Uschi Pathmann aus Recklinghausen wartet auf ihr Ende „Eigentlich müsste ich längst tot sein“

Uschi Pathmann wartet auf den Tod: Im Hospiz fühlt sie sich geborgen
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Frau Pathmann schenkt mir ihre kostbare Zeit: Dabei hat sie nicht mehr viel davon. Die 72-Jährige wird sterben und erzählt nun ihre Geschichte. Doch als ich das Zimmer im Hospiz betrete, glaube ich im ersten Moment, ich hätte mich in der Tür geirrt. Gut gelaunt sitzt die Recklinghäuserin in einem schicken, grünen Hausanzug neben ihrem Bett, die Tageszeitung liegt aufgeschlagen vor ihr.

„Ich heiße Ursula, aber alle nennen mich Uschi“, erklärt sie unbeschwert. Nur die Schläuche, die sie mit Sauerstoff versorgen, sind ein Indiz dafür, dass es ernst um sie steht. Als sie meinen ungläubigen Blick bemerkt, kann sie sich ein Lachen nicht verkneifen. „Alle sind überrascht, wenn sie mich sehen, denn eigentlich müsste ich längst tot sein“, sagt sie – und lächelt immer noch.

Da war plötzlich die schreckliche Atemnot

Seit fünf Monaten lebt Uschi Pathmann an der Feldstraße. „Es ging alles ganz schnell“, erinnert sie sich. Da war plötzlich diese schreckliche Atemnot. „Beim Treppensteigen habe ich immer schon nach Luft geschnappt und mir nichts dabei gedacht. Doch an diesem Tag war es besonders schlimm. Da habe ich ganz schnell die 112 gewählt.“ Zurecht. Denn der Zustand der Seniorin war so besorgniserregend, dass ihr die Ärzte im Krankenhaus mitteilten, sie werde das Prosper nicht mehr lebend verlassen. Diagnose: Lungenfibrose. „Meine Lungenbläschen verkleben, und mein Blut wird nicht mehr genug mit Sauerstoff versorgt“, berichtet sie sachlich. Pause. „Das ist unheilbar!“

 Schwester Teresa Falacinski und Uschi Pathmann stehen vor einer geöffneten Zimmertür.
Schöner Aufenthalt: Uschi Pathmann ist glücklich, dass sich im Hospiz herzliche Menschen liebevoll um sie kümmern, so auch Schwester Teresa Falacinski. © Ulrike Geburek

Also reden wir über den Tod: „Ich bin hier in der Warteschleife“, meint Uschi Pathmann und schaut hinaus in den Garten vor der kleinen Terrasse. Der Himmel ist blau, die Sonne lacht, aber bald nicht mehr für die freundliche Frau mit den hellen Haaren. „Es ist, wie es ist“, sagt sie ohne Bitterkeit in der Stimme und dreht sich um. „Hauptsache, es geht schnell, und ich muss nicht leiden.“ Sie seufzt. „Doch das ist ja kein Wunschkonzert.“

„Ich hoffe, dass ich ins Licht gehe“

Angst hat sie nicht vor dem, was da kommt. „Ich hoffe, dass ich ins Licht gehe und nicht in ein dunkles Loch falle.“ Uschi Pathmann grinst. Nein, an ein Leben nach dem Tod glaubt sie nicht, aber die Vorstellung, dass ihr geliebter Mann Walter dort vielleicht doch auf sie wartet, die findet sie schön. Auch über das Wiedersehen mit ihrer besten Freundin Hilde und der lieben Nachbarin Ellen würde sie sich freuen. „Die beiden haben sich nämlich davon gemacht und mich alleingelassen.“

Das „Wie“ bereitet ihr vielmehr Sorgen. „Die Frage ist, wie ich da rüberkomme, denn ich weiß, was es heißt, an einer Lungenkrankheit zu sterben.“ Pause. „Mein Mann hatte COPD.“ Damit ist alles gesagt. Sie winkt ab. Das möchte sie nicht vertiefen. Plötzlich strahlt die Uschi wieder. „Ich habe sogar schon einen Baum“, berichtet sie fast triumphierend, und es scheint sie nicht zu belasten. Längst hat sich Uschi Pathmann eine letzte Ruhestätte auf dem Hillerheider Friedhof ausgesucht. „Und mein Mann liegt ganz in der Nähe.“

„Mein Walter, der war ein süßer Bengel“

Damit sind wir bei Walter Pathmann. „Der war ein süßer Bengel“, verrät die Uschi, die 13 Jahre alt war, als sie sich Hals über Kopf in ihn verliebte. Sie lernte den 16-Jährigen in einer Eisdiele in Süd an der Bochumer Straße kennen. „Er war der Richtige für mich“, betont sie und strahlt. An der Wand hängt ihr Hochzeitsfoto. Begeistert erzählt die Seniorin von der gemeinsamen glücklichen Zeit, von ihrer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau bei Weiser („meinem Opa zuliebe“) und ihrer geschätzten Arbeit in der Herrenwäschefabrik Seeler als Büglerin („am liebsten Hosen und Röcke“), von sorglosen Urlauben in Ungarn, der Geburt des Sohnes Daniel und den drei Enkelkindern... Vor 16 Jahren dann brach Uschi Pathmanns Welt zusammen, als ihr Walter starb. Viel zu früh. Mit gerade einmal 59 Jahren.

Uschi Pathmann steht neben einer Autogrammkarte des Sängers Giovanni Zarrella, die an der Wand hängt.
Geniales Geschenk: Zum Geburtstag überraschten Pflegekräfte des Hospizes Uschi Pathmann mit einer Autogrammkarte des Sängers Giovanni Zarrella. © Ulrike Geburek

Schnell wischt sie die negativen Gedanken beiseite. Denn das Leben war und IST für sie immer noch lebenswert. Obwohl sie manchmal unter starken Schmerzen leidet und ihr das Atmen schwerfällt, denkt Uschi Pathmann nicht ans Sterben. „Das passiert eher selten.“ Kein Wunder, denn dafür bleibt kaum Zeit. Sie steht in engem WhatsApp-Kontakt mit 22 Freunden und Bekannten. Die möchten jeden Tag wissen, wie es der 72-Jährigen geht. Außerdem spielt sie mit Leidenschaft online Rom­mé. Nicht zu vergessen: die tägliche Kochshow „Küchenschlacht“ im Fernsehen. Zudem kann Uschi mit ihrem Rollator samt Sauerstoff-Gerät noch gut spazieren gehen.

Nun muss die Freundin neue Kleidung kaufen

Und es überrascht sie immer wieder, wie schnell sich das Leben radikal verändert hat. Als erste Reaktion auf die grausame Diagnose rief Uschi Pathmann ihre Freundin Irene an, die Schwiegermutter ihres Sohnes, und bat sie, den neuen, roten Anzug im „Kost-Nix-Laden“ auf dem Gertrudisplatz abzugeben. „Ich brauche ihn nicht mehr.“ Auch die Schützen-Jacke der Hillerheider Gilde verschenkte sie mit gutem Gefühl. Dann lacht sie laut auf: „Dumm nur, dass die Irene mir jetzt neue Anziehsachen kaufen muss, denn ich lebe ja immer noch.“

Der Sohn löste die geliebte Wohnung auf

In kürzester Zeit hat die Recklinghäuserin mithilfe ihres Sohnes das Nötige geregelt. Er löste für sie die Wohnung an der Herner Straße auf, in der sie bereits als Kind gelebt hat. Geblieben ist Uschi neben Fotos und kleinen Erinnerungsstücken der bequeme Schreibtischstuhl, der nun im Zimmer neben dem Tisch steht. „Das tat weh“, blickt sie zurück, „vor allem, als wir später das erste Mal dort vorbeigefahren sind. Da musste ich weinen.“ Und da sind sie doch, die Tränen, aber nur kurz. Uschi Pathmann räuspert sich und lächelt tapfer. „Die Königsberger Klopse vom Metzger an der Heidestraße, die vermisse ich sehr!“

„Hier arbeiten wunderbare Menschen“

Es gibt noch etwas, das ihr am Herzen liegt und sie unbedingt loswerden möchte: „Ich fühle mich sehr wohl im Hospiz, so geborgen und so behütet. Hier arbeiten wunderbare Menschen“, sagt sie voller Dankbarkeit. Dann wandert ihr Blick zu einem Foto an der Wand. Uschi Pathmann ist nämlich ein großer Fan von Moderator und Sänger Giovanni Zarrella. Den hat sie schon live erlebt. Und die Pflegekräfte haben ihr zum Geburtstag im Januar ein Autogramm des Stars geschenkt – mit Widmung! „Das ist echt spitze“, meint Uschi Pathmann und sieht aus, als könnte sie die ganze Welt umarmen. So wie ich sie umarmen könnte: diese starke, humorvolle und sympathische Frau!

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