Die Parteien sind gerade mit Hochdruck in den Wahlkampfvorbereitungen, kaum ein Wochenende ohne Aufstellungsveranstaltung für die Landeslisten, mitgliederfreundlich garniert mit Auftritten der ersten Partei-Garde. Gerade einmal zweieinhalb Monate bleiben noch, bis am 23. Februar ein neuer Bundestag gewählt wird. Viel Zeit zum Verschnaufen gibt es anschließend wohl kaum – und das nicht nur wegen Wahlschlappenaufarbeitung oder anstehender Koalitionsverhandlungen. Denn schon im Herbst stehen im bevölkerungsreichsten Bundesland die Kommunalwahlen an. Am 14. September kommt es zum ersten Urnengang, der Stichwahltermin ist am 28. September. Damit rücken die Themen, die die Bürger direkt vor der eigenen Haustür betreffen, stärker in den Fokus.
Dabei vergeht kaum ein Tag, an dem die kommunalen Spitzenverbände nicht gellend um Hilfe rufen: klamme Kassen, erdrückende Altschuldenlast, dazu immer neue Aufgaben wie Flüchtlingsunterbringung, Wärmewende, Ganztagsausbau. Die Liste ließe sich beliebig erweitern. Erste Spitzenpolitiker warnen bereits davor, dass sich kaum noch Freiwillige finden werden, die sich nächtelange Ratssitzungen und dazu noch die grenzenlose Wut der Bürger antun wollen, wenn die einzige Handlungsoption zwischen der Streichung von Leistungen und der Anhebung von Steuern und Abgaben ist.
In diesem Spannungsfeld haben die Meinungsforscher von Forsa im Auftrag der nordrhein-westfälischen Tageszeitungen, darunter auch die Rheinische Post, die Wahlberechtigten in NRW zu kommunal- und landespolitischen Herausforderungen befragt. Eine beruhigende Erkenntnis für die Entscheidungsträger vor Ort: Ihr Ruf ist derzeit noch besser als gedacht. Ein Überblick:
Zufriedenheit mit örtlichen Entscheidern
Eine klare Mehrheit von 51 Prozent ist der Meinung, dass sich das eigene Stadt- oder Gemeindeoberhaupt gut schlägt. Persönliche Nähe scheint dabei eine nicht zu verachtende Rolle zu spielen, denn je kleiner die Kommune, desto größer der Anteil zufriedener Wähler. So sind in Großstädten gerade einmal mit 41 Prozent genau so viele Bürger zufrieden wie unzufrieden. In den Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern sind es satte 62 Prozent. Kritischer beäugt werden dagegen die kommunalen Verwaltungen. Doch auch hier übersteigt die Gruppe der Befürworter mit 48 Prozent die der Unzufriedenen mit 41 Prozent.
Herausforderungen durch Flucht
Bei der Frage nach den größten Problemen für das Land stehen Migration und Flucht in der Einschätzung der Menschen auf Platz zwei, gleich nach der taumelnden Wirtschaft. Aber immerhin fast ein Viertel der Befragten (24 Prozent) glaubt trotzdem, dass NRW die Zuwanderung gut bewältigt. Umgekehrt meinen 43 Prozent, dass das Land damit „weniger gut“ zurechtkommt, und 29 Prozent, dass es „schlecht“ läuft. Grünen-Wähler sind in dieser Frage übrigens weitaus zuversichtlicher als alle anderen. Anhänger der AfD verlegten sich zu 86 Prozent auf die schlechteste Antwortmöglichkeit und stehen mit dieser Quote mit Abstand allein da.
Krasses Stadt-Land-Gefälle beim Verkehr
Sofern die Verkehrswende auf den Ausbau von Bus- und Bahn-Angeboten setzt, ist der Nachholbedarf abseits der Ballungsräume enorm. Bei der Bewertung der Verkehrssituation gibt es ein krasses Gefälle: Je ländlicher die Region, desto glücklicher sind die Menschen mit der Situation für Autofahrer. In Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern sind 69 Prozent der Befragten damit zufrieden. In Großstädten ab 500.000 Einwohner trifft das nur noch auf 14 Prozent zu. Dafür finden fast die Hälfte (49 Prozent) der Leute aus größeren Städten ab 100.000 Einwohner ihre öffentlichen Nahverkehrsangebote in Ordnung – auf dem Land sind es gerade mal 16 Prozent.
Für die Kita-Misere gibt es keinen Parteibonus
Die Meinungsforscher fragten ab, wie die Menschen die Situation in den Kitas beurteilten. Gemeint waren unter anderem Platzversorgung und Personalausstattung. Wenig überraschend fiel das Urteil übel aus: 46 Prozent der Menschen halten die Lage für „weniger gut“, 37 Prozent betrachten sie als „schlecht“, unterm Strich sind also über 80 Prozent der Leute unzufrieden. Dabei gab es auch keinen Parteibonus für die grüne Familienministerin Josefine Paul: Grünen-Wähler sehen die Lage genau so. Zwar würde wohl auch Paul selbst nicht behaupten, die Situation wäre gut. Zumindest betont sie immer wieder, wie groß die Herausforderungen seien. Aber sie macht dafür Faktoren wie den Fachkräftemangel verantwortlich. Die Statistik legt jedoch den Schluss nahe, dass die Eltern ihr die Schuld geben. Nur 19 Prozent der Teilnehmenden bescheinigten Ministerin Paul gute Kompetenz, das war im Kabinett der schlechteste ermittelte Wert.
Ärger über die Schulpolitik überall
Es gibt zu wenige Lehrkräfte, in den Lehrerzimmern herrscht Frust, Kinder schneiden in Bildungsstudien immer schlechter ab und in den Klassen und auf den Pausenhöfen zeigen sich zunehmend die sozialen Probleme. Zwar steht die Antwort „Bildung“ unter den größten Problemen in NRW nur noch auf Platz vier, damit ist sie seit der Erhebung im Frühjahr dieses Jahres etwas abgerutscht. Aber gut drei Viertel der Menschen (76 Prozent) sind unzufrieden mit der nordrhein-westfälischen Schulpolitik. Soziale und andere Faktoren wie städtischer oder ländlicher Wohnort, Alter oder Einkommen machten keine großen Unterschiede aus. Einzig das Urteil von CDU-Wählern fällt etwas milder aus über die christdemokratische Schulministerin Dorothee Feller.
Auf dem Land fühlt man sich sicherer
Gut zwei Drittel der Befragten (67 Prozent) fühlen sich in ihrer Stadt oder Gemeinde sicher. Und das, obwohl genau so viele Menschen der Überzeugung sind, dass die Kriminalität in NRW in den letzten Jahren zugenommen hat. Besonders gut ist das Sicherheitsgefühl in kleineren Städten und Dörfern: Da klettern die Werte auf bis zu 84 Prozent. Erneut sind Grünen-Wähler noch einmal optimistischer als alle anderen (87 Prozent). Anhänger der AfD bewerten Sicherheit und Risiko genau andersherum: Sie fühlen sich zu 71 Prozent unsicher.
NRW-Check
Der NRW-Check ist eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der nordrhein-westfälischen Tageszeitungen.