Barry Jenkins (Oscar für „Moonlight“) hat einen Roman von Colson Whitehead verfilmt, der den Pulitzer-Preis gewann. Die Lobeshymnen überschlagen sich: Die Serie „Underground Railroad“ (läuft bei Amazon) wird als Meilenstein der Filmgeschichte gefeiert.
Als ein Werk, das den verlogenen weißen Pionier-Mythen die wahren Grundpfeiler Amerikas entgegenstelle, nämlich Grausamkeit, Ausbeutung und Sklaverei.
Da ist etwas dran. „Underground Railroad“, eine Passionsgeschichte in zehn Folgen, erzählt von Menschen, die wie Vieh gehandelt werden, aber ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Objekte werden zu Subjekten der Geschichte, ihr Kampf dauert bis heute. In Zeiten der „Black Lives Matter“-Bewegung ist Jenkins‘ Sklaverei-Saga hoch aktuell.
Gefühlte Geschichte
Sie zeigt, wie tief Rassismus in Amerikas DNA verankert ist, und holt zu einer alternativen Geschichtsschreibung aus, die kein Hehl daraus macht, dass sie eine subjektiv gefühlte ist. Wobei Jenkins noch einen Schritt weitergeht als der Roman: In der Realität war die Untergrund-Eisenbahn ein Codewort für den geheimen Transport flüchtiger Sklaven. Hier wird sie zur realen unterirdischen Bahnstrecke, die auch Cora nimmt, die von einer Plantage floh.
Wie ein gehetztes Tier
Cora (großartig: Thuso Mbedu) durchleidet exemplarisch Elend und Brutalität der Sklaverei. Über Jahre lebt sie wie ein gehetztes Tier. Sicherheit besteht immer nur auf Zeit, der fanatische Sklavenjäger Ridgeway (Joel Edgerton) folgt ihr wie ein Bluthund. Mehr als einmal kommt Cora vom Regen in die Traufe: Sie gerät unter perverse Weiße, die Farbige als Versuchskaninchen nutzen. Versteckt sich vor Herrenmenschen, deren System dem Terror der Nazis frappierend ähnelt.
Die Chronik mag teilweise fiktiv sein, ist aber sehr eindringlich und voller bildgewaltiger Poesie. Dass Jenkins weitschweifig erzählt, die Dramaturgie manchmal schleifen lässt, mindert kaum die erschütternde Sprengkraft des Stoffes.