Man kann allemal Verständnis für die künftigen Bewohner der Neubausiedlung „Im Westviertel“ aufbringen, die schon mit den Hufen scharren, um ihre neuen Heime möglichst schnell in einen nicht nur bewohnbaren, sondern auch bewohnenswerten Zustand zu versetzen. Die Deutsche Reihenhaus errichtet auf dem gut 10.000 Quadratmeter großen Areal zwischen Bert-Brecht-Straße, Westring und dem früheren Telekom-Gebäude 36 Eigenheime, von denen die allermeisten längst verkauft sind: Die 120 Quadratmeter große Variante („Wohntraum“) ist bereits vergriffen, lediglich beim 145 Quadratmeter großen „Familienglück“ ist noch etwas zu haben.
Die Häuser des ersten Bauabschnitts sind weitgehend fertig, und der zweite Bauabschnitt hängt nur wenig hinterher, doch die Deutsche Reihenhaus hat einen Grundsatz, an dem nicht gerüttelt wird: Die Gebäude werden erst an die neuen Besitzer übergeben, wenn die Straße, die künftig Bettina-von-Arnim-Weg heißen wird, fertiggestellt ist. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Straße demnächst Gemeinschaftseigentum der Anwohner ist. Doch die Straße ist eben noch nicht fertig, und dafür gibt es ganz handfeste Gründe.

Denn im nördlichen Teil des Geländes wird noch ein Mehrfamilienblock mit insgesamt 20 Wohneinheiten gebaut, doch dieser hinkt weit hinter der Entwicklung der Eigenheime her. Die Deutsche Reihenhaus hat mit diesem Gebäude nichts zu tun, hier ist Dr. Gerd Pattay aus Wesel Bauherr, und der bestätigt, dass man noch längere Zeit bis zur Fertigstellung braucht: „Das wird wohl erst Mitte des nächsten Jahres so weit sein.“
Sicher ist aber: Solange zur Errichtung dieses Gebäudes schweres Baugerät wie Bagger, Planierraupen oder Radlader erforderlich ist, geht die Deutsche Reihenhaus nicht den Straßenbau an. Denn das schwere Gerät hat nur eine Möglichkeit, zum Einsatzort zu kommen, und das geht eben nur von der Bert-Brecht-Straße aus – über den neuen Bettina-von-Arnim-Weg.

Doch das stimmt nicht ganz, sagen die künftigen Bewohner, denn es gibt an der nordöstlichen Ecke des Baugebiets noch einen schmalen Durchstich zur Gerhart-Hauptmann-Straße. Und wenn die schweren Baugeräte diesen nutzen könnten, könnte die Deutsche Reihenhaus die Straße schon jetzt bauen, und die neuen Besitzer könnten schon früher in ihre Häuser kommen und die Eigenleistungen angehen – so deren Argumentation. Doch das würde ein Nachbar an dem Durchstich verhindern, und das stößt auf Unverständnis: „Wie kann es denn sein, dass hier ein Nachbar solch einen Einfluss hat?“, fragt stellvertretend eine Neu-Besitzerin.
Hat er nicht, erklärt die Stadt auf Nachfrage „Eine Einflussnahme oder Beteiligung von Anwohnern können wir nicht bestätigen. Und diese wäre auch nicht relevant, da der Bebauungsplan als Ortsrecht die Nutzungsoptionen regelt“, so Rathaus-Sprecherin Isabel Wessels. Was bedeutet: Es gibt dort eine klare Regelung, und die sei für die Stadt bindend: „Gemäß Bebauungsplan ist die Nutzung als Fuß- und Radweg vorgesehen. Zusätzlich ist eine partielle Nutzung für Fahrzeuge der Müllentsorgung und Rettungsfahrzeuge möglich. Um Durchgangsverkehre in diesem Bereich auszuschließen, ist die Aufstellung von Sperrpfosten vorgesehen.“ Nur in Einzelfällen könne man Ausnahmen erlauben.

Und der vermeintlich unkooperative Nachbar bestreitet auf Nachfrage, dass er bei der Stadt Einfluss genommen habe: „Wie soll das denn gehen? Ich bin aber natürlich dafür, dass hier der geltende Bebauungsplan eingehalten wird.“ Zudem hätten in der Frühphase der Großbaustelle reichlich große Lkw und Bagger den Durchstich genutzt, aber dafür sei die Gerhart-Hauptmann-Straße gar nicht ausgelegt: „Hier parken so viele Autos, da ist gar kein Platz.“
Außerdem wehrt er sich gegen Mutmaßungen, dass er auf die neuen Reihenhaus-Anwohner sauer sei, weil er ein Stück seines Gartens für den Durchstich abtreten musste: „Es stimmt, dass wir unseren Garten zurückbauen mussten, doch dass wir unseren Garten auf den Durchstich ausgedehnt hatten, war ja mit der Stadt abgesprochen und hatte einen guten Grund. Denn der Durchstich wurde ja nur als Müllhalde genutzt, und das hörte danach auf.“ Und die Vorwürfe an ihn, dass er sich weigere, irgendwelche Pöller beiseite zu räumen, um Platz für Baustellenfahrzeuge zu schaffen, seien komplett haltlos: „Das ist doch völlig absurd. Welche Pöller denn?“

Übergabe erster Häuser für September geplant
Die Neu-Besitzer müssen sich also wohl noch gedulden, doch die Wartezeit dürfte nicht endlos sein. Dr. Gerd Pattay schätzt, dass man am Mehrfamilienkomplex in vier bis sechs Wochen kein schweres Gerät mehr brauchen wird, und das deckt sich auch mit den Infos, die Pressesprecher Achim Behn von der Deutschen Reihenhaus hat: „Anfang Juli sollen die dort das Dach draufhaben, das wäre dann für uns das Signal, mit der Pflasterung der Straße zu beginnen.“ Voraussichtlich im September könne man dann die ersten Häuser übergeben. Vertraglich zugesichert ist von der Deutschen Reihenhaus der 31. Oktober.
Und auch der viel gescholtene Nachbar würde im Anschluss nur allzu gerne ein normales Verhältnis zu den Neu-Besitzern pflegen: „Ich habe rein gar nichts gegen irgendjemanden aus der neuen Siedlung. Man will sich doch in die Augen gucken und Guten Tag sagen.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 16. Mai 2024.