Die folgenschweren Verletzungen seines Kontrahenten ziehen für einen Behördenmitarbeiter (53) aus Recklinghausen endgültig keine Bestrafung nach sich. Ein bei einer Kneipen-Rangelei in Süd durch eine Gesichtsnarbe entstellter 20-Jähriger hatte den Freispruch für seinen Peiniger zunächst angefochten – die Berufung später aber zurückgezogen. Jetzt wollen er und sein Anwalt auf Schmerzensgeld klagen.
Die zwei Kneipengäste waren am 10. April 2022 an der Theke einer Kneipe an der Bochumer Straße erst verbal, dann auch tätlich aneinandergeraten. Auslöser war wohl, dass sich der 53-Jährige an dem in das Lokal ziehenden Geruch eines von dem 20-Jährigen vor der Tür gerauchten Joints gestört hatte.
Schlussendlich war es zu einem (Gegen-)Angriff mit einem Bierglas gekommen - mit verheerenden Folgen. Der 20-Jährige hatte dabei eine klaffende, lange Gesichtsschnittwunde erlitten.
Angriff juristisch gerechtfertigt
Das Schöffengericht in Recklinghausen hatte den Freispruch für den Behördenmitarbeiter am 22. Dezember 2022 mit einer „glasklaren Notwehrlage“ begründet.
Nach der Beweisaufnahme stehe sicher fest, dass der spätere „Gesichtsschlitzer“ zuvor angegriffen worden ist, sich erst daraufhin ein zerbrochenes Bierglas gegriffen und dann in seiner Not damit wahllos um sich geschlagen hat, urteilte das Gericht. Sein Verteidigungsverhalten sei zwar zweifellos aktive Körperverletzung gewesen, diese unterm Strich aber als juristisch gerechtfertigt zu bewerten, hieß es.

Die Opferseite hatte zunächst Berufung gegen den Freispruch eingelegt. Und dabei auch darauf verwiesen, dass ein gezielter Glas-Angriff in Richtung Gesicht als Verteidigung gegen mutmaßliche Schläge sehr wohl auch als überzogener (und damit nicht mehr gerechtfertigter) Gewaltexzess eingestuft werden könne.
Nach intensiver Prüfung entschied sich die Nebenklage dann aber dazu, das Rechtsmittel schweren Herzens zurückzuziehen. Der erstinstanzliche Freispruch ist somit rechtskräftig. „Wir werden aber jetzt zeitnah eine Schmerzensgeldklage in fünfstelliger Höhe erheben“, bestätigte Rechtsanwalt Olaf Krekeler.

„Kein gewalttätiger Mensch“
Täter und Opfer hatten die Schnitt-Szene unterschiedlich dargestellt. Der 20-Jährige hatte davon gesprochen, dass er eigentlich habe schlichten wollen, dann praktisch aus dem Nichts einen Schnitt im Gesicht zugefügt bekam. Bis heute leide er an Nervenschäden und Sensibilitätsstörungen.
Der „Gesichtsschlitzer“ hatte behauptet, von dem 20-Jährigen zuerst angegriffen worden zu sein. Auf dem Boden liegend habe er nach einem Stil von einer Biertulpe gegriffen und um sich geschlagen. „Ich bedauere die Situation. Ich bin kein gewalttätiger Mensch“, hatte der 53-Jährige beteuert.
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