auch die Linken im Kreis Unna vorzeitig aus dem Rennen um das Amt des Landrats. Doch ihr Motiv, damit möglichst den Einzug eines AfD-Kandidaten in die Stichwahl zu verhindern, könnte auch ebenso gut nach hinten losgehen.

Für einen Kandidatenmangel müssten sich die Linken mit einem vorgeschobenen Argument nicht rechtfertigen. Denn kandidiert haben sie ohnehin im Kreis Unna nur selten: Zuletzt trat Kreistagsmitglied Udo Gabriel aus Selm, damals noch für die PDS, bei der Landratswahl im Jahr 2004 an. Ein Wahlsieg für die Linke im Westen ist nicht so realistisch. Aber immerhin haben sie es vor 21 Jahren versucht.

Offenbar Sorgen nach Erdrutschsieg der AfD in Bergkamen

Der Verzicht ist insofern also keine Überraschung. Man kann Katja Wohlgemuth und ihren Genossinnen und Genossen daher ihre Strategie gegen die AfD durchaus abnehmen; denn weiter auseinander als diese beiden Außenpole ist nun wahrlich niemand sonst im Parteienspektrum.

Außerdem weiß die Bergkamenerin Wohlgemuth ein Lied davon zu singen, zu welchen Höhenflügen die AfD im Kreis Unna bereits in der Lage ist: In ihrer Heimatstadt, der SPD-Hochburg, lagen die „Blauen“ bei der Bundestagswahl in den größten Stadtteilen vor den „Roten“. Dieser Erdrutsch hat offenbar auch die „Dunkelroten“ tief beeindruckt und verunsichert.

Die Linkenpolitiker Udo Gabriel (Mitte), Petra Weber (links) und Katja Wohlgemuth (rechts) stehen im Jahr 2020 vor dem Kreishaus in Unna.
Bei der Kommunalwahl 2020 stand Udo Gabriel noch an der Spitze der Linken-Reserveliste für die Wahl des Kreistags Unna. Auf Platz zwei folgte damals Petra Weber (links), dahinter rangierte die aktuelle Fraktionsvorsitzende Katja Wohlgemuth. © Archiv/Dirk Becker

Was aber ist wirklich gewonnen, wenn praktisch eine Wahlempfehlung an das eigene Wahlvolk ausgesprochen wird, dem politisch noch am nächsten stehenden Kandidaten, also Amtsinhaber Mario Löhr (SPD), seine Stimme zu geben?

Prinzipiell ist das politisch völlig legitim. Schon zu Zeiten der Weimarer Republik haben sich Parteien von links bis rechtskonservativ hinter gemeinsamen Kandidaten vereint, um Nationalsozialisten von den Schalthebeln der Macht fernzuhalten. Weitere Parallelen sollte man zunächst einmal nicht ziehen.

Front gegen die AfD kann noch mehr polarisieren

Eine Front gegen die AfD – war sie insgeheim vielleicht auch das Motiv der Grünen bei ihrem eigenen Verzicht? – könnte allerdings die politische Stimmung nicht nur noch mehr polarisieren, sondern Wählerinnen und Wähler auch zu Solidaritätsstimmen für die AfD verleiten. Niemand weiß das.

Tritt die AfD am Ende gar nicht bei der Landratswahl an, bleibt dennoch etwas Bemerkenswertes von der Entscheidung der Linken übrig: Auch sie hat es wie die Grünen nicht vermocht, die eigenen Parteifarben bei der Landratswahl von einer glaubwürdigen Persönlichkeit hochhalten zu lassen. Mit Blick auf unsere Parteiendemokratie ist das ein bedauerlicher Befund.