Verbotene Sterbehilfe Arzt aus Datteln bestreitet Vorwürfe

Verbotene Sterbehilfe: Arzt aus Datteln bestreitet Vorwürfe
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Dieser Fall ist traurig. Im Sommer 2023 hat ein 42 Jahre alter Mann aus Essen sein Leben selbst beendet. An seinem Bett stand ein deutschlandweit bekannter Sterbearzt aus Datteln. Der 82-Jährige hatte dem Mann eine Infusion gelegt und eine tödliche Natriumlösung angeschlossen. Das Ventil hat sein Patient selbst geöffnet. Doch nun gibt es Fragen.

Seit Dienstag muss sich der Mediziner in Essen vor Gericht verantworten – wegen Totschlags. Laut Staatsanwaltschaft konnte der 42-Jährige die Tragweite seiner Entscheidung aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht überblicken und deshalb auch nicht freiverantwortlich handeln. Der angeklagte Arzt bestreitet das.

Müssen über die Vorwürfe gegen den  Arzt aus Datteln entscheiden: Die Richter des Essener Schwurgerichts.
Müssen über die Vorwürfe gegen den Arzt aus Datteln entscheiden: Die Richter des Essener Schwurgerichts. © Jörn Hartwich

Der Patient hatte sich 2021 erstmals an den Mediziner aus Datteln gewandt. „Es hat keinen Zweck mehr, noch weiterzuleben“, soll er ihm in einem der Gespräche gesagt haben. „Es wird sich nur noch alles weiter verschlimmern.“

Der 42-Jährige war fast blind, die extreme Sehbehinderung begleitete ihn schon seit der Kindheit. „Blinder – such‘ mich.“ So oder so ähnlich will er schon zu Schulzeiten gehänselt worden sein. Hinzu kam eine offenbar angeborene Fruktose-Intoleranz – verbunden mit ständigen Bauchschmerzen, die der in Essen lebende Mann mit starken Medikamenten zu unterdrücken versuchte. Eine Operation soll später alles noch viel schlimmer gemacht haben.

Wut auf Ärzte und die Mutter

Hass und Wut machten sich breit – auf Ärzte und auf Pflegepersonen. „Die Therapeuten sind alle bekloppt“, soll er einmal gesagt haben. Chirurgen seien „Metzger“. Um die Schmerzen auszuhalten, könne er nur noch auf dem Bauch schlafen.

Auch seine Mutter bekam seine ständige Unzufriedenheit zu spüren. „Auch sie ist für mein Leid verantwortlich“, so seine angeblichen Worte. Weil er mit ihr in einem Mehrfamilienhaus leben müsse, in dem er nicht zur Ruhe komme. Depressionen machten sich breit, die offenbar in Wellen auftraten. Mal stärker, mal schwächer.

„Ein klar und selbstbewusst denkender Mensch“

Aus Sicht des angeklagten Arztes war der 42-Jährige trotzdem Herr seiner Sinne. „Ich hätte die Freitodbegleitung nicht durchgeführt, wenn ich Zweifel gehabt hätte, dass die Entscheidung nicht auf einem autonom frei gebildeten Willen beruht“, sagte der 82-Jährige den Richtern. Bei seinem Patienten habe es sich „um einen klar und selbstbewusst denkenden Menschen gehandelt“.

Der Arzt war nach einem assistierten Suizid bereits Anfang 2024 zu drei Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt worden. Dieses Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. „Es hängt wie ein Damoklesschwert über mir“, sagte er am Rande des Prozesses. Für das aktuelle Strafverfahren haben die Richter noch Verhandlungstermine bis Anfang März vorgesehen.